Masken bleiben die Ausnahme. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Masken bleiben eine Ausnahmeerscheinung: Das Leben in der Stuttgarter Innenstadt verlief am Samstag ruhiger. Ein Stimmungsbild aus der Landeshauptstadt.

Stuttgart - „Corona!“ piepst ein Teenager mit verstellter Stimme, als ein Mann mit Atemschutzmaske die U6 Richtung Innenstadt entert. Seine Kumpels kichern. Auch bei einigen anderen Fahrgästen zucken die Mundwinkel. Natürlich ist die derzeitige Situation nicht zum Lachen. Von Panik allerdings ist man in Stuttgart am Tag 1 nach Verkündigung der jüngsten Maßnahmen insgesamt weit entfernt. Das bestätigt auch die Dame am DB-Infoschalter im Hauptbahnhof. „Die Leute sind sehr diszipliniert und umgänglich“, berichtet sie. „Es kommen viele Nachfragen zur Stornierung von Bahntickets oder zur Aufrechterhaltung des Fahrplans, aber die Stimmung ist ruhig.“ Auch Christian (18) wartet gelassen auf seinen Zug. Corona? Er gehöre nicht zur Risikogruppe und mache sich weiter keine Gedanken wegen einer Ansteckung, versichert er. Genervt zeigt sich der Student der Dualen Hochschule in Horb lediglich von den Hamsterkäufern. „Es ist schon absurd, wenn man anfängt, sich hierzulande ums Klopapier zu streiten“, stellt er kopfschüttelnd fest.

Ein Stück Normalität

Am Stand der Gärtnerei Van der Geer auf dem Schillerplatz versorgen sich die Kunden lieber mit Blumen. „Auf dem Markt ist weniger los als sonst“, resümiert Ajsa Van der Geer den Vormittag. „Es gibt aber offenbar doch etliche Menschen, die sich jetzt ein Stück Normalität wünschen und dennoch Blumen kaufen.“ Die Schließungsmaßnahmen der Stadt hält sie für gerechtfertigt. „Natürlich stellt das viele Stuttgarter vor neue Herausforderungen“, überlegt sie. „Wir haben ja bei der Kinderbetreuung das Glück, dass wir durch die Gärtnerei quasi zu Hause sind. Da hat es mancher sicher schwerer, nun da Schulen und Kitas zu sind.“ Vorerst wird das Ehepaar Van der Geer weiter auf den Markt kommen und seine Ware anbieten. In der Hoffnung, dass alles bald wieder vorüber sein könnte, wenn alle sich konsequent verhalten.

Dass die am Freitag verhängten Maßnahmen nicht von allzu langer Dauer sein werden, hofft auch Axel Winkler, kaufmännischer Geschäftsführer des Landesmuseums im Alten Schloss. Er schaut am Samstagmittag kurz im Innenhof der einstigen Residenz der württembergischen Grafen und Herzöge vorbei. Dort steht Personal bereit, das weniger informierte Besucher über die vorläufige Schließung der Sammlung informieren soll. „Einige wenige haben tatsächlich nichts von den Maßnahmen mitbekommen“, so Winkler. Zwei japanische Touristen trösten sich mit einem Selfie vor dem Reiterstandbild von Herzog Eberhard im Bart.

Masken bleiben eine Ausnahmeerscheinung

Nicht nur die spärlich besetzte Außenbestuhlung der Gastronomiebetriebe macht augenfällig, dass deutlich weniger Menschen in der Innenstadt unterwegs sind als gewöhnlich. Selten genießt man am Samstagmittag auf der Königstraße ähnlich viel Beinfreiheit. Im Gerber ist wenig los. Penelope (22) und Ronja (23) schauen sich im dortigen H&M um. Shoppen im eigentlichen Sinne seien sie nicht, geben die beiden zu verstehen. Sie sind zum Kaffeetrinken verabredet und wollen die Zeit überbrücken. „Ich habe noch gar nicht wirklich wahrgenommen, dass irgendetwas geschlossen hat“, überlegt Ronja. Grund zur Panik sehen die Freundinnen nicht. Misst man den Grad der Verunsicherung am Prozentsatz der Mundschutzträger in der Öffentlichkeit, so ist die Stimmung im Stuttgart entspannt. Die weißen Masken bleiben eine Ausnahmeerscheinung.

Prominent vertreten sind sie im Schaufenster der Internationalen Apotheke. „Wir haben nur noch die einfachen Modelle auf Lager“, erklärt Nikolaus Kondraschov. Die sind aber immerhin erhältlich, ebenso wie Desinfektionsmittel aus eigener Herstellung. Kondraschov hat den Eindruck, die größte Aufregung sei bereits vorüber. „Die Menschen wirken besonnener“, sagt er. „In den zurückliegenden Wochen war das schon anders.“ Kunden mit Mundschutz und Gummihandschuhen zu bedienen, hält er aktuell für wenig zielführend. Das sei das falsche Signal. Sven (27) geht trotzdem lieber auf Nummer sicher. Er hat sich drei Viererpacks Küchenrolle gesichert. „Was weiß ich, was als nächstes kommt?“ begründet er den Vorratskauf. „Weg kommt das Zeug auf jeden Fall. Ich will einfach keinen Stress haben, wenn sowas knapp wird.“

Gryffindor-Bademäntel dürften selbst von eingefleischten Harry Potter-Fans eher selten gehamstert werden. Arne (38) zeigt das Textil mit leuchtenden Augen seinen Freunden. Sie amüsieren sich bestens, während sie das Sortiment bei Elbenwald im Milaneo sichten. „Ich bin mir nicht sicher, ob das gegen Corona hilft“, witzelt der Hogwarts-Nerd und visiert eines der schmucken Zauberstab-Replikate an. Jedenfalls lässt sich feststellen, dass auch am Mailänder Platz Corona wirkt: Die Einkaufslaune ist gedämpft, die Stimmung der Shoppenden allerdings bestens. Auch bei Rainer, der bei Saturn im Königsbau CD-Schnäppchen jagt. „Ich denke, es schadet nicht, wenn alle einen Gang zurückschalten“, so der 52-Jährige. „Die Ruhe hier hat auch etwas für sich.“