Eine Struktur kann jetzt helfen: Ein Tagesablauf einer Familie von Frühstück bis zum Abendessen Foto: privat

Wie man dem Tag Struktur gibt, warum man soziale Kontakte meiden sollte und warum Vorkochen eine gute Idee ist. Der neue Alltag ist für Familien eine Herausforderung.

Stuttgart - Sandra und Kim sind in einer guten Situation: Beide Eltern können Homeoffice machen, während ihre Töchter (7 und 4 Jahre alt) zu Hause sind. Sandra und Kim haben sich in der 3-Zimmer-Wohnung neben Bücherregal und Sofa einen provisorischen Schreibtisch eingerichtet. Die Kinder haben ihr gemeinsames Zimmer, die Küche ist Treffpunkt für die gemeinsamen Mahlzeiten.

Allen ist klar: Das sind keine Ferien, das ist eine Ausnahmesituation. Der Kampf gegen das Coronavirus betrifft jeden. Dabei könnte der Alltag schnell überfordern, wenn alle Zuhause sind, während Bäder, die Wilhelma, Museen und Spielplätze geschlossen sind und die Gesamtsituation angsteinflößend ist.

Der Tagesablauf

Was der Familie aus dem Stuttgarter Süden hilft: ein Tagesplan an der Wandtafel. Das machen gerade viele. Sie schreiben Uhrzeiten auf große Blätter, hängen diese an die Wand. Bei Sandra und Kim beginnt der Tag mit Frühstück, von 8 bis 10 Uhr arbeiten die Eltern, die Kinder spielen. Das ist ein Raster, das in jeder Familie anders funktioniert, je nachdem, ob beide zuhause sind, sie im Wechsel arbeiten können, Kinder auch für die Schule lernen müssen. Die Modelle, die jetzt hier spontan auf den Alltag angepasst werden, sind so vielfältig wie Familien selbst. Die Kleinkind -Pädagogin Susanne Mierau schreibt: „Während es einige Eltern gibt, die ihre Kinder generell zu Hause betreuen, ist es für andere eine große Veränderung, wenn langfristig die Betreuung außerhalb der Familie wegbricht – dies umso mehr, wenn sie bereits über einen längeren Zeitraum fester Bestandteil des Alltags geworden ist und die Familie nun emotional und auch strukturell in einer Umbruchphase steckt.“

Das Essen

Gemeinsame Mahlzeiten geben dem neuen Alltag Struktur. Es gibt kein Essen in der Kita oder der Kantine, man sollte so wenig wie möglich einkaufen gehen. Das heißt, man macht sich am besten einen Wochenplan, wann es was zu essen gibt, was auch die pingeligen kleinen Mitbewohner mögen und was die Eltern nicht schnell langweilt. Dann reicht es, wenn man ein Mal die Woche einkaufen geht. Es bietet sich an, am Abend so viel zu kochen, dass es auch am nächsten Tag zu Mittag noch reicht. Zwischendurch sollte man für genügend Snacks wie Trockenobst, rohes Gemüse und auch Süßigkeiten sorgen. Wichtig ist aber auch: Keine überfordernden Ansprüche an sich selbst stellen: Wessen Kinder das mitmachen, kocht nur ein mal am Tag warm und macht ansonsten Brotzeit. Zwischendurch darf es auch mal was Ungesundes sein. So eine Portion Pommes macht auch Eltern wie Kindern das Daheimbleiben leichter.

Das Rausgehen

Auch in Coronazeiten sollten Eltern sich selbst und den Kindern zuliebe mal raus – aber eben dabei einen möglichst großen Abstand zu anderen Menschen halten. Wer einen eigenen Garten hat, hat’s jetzt besonders gut. Dort kann man neben dem obligatorischen Sandkastenbuddeln auch mal Frisbee oder Fußball spielen (und ein Auge zudrücken, wenn dabei die ein oder andere Tulpe dran glauben muss). Außerdem gibt es im Frühjahr auch einiges zu tun: Beete umgraben, alte Zweige abschneiden, Blumenzwiebeln vergraben, Unkraut ausrupfen – das macht Kindern erstaunlich viel Spaß. Seit Spielplätze und Schulhöfe zu sind, sind die Alternativen außerhalb des eigenen Gartens begrenzt. Wer eine Hofeinfahrt hat oder einen kleinen Platz in der Nähe, kann Klassiker wie Himmel und Hölle oder Gummitwist aufleben lassen. Und dann ist in Stuttgart ja der nächste Wald nie weit, in den man auch wunderbar Laufrad und Fahrrad mitnehmen kann.

Die Sozialkontakte

Das wirksamste Mittel, die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen und damit Leben zu retten, ist, so wenig andere Menschen wie möglich zu treffen (soziale Distanz). Am besten niemanden. Das ist die klare Botschaft aus dem Bundesgesundheitsministerium und von Experten wie dem Chef-Virologen der Berliner Charité Christian Drosten. Die sonst so beliebten „Playdates“, also Verabredungen zum Spielen mit einem oder gar mehreren anderen Kindern, sollten deshalb unbedingt ausfallen. Spielgruppen einzurichten, nur um nicht allein seine Kinder beschäftigen zu müssen, ist deshalb keine gute Idee. Eine Sprecherin des baden-württembergischen Gesundheitsministeriums nennt solche Treffen „unverantwortlich“. Und betont: „Bleiben Sie mit Ihren Kindern zu Hause! So schwer das sein mag, Kinder in dieser Zeit bei Laune zu halten, aber hier müssen Eltern vernünftig und verantwortungsvoll handeln.“

Auch die Betreuung durch die Großeltern muss wegfallen, das forderte zuletzt unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie. Gerade Kinder gelten als leichte Überträger der Infektion, sie haben selten Symptome oder meist schwache, sodass sie infiziert und ansteckend sein können, ohne es zu merken.

Wer bei der Betreuung in den kommenden Wochen auf die Hilfe von befreundeten Eltern angewiesen ist, sollte sich an Freunde wenden, mit deren Kindern der eigene Nachwuchs ohnehin in letzter Zeit oft zusammen war, zum Beispiel in der Kita. In gewohnten Gruppen zu bleiben, ist auf jeden Fall besser, als neue Gruppen aufzumachen, sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Trotzdem Kontakte halten

Das Kind sagt: „Dieser blöde Virus, jetzt darf ich so lange meine Freunde nicht sehen“. Für Kinder ist es schwierig, so lange aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen zu sein, aber sie halten das aus. Eine Möglichkeit, trotzdem in Kontakt mit Großeltern und Freunden zu bleiben, bieten Videotelefonie-Dienste wie Skype oder Whatsapp. Oder wie wäre es mal damit, eine Postkarte an Opa und Oma und die beste Freundin zu schreiben?

Über Corona sprechen

Zeitungen, Radio, Fernsehen, Internet – alle berichten fast nur noch über das eine. Wie präsent sollte das Thema im Familienalltag sein? Nach einem ersten Gespräch, in dem sie die Situation und das Virus kindgerecht erklären, sollten Eltern abwarten, wie sehr das Thema ihre Kinder beschäftigt, was je nach Alter und Charakter unterschiedlich ist. Auf Nachfragen oder Ängste sollten Eltern unbedingt unaufgeregt eingehen. Unicef Deutschland rät unter anderem dazu, Heldengeschichten zu erzählen von all den Ärzten, Pflegekräften, Forschern und Apothekern, die den Kampf gegen das Coronavirus aufgenommen haben. Ansonsten ist wichtig, Normalität und Routinen in dieser Ausnahmesituation zu schaffen, auf die sich das Kind verlassen kann (siehe Tagesblauf).