In Rom zu sehen: „Ritratto di Lorenzo Cybo“ von Foto: dpa

Der Maler Antonio Allegri, genannt Correggio, schuf im frühen 16. Jahrhundert den Typus des schönen, heldischen und sanften Christus. Eine Ausstellung in den Scuderie del Quirinale bringt sein Werk in neue Dialoge mit Bildern von Weggefährten.

Rom - Die Kunst der Renaissance entstand in Italien nicht allein in den großen Metropolen Rom, Florenz, Mailand und Venedig: auch die zahlreichen kleineren Residenzstädte und Stadtstaaten der politisch zersplitterten Apenninen-Halbinsel wie Urbino, Mantua oder Ferrara brachten bedeutende Künstlerschulen hervor, die wiederum auf die ästhetische Entwicklung in den Großzentren Einfluss nahmen. Eine Ausstellung in den Scuderie del Quirinale, den ehemaligen päpstlichen Stallungen in Rom, einer Institution, die seit Jahren durch spektakuläre Altmeisterpräsentationen auf sich aufmerksam macht, wird nun bis zum 26. Juni die Rolle Parmas als eines jener wichtigen Zentren der Malerei in der italienischen Provinz beleuchten.

Dabei waren die künstlerischen Leistungen der beiden Hauptmeister der Malerei im Parma des 15. Jahrhunderts nichts weniger als provinziell: vielmehr entfalteten sich dort zwei der wichtigsten Malerpersönlichkeiten zwischen der zu Ende gehenden Hochrenaissance und dem Manierismus, nämlich Antonio Allegri, besser bekannt unter seinem Herkunfts- und Künstlernamen Correggio (um 1490–1534) und Girolamo Francesco Mazzola, genannt Parmigianino (1503–1540).

Die Ausstellung umfasst rund 100 Gemälde und Zeichnungen der beiden Großmeister der Kunst des Cinquecento sowie einiger weniger bekannter Künstler Parmas wie Giorgio Gandini del Grano oder Girolamo Bedoli.

Während Parmigianino den Besucher in erster Linie als brillanter Zeichner und hervorragender Porträtist begeistert, war Correggio vor allem ein innovativer und einflussreicher Maler, der auch die Kunst in Rom nachhaltig mitgeprägt hat. Wenige Schritte vom Ort der Ausstellung entfernt befindet sich in der Kirche Santa Maria della Vittoria Berninis 1645/52 entstandene Skulpturengruppe der „Verzückung der heiligen Teresa“, bei der sich Bernini auf einen von Correggio über hundert Jahre zuvor, um 1522, entwickelten Darstellungstypus bezieht. Correggios formale Gestaltung der sich in Todesangst und heiliger Ekstase gleichermaßen windenden Figur der Märtyrerin Flavia war für Bernini mustergültig. Doch Correggios Darstellung der Hinrichtung der Heiligen (Galleria Nazionale, Parma) blieb in dessen Œuvre ein seltenes Motiv archaischer Grausamkeit.

Correggio orientierte sich nicht allein an Kompositionsprinzipien der Hochrenaissance

Correggio bevorzugte die angenehmen und erfreulichen Themen der christlichen und mythologischen Bildwelt. Schon früh entwickelte er einen charakteristischen Madonnen- und Frauentypus voller Lieblichkeit und Anmut. Bereits um 1522 fasste er das biblische Bildpersonal wie in seinem kleinformatigen Gemälde der „Madonna mit heiliger Katharina“ (Museo di Capodimonte, Neapel) in idyllischen und im Sinne des christlichen Heilsversprechens harmonischen, genrehaften Szenen auf. In formaler Hinsicht orientiert sich Correggio in seinem Frühwerk nicht allein an den Kompositionsprinzipien der Hochrenaissance, sondern nimmt fremde, neuartige Einflüsse auf, wenn er etwa in seinem Gemälde „Der Abschied Jesu von seiner Mutter“ (National Gallery, London, um 1520) die Komposition eines 1504 entstandenen Holzschnitts aus Albrecht Dürers Marienleben zitiert.

Bis weit ins 19. Jahrhundert und in die triviale religiöse Bildwelt unserer Tage hinein wirkt Correggios Typus des schönen, heldischen und sanften Christus fort, wie er ihn in seinem Hauptwerk des „Noli me tangere“ (Prado, Madrid) als einen athletischen jungen Gott schildert, welcher der entzückten Maria Magdalena in einer idealen Gartenlandschaft begegnet.

