Keine Schule wegen des Coronavirus: Das heißt für viele Eltern Homeschooling und Homeoffice unter einen zu Hut bringen. Doch das geht nicht auf Dauer. Foto: dpa/Marijan Murat

Homeschooling ist viel zu oft mehr Schein als Sein. Die Politik muss den Unterricht zu Hause beenden, wenn sie Familien nicht weiter belasten will – auch um den Preis, dass dies den Unterricht in den nächsten Jahren verändern wird.

Stuttgart - Machen wir uns nichts vor. Es wird Klassen geben, die in diesem Schuljahr wegen des Coronavirus nicht mehr in die Schule gehen werden. Es sei denn, die Abstandsregeln werden aufgehoben. Das ist für viele Eltern eine bittere Erkenntnis. Die Kultusminister haben immerhin endlich zuzugeben, dass es einen regulären Schulbetrieb für die elf Millionen Schüler in Deutschland vor den Sommerferien nicht geben wird. Aber ist tageweise wirklich eine Option? Wo sollen denn etwa die Siebtklässler hin, wenn die Jahrgangsstufen von morgens bis abends sämtliche Räume benötigen? Was macht die Gemeinschaftsschule, wenn 100 Schüler der Abschlussklassen nun das ganze Schulhaus brauchen? Ein Schichtbetrieb für alle Klassen? Das ist Wunschdenken und geht allzu oft an der Realität vorbei.

Richtiges Homeschooling gibt es kaum

Viele Mütter und Väter sind dem Wahnsinn nah, weil sie versuchen täglich den Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling zu meistern. Doch bei allem Lob für den überdurchschnittlichen Einsatz, es verbietet sich – bis auf wenige Ausnahmefälle, eigentlich von Homeschooling zu sprechen. Wer jetzt populistisch fordert, dann müssten die Lehrer eben jetzt mehr digital arbeiten, der verkennt, dass in vielen Schulen dazu die technischen Gegebenheiten fehlen. Nehmen wir an, Homeschooling wäre ein Autorennen. Dann würden sich viele Lehrer gern ans Steuer setzen, aber das Land stellt ihnen eben nur ein Dreirad zur Verfügung. Engagierte Lehrer haben derzeit eben nicht frei, wie viele mutmaßen, sondern sie versuchen aus den widrigen Bedingungen das Beste zu machen, was aber ganz schnell an Belastungsgrenzen führt.

Der Unterricht am heimischen Küchentisch ist im Jahr 2020 in Deutschland oft eine wilde Mischung aus kopierten Blätterstapeln, Onlineplattformen und Apps. Das hat mit richtigem Homeschooling nichts zu tun. Es rächt sich nun, dass Bund und Länder die Digitalisierung verschlafen haben. Klar, es gibt den Digitalpakt. Milliarden Euro stehen bereit. Geld, das die Schulen abrufen können. Aber ganz ehrlich: es ist schön, wenn einzelne Schulen da mit gutem Beispiel vorangehen, aber es fehlt ein Masterplan. In Schönwetterreden sind Politiker immer für die Digitalisierung. Eben, weil sie wissen, dass sie das müssen. Aber es fehlt das nötige Herzblut, damit die Digitalisierung ein Erfolg wird. Und solange ein Lehrer, das Thema IT an seiner Schule zusätzlich neben seinen anderen Aufgaben betreut, ist das Projekt Digitalisierung in der Breite zum Scheitern verurteilt. Es braucht da IT-Fachleute und zwar dauerhaft.

Außergewöhnliche Maßnahmen sind nötig

Daher wird Homeschooling ein Provisorium bleiben müssen. Leidtragende sind Eltern, Schüler und vor allem diejenigen, die zu Hause keine Unterstützung erfahren.

Wenn das Land nicht will, dass viele Familien kaputtgehen, ist es Zeit, den Unterricht zu Hause zu beenden. Die Schüler können eben nicht den Stoff zu Hause lernen, den sie eigentlich in der Schule erklärt bekommen. Die Lehrer, die keine Abschlussklasse oder vierte Klasse haben, könnten sich dann bis zu den Sommerferien um die schwächeren Schüler kümmern. Die Eltern hätten mehr Luft zum Atmen und die Arbeitgeber wären froh, wenn ihre Mitarbeiter nicht dauergestresst im Homeoffice säßen. Was wären die Folgen? Der Lernstoff des Schulhalbjahres müsste nachgeholt, Lernpläne rigide entrümpelt werden. Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Die Konsequenzen für die Mehrheit der Schüler wären überschaubar, auf bestimmte Klassenstufen muss natürlich besonderes Augenmerk gelegt werden. Das hat die Politik bereits erkannt. Nun müssen Worten Taten folgen.

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