Gerichtsmitarbeiter sind Aktenberge gewohnt. Doch wie sollen sie die drohenden Aktenberge abarbeiten? Foto: dpa/Volker Hartmann

Die Gerichte dürfen nur noch unaufschiebbare Verhandlungen führen – und diese unter Einschränkungen. Nach der Corona-Krise werden sie einen immensen Aufgabenberg abarbeiten müssen.

Ludwigsburg - Im Februar begann ein Prozess gegen einen 50-jährigen Ludwigsburger, der sich mehrfach am Patenkind seiner Ex-Frau vergangen haben soll. Acht Verhandlungstage hatte das Stuttgarter Landgericht für den Fall angesetzt, das Urteil sollte im März fallen. Doch dann, kurz bevor Staatsanwaltschaft und Verteidigung die abschließenden Plädoyers halten und das Gericht hätte urteilen sollen, traten die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie in Kraft – und zögerten das Urteil hinaus.

Kein Einzelfall. Auf Geheiß des baden-württembergischen Justizministeriums Mitte März sollen sich Gerichte angesichts des Coronavirus auf „unaufschiebbare Verhandlungen“ beschränken. Weniger dringende Angelegenheiten werden verschoben.

Prozesse dürfen jetzt länger unterbrochen werden

Die Strafverfahren, die derzeit noch stattfinden, sind mit Schwierigkeiten verbunden, wie der Stuttgarter Landgerichtssprecher Christoph Buchert mitteilt. Schließlich seien an einem Strafprozess zahlreiche Personen beteiligt, die nun Abstand halten sollen. Gericht, Staatsanwalt, Urkundsbeamter, Angeklagter, Verteidiger, Nebenkläger müssen stets anwesend sein. Dies ist bei kranken oder unter Quarantäne stehenden Personen aber ausgeschlossen, weshalb es am Landgericht in Stuttgart zu zahlreichen Terminaufhebungen und -verschiebungen kam.

„Bislang ist noch kein Prozess geplatzt, einige wurden aber unterbrochen“, sagt Buchert. Bei manchen Prozessen wäre es wohl schwierig geworden, sie im Sinne des Strafprozessrechts fortzusetzen, das vorsieht, Prozesse für höchstens drei Wochen oder – wenn die Verhandlung länger als zehn Verhandlungstage dauerte – für vier Wochen zu unterbrechen. Andernfalls müssen sie neu aufgerollt werden. Diese Frist hat der Bundesgesetzgeber jedoch am 27. März geändert. Demnach dürfen Prozesse nun bis zu drei Monate und zehn Tage unterbrochen werden, wenn Verhandlungen wegen des Coronavirus nicht möglich sind.

Verhandlungen mit Abstand

Das Ludwigsburger Amtsgericht hat für den eingeschränkten Betrieb Notdienste eingerichtet. Wie der Sprecher Ulf Hiestermann mitteilt, werden Verhandlungen in den größten Sitzungssälen abgehalten, damit die Personen Abstand halten können. Bürger können aber nach wie vor Anträge stellen und haben Zugang zum Hauptgebäude des Amtsgerichts.

„Es wird eine Herausforderung sein, die aufgelaufene Arbeit abzuarbeiten, wenn die Beschränkungen wegfallen“, sagt die Sprecherin des Heilbronner Sozialgerichts Claudia Toberer. Das Heilbronner Gericht wollte am 24. März auf digitale Akten umstellen. Doch der Start der sogenannten E-Akte musste verschoben werden. Toberer: „Das Gericht muss daher weiterhin mit Papier-Akten arbeiten, was die Arbeit im Homeoffice erschwert.“