Melanie Huml, Staatsministerin für Gesundheit und Pflege, und Markus Söder, Ministerpräsident von Bayern Foto: dpa/Peter Kneffel

Es war der Unterschied zwischen gut gemeint und gut gemacht, der zu der für Markus Söder extrem peinlichen Corona-Panne geführt hat: Der Aufbau von Testzentren musste so schnell gehen, dass die Qualität litt. Und die Flut der Tests war viel größer als gedacht.

München - Es ist eine Riesenpleite für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), der sich so gern als großer Kümmerer in der Corona-Krise inszeniert. Irgendwo in Deutschland waren bis Donnerstag mehr als 1000 Menschen unterwegs, die nachweislich mit dem Coronavirus infiziert sind, denen dies aber bis zu zwei Wochen lang nicht mitgeteilt wurde. Die von Bayern nicht nur an Flughäfen und Bahnhöfen, sondern auch an den Autobahnübergängen nach Österreich in Windeseile aus dem Boden gestampften Testzentren waren anfangs heillos überlastet, die freiwilligen Helfer nicht ausreichend geschult, die technische Infrastruktur überfordert bis nicht vorhanden. Die Folge: Ein heilloses Durcheinander allerorten.

Wie konnte es zu der Panne kommen?

Es gibt mehrere Gründe. Der politische Wunsch der bayerischen Staatsregierung um Söder, Urlaubsrückkehrer möglichst flächendeckend zu testen, wurde hastig umgesetzt. Das Bayerische Rote Kreuz hatte schon vor Tagen bemängelt, die „eigentlich gute Idee“ hätte ein paar Tage mehr Vorbereitungszeit verdient gehabt. Hinzu kam, dass die Behörden in Bayern und die beteiligten Labore geradezu überrollt wurden von einer Flut von freiwilligen Tests - insgesamt mehr als60 000 an Autobahnen, Bahnhöfen und Flughäfen. Das sind viel mehr als erwartet. „Wir haben alle zusammen sicherlich den Fehler gemacht, dass die Zahl der Tests, die dort gemacht wurden, unterschätzt wurde“, sagte der Präsident des Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Professor Andreas Zapf.

Warum hat Bayern die Testzentren aufgebaut?

Bayern war bundesweit Vorreiter beim Aufbau von Testzentren für Urlaubsheimkehrer - Söder verwies mehrmals auf die Tatsache, dass Bayern in dieser Frage auch Dienstleister für andere Bundesländer sei, und zwar dann, wenn Rückkehrer Bayern durchquerten, um nach Hause zu fuhren. Die Autobahnen Bayerns sind Hauptrouten in viele Urlaubsländer wie Österreich und Italien, aber auch für Zuwanderer auf Heimaturlaub in ihren Herkunftsländer etwa auf dem Balkan - und dort gibt es Risikogebiete. Söder warnt seit langem vor einer zweiten Welle von Corona-Infektionen und hält die Urlaubsrückkehrer für ein besonderes Risiko. Deshalb wollte er unbedingt die Testkapazitäten erhöhen. Unklar ist bis heute, warum dies beim lange im Voraus absehbaren Sommerferien-Termin nicht länger vorbereitet wurde.

Was genau ist das Problem?

Während es an den Flughäfen und teils auch an den Bahnhöfen offenbar vergleichsweise reibungslos lief, traten die Probleme vor allem an den drei Autobahn-Testzentren Donautal-Ost, Inntal-Ost und Hochfelln auf. Dort mussten die Reisenden handschriftlich einen Testantrag ausfüllen, dann wurde ein Abstrich genommen. Sie erhielten einen QR-Code, den sie in ihre Warn-App einlesen konnten, und sollten so das Ergebnis bekommen. Das beteiligte Labor habe aber große Probleme gehabt, die Flut von handbeschriebenen Anträgen zu digitalisieren - selbst mit aufgestocktem Personal. Die Testergebnisse hätten vorgelegen, aber wegen fehlender Digitalisierung nur schwer den betroffenen Personen zugeordnet werden können. Die handschriftlichen Anträge seien „zum Teil gut zu lesen, zum Teil schlecht zu lesen“, sagte Zapf. Einige hätten auch nur ein Codewort eingetragen und hofften nun, darüber ein Ergebnis zu erfahren.

Wie groß ist die Gefahr, dass positiv Getestete weitere Menschen angesteckt haben?

Die Gefahr ist sehr groß - die Frage ist nur: Wie viele? Die Nachverfolgung der Betroffenen und deren Kontaktpersonen über die Gesundheitsämter hat noch nicht stattfinden können. Ob es sich bei den genannten mehr als 1000 Menschen um Personen handelt, die sich in den vergangenen Tagen überwiegend zu Hause im Kreise ihrer Familien aufgehalten haben, oder um Menschen, die unter die Leute gegangen sind, vielleicht Busse und Bahnen benutzt haben, an Feierlichkeiten teilgenommen haben oder beruflich mit anderen Menschen in Kontakt getreten sind - das ist schlicht nicht bekannt. In Quarantäne müssen ja nur Urlauber, die aus Risikogebieten kommen.

Ist es denkbar, dass es noch mehr Reiserückkehrer gibt, die Virusträger sind?

Ja, durchaus. Nicht alle Rückkehrer haben sich in Bayern testen lassen, und in anderen Bundesländern gibt es nur wenig freiwillige Tests für Menschen aus Nicht-Risikogebieten. Daher dürfte die Zahