Dutzende Brauereien präsentierten sich beim Craft Beer Festival. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das „Craft Beer Festival“ macht die Wagenhallen zur Pilgerstätte der Bierfans. Zahlreiche Besucher lassen sich das Event nicht entgehen.

Vorsichtshalber nicht mit dem Auto gekommen ist Benjamin aus Biberach. Das schwachprozentige „Freistil“ hat er schon hinter sich, jetzt schwenkt er den Rest des dunklen „Nachfolgers“ wie einen schweren Rotwein im Bierkelch und gibt eine Top-Note: „Vollmundig und sehr präsent im Abgang.“ Leider müsse er weiter, denn die Kumpels wollen den nächsten Bierstand ansteuern. Die Hopfen- und Malz-Kenner von der Riss gehen beim „Cannstatter Keller“ vor Anker, während Micha aus Mönchfeld, drei Kelche in der rechten Hand, sich für seine etwas orientierungslosen Kumpels aufrafft: „Ich geh’ mal was besorgen.“

Ein Näschen hat auch Micha, als er sich durch die Massen schiebt, denn er landet bei Camba Bavaria. Die nennen sich „Pioniere der Craft-Kreationen“ und sind seit 15 Jahren damit unterwegs. Gestartet waren sie, „als das alles noch eine Nische war“. Erzeugerstolz, der jüngst mit einem Preis unterfüttert wurde, der Goldmedaille des „Europäischer Bierstar“ für das „Chiemsee WIT“. Ein obergäriges Vollbier im „Belgian Style“, aber „damit haben wir die Belgier hinter uns gelassen“, betont Barbara Egle. Der Name lässt etwas klingeln, und Egle hat tatsächlich Stuttgart-Wurzeln, ist „Nachfahrin“ des einstigen Königlichen Hofbaumeisters Joseph von Egle.

Sie aber baut nun auf Novitäten der Braukunst und weiß, was es mit dem Belgien-Besieger auf sich hat – und singt dabei das hohe Lied des über ein halbes Jahrtausend alten Reinheitsgebotes deutscher Bierbrauerei: „Wasser, Hefe, Hopfen und Malz - und nichts sonst! Die feine Note von Zitrus und Koriander kommt nicht von deren Zugabe, sondern ausschließlich aus den traditionellen Stoffen.“ Und schon ist man mittendrin in einem kleinen Proseminar über Hopfensorten und Mälzerei-Geheimnissen, was Egles Kollege so auf den Punkt bringt: „Wir spielen mit den klassischen Zutaten.“ Das werde auch von Frauen gerne getrunken, es sei eben „was Frisches und Schönes“.

Braukunst mit klassischen Zutaten

Die perfekte Steilvorlage für Irena: „Bloß keinen Prosecco!“, sagt sie. Zuvor hatte sie eine „Gruschteldose“ Sauerbier probiert, jetzt aber sei sie „hier angekommen“. Ihr Freund hat nebenan einen Black Shark getankt. Der Schwarze Hai sei „sehr aromatisch und voll überzeugend“.

Nun denn, „unverhopft“ kommt oft. Hier sowieso, bei 30 Anbietern aus der halben Republik, die eine schwer fassbare Vielfalt an Bieren bieten, wo sich folglich Puristen des Craft-Kultes munter mischen mit jenen, die das Reinheitsgebot auf ihre Weise dehnen. Wie „Unverhopft“ aus Berlin. Für sein „Sabro Mango Milchshake New England NEIPA“ hat der Independent-Crafter aus der Hauptstadt 100 Kilogramm Mangomus aufgeboten. Haferflocken für Vollgas bei der Gärung, ein Hopfen-Special, Lactose für „die cremige Textur“, denn eines sei klar: „Die Szene ist erwachsen geworden, auch hier gibt es ein, höher, schneller, weiter. Und die neuen Sachen laufen am besten“, versichert Torben.

Crafter schwärmt von Wagenhallen-Event

Sowieso sei sein Job „wie Jazz. Wie Free Jazz. Da wird gejammt, und fast jedes Mal kommt etwas Neues, Interessantes heraus“. Und er schwärmt für das Wagenhallen-Event: „Viel besser als Frankfurt vor zwei Wochen. Mehr Leute, tolle Location, das Publikum total angenehm und lässig.“

Den Jazz beim Brauen mag auch der Kollege nebenan; „Testbräu“ nennt der Selfmade-Brauer seine Ich-AG. Ein Renner ist sein mit Milchsäure gefüttertes „Adreno Chromatique“-Craft. Das lichte Rosa lässt an Grapefruit denken, tatsächlich kommt die Färbung von Guave und Roter Bete. Mit Hingabe schwenkt Arnulf Woock den Kelch, immer wieder geht die Nase auf Aroma-Tour. „Sehr interessant, sehr speziell. Genau das, was wir hier suchen“, sagt der Stuttgarter mit Genießer-Ton. Mit Tastings im Freundeskreis seien sie zu „Craft Beer-Enthusiasten“ geworden, „immer auf der Suche nach dem Besonderen“. Und dabei ließen sie sich jetzt „weiter gemütlich durch die Halle treiben“. Na dann: Prost!