Die Stuttgarter Innenstadt wirkt inzwischen mancher Orts wie ausgestorben. Foto: Lg/Leif Piechowski

Die Stadt Stuttgart meldet 324 gesicherte Infektionen, doch die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Zur Gefahrenabwehr tagt nun einmal täglich ein Verwaltungsstab. Es gilt Gefahrenstufe drei.

Stuttgart - In Stuttgart steigt die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Personen weiterhin exponentiell. Das Gesundheitsamt meldet am Mittwoch 324 gesicherte Infektionen. Sieben Tage vorher waren es noch 35. Bei der Stadt geht man zudem von einer höheren Dunkelziffer aus. Zur Bewältigung der Coronavirus-Epidemie hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn am Mittwoch einen Verwaltungsstab eingesetzt, den er selbst leitet. Laut einer Pressemitteilung sollen dadurch Entscheidungen beschleunigt werden. Die Landeshauptstadt befinde sich in Stufe 3 der Gefahrenabwehr („orange“), also eine Stufe vor Katastrophe („rot“).

Der Verwaltungsstab, tagt in der Regel einmal am Tag. Mitglieder sind neben dem OB die Bürgermeisterriege, Stadtdirektorin Andrea Klett-Eininger, der Leiter des Gesundheitsamtes, Stefan Ehehalt, der Medizinische Vorstand des Klinikums Stuttgart, Jan Steffen Jürgensen, Fachämter, Feuerwehr und Polizei. Gegebenenfalls würden weitere interne wie externe Institutionen oder Fachleute hinzugezogen, meldet die Stadt.

Möglichst wenige Menschen treffen

Angesichts der „dramatischen Lage“ appelliert der Sprecher der Stadt, Sven Matis, erneut an die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, ihre Sozialkontakte zu minimieren. „Wir rufen eindringlich auf, jetzt möglichst wenige Menschen zu treffen und auf die Hygiene mehr denn je zu achten“, sagt Matis und zitiert Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne), der von einer „Bewährungsprobe für die Stadtgesellschaft“ gesprochen hatte. Familien rät er, sich in der Nachbarschaft zusammenzuschließen: zwei bis drei Familien, die sich untereinander eintreffen – und jeweils keine weiteren Kontakte pflegen. Die Kinder sollten und wollten natürlich raus gehen, sie müssten sich auch bewegen. Was aber „auf keinen Fall“ gehe: sich von Tag zu Tag mit einer anderen Familie zu verabreden.

„Jeder kann durch sein Verhalten helfen, vermeidbare Todesfälle zu senken“, das macht auch der Medizinische Vorstand und Vorstandsvorsitzender des Klinikums Stuttgart, Jan Steffen Jürgensen, deutlich. Bei den allermeisten der Betroffenen seien bisher milde Verläufe der Krankheit zu beobachten, so Jürgensen. Sie müssten daher auch nicht stationär in einem Krankenhaus betreut werden. „Mehr als 300 Menschen kurieren sich momentan in häuslicher Quarantäne“, berichtet Jürgensen. Stationär werde erst eine niedrige zweistellige Zahl behandelt, „mit deutlich steigender Tendenz“.

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Bei den Tests auf den Coronavirus wird ein Strategiewechsel vollzogen. Wer leichte Symptome zeigt, aber nicht zu einer Risikogruppe gehört, sondern jung und ohne Vorerkrankung ist, wird nicht getestet. „Die, die schwer betroffen sind, die Anfälligen, werden getestet“, so Matis. „Es geht jetzt nicht mehr um die Quantität, es geht um die Qualität“, erklärt er.

Wer auf eigene Faust kommt, wird nicht getestet

Seit Dienstag gibt es nicht nur die Anlaufstellen in den Kliniken, sondern auch im Reitstadion eine Fieberambulanz zur „medizinischen Abklärung von Patienten mit schwereren Infektionskrankheiten“, wie der Gesundheitsamtsleiter Stefan Ehehalt betont. Niedergelassene Ärzte könnten nach Absprache Patienten zur Abklärung dorthin verweisen. Wer auf eigene Faust kommt, wird nicht getestet.

Durch die Anlaufstelle im Reitstadion sollen die Kliniken entlastet werden. Sie können ihre Teststrategie ändern. Bei begründetem Coronaverdacht werde der Abstrich bei ihnen nicht mehr vorgenommen, berichtet eine Sprecherin des Marienhospitals. Die Leute würden ins Reitstadion geschickt. Anders sieht es bei Menschen mit sehr schweren Symptomen aus. Sie kämen auf eine Infektionsstation und würden dort getestet. Bis Dienstag wurde bei 280 Personen im Marienhospital Abstriche vorgenommen, rund 200 davon am Montag und Dienstag. Im Robert-Bosch-Krankenhaus waren es bis Dienstag etwa 1200 Abstriche, im Klinikum Stuttgart rund 1500. Nach drei bis vier Werktagen würden die Patienten vom Gesundheitsamt über das Ergebnis informiert, berichtet ein Sprecher des Klinikums. Dort hofft man, trotz der Lieferengpässe die Testkapazitäten erhöhen zu können. „Voraussichtlich ab Start der nächsten Woche wird ein zusätzliches Testkit verfügbar sein, das mit einem vorhandenen Pipettierroboter die Kapazität um eine mittlere dreistellige Zahl pro Tag erhöhen soll“, so der Sprecher.