Correggios Fähigkeit, die steife Formelhaftigkeit in der Malerei der späten Hochrenaissance zu überwinden und seinen Historiengemälden Bewegung und Frische zu verleihen, ließ ihn nicht nur die Kunst des Barock, sondern auch des Rokoko antizipieren. Seine „Danae“ (Galleria Borghese, Rom) nimmt mit ihrer spielerischen Unbeschwertheit und koloristischen Delikatesse bereits die Kunst eines Boucher oder Fragonard voraus. Naturgemäß kann in der Ausstellung das bedeutende Werk, das Correggio als Freskenmaler in seiner Heimatstadt geschaffen hat, nicht ausgestellt werden. In einer Suite bildmäßiger Handzeichnungen lassen jedoch Vorarbeiten zu seinem Deckenfresko in der Cappella del Bono in Parma (Devonshire Collection, Chatsworth) Correggio als einen außergewöhnlich erfindungsreichen Zeichner und großartigen, dekorative Eleganz und kompositionelle Leichtigkeit verbindenden Künstler erkennen.

Der vulgäre Bildgegenstand wird zu höchster Kunstform erhoben

Dabei wird Correggios Zeichenkunst von jener Parmigianinos noch übertroffen. Zu Recht gilt dieser als einer der bedeutendsten Zeichner der abendländischen Kunst. Er hat ganz offensichtlich im Gegensatz zu den allermeisten seiner Zeitgenossen die Zeichnung nicht nur als dienendes Medium für die Vorbereitung von Gemälden verstanden, sondern als eine eigenständige Form künstlerischen Ausdrucks.

Dabei ist ihm kein Motiv zu alltäglich oder zu banal, um es nicht mit virtuosem Strich und meisterlicher Schraffur künstlerisch zu gestalten. Wenn etwa ein sitzender Mann eine schwangere Hündin präsentiert (British Museum, London), so widmet sich Parmigianino mit so inniger Hingabe jedem Detail des etwas degoutanten Motivs, dass der vulgäre Bildgegenstand in seiner Zeichnung zu höchster Kunstform erhoben wird.

Vergleicht man die Künstlerpersönlichkeiten Correggios und Parmigianinos, so vertritt der etwas ältere Correggio ein motivlich wie formal gefälligeres, etwas glatteres und damit auch in der Kunstgeschichte länger nachwirkendes Bildrepertoire, während Parmigianinos Kunst weitaus expressiver, dunkler und enigmatischer ausgerichtet ist. Seine großformatigen Darstellungen des „Heiligen Rochus“ (San Petronio, Bologna) und der „Bekehrung des Saulus“ (Kunsthistorisches Museum, Wien) werden als hochdramatische Szenen eines göttlichen Geschehens aufgefasst, indem in bester manieristischer Affektschilderung die Figuren der Bilder verformt und in ihrem körperlichen Ausdruck dramatisch gesteigert werden und das Kolorit der Gemälde zu einem reich instrumentierten Bedeutungsträger wird.

Gegensatz zwischen der frischen Schönheit der jungen Frau und ihrem hochformellen Auftritt

Der herausragende Zeichner und hochmanieristische Historienmaler Parmigianino war auch ein bedeutender Porträtist, wie sein Mädchenbildnis der „Antea“ von 1524/27 (Museo di Capodimonte, Neapel) eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die noch sehr junge Frau, die traditionell als eine berühmte Kurtisane identifiziert wurde, möglicherweise jedoch die Tochter oder die Geliebte des Künstlers gewesen ist, wird von der Üppigkeit eines prachtvollen Gewands, das mit Brokat und Seide, Pelz und Geschmeide prunkt, nahezu erdrückt, der Künstler gestaltet so einen spannungsvollen Gegensatz zwischen der frischen Schönheit der jungen Frau und ihrem hochformellen Auftritt.

Obgleich in der Ausstellung in Rom einige Hauptwerke der beiden Künstler nicht zu sehen sind – etwa Correggios „Heilige Nacht“ aus Dresden oder Parmigianinos „Madonna mit dem langen Hals“ aus den Uffizien – bietet sie einen bezugs- und genussreichen Überblick über die goldene Epoche der Malerei in Parma.

www.scuderiequirinale.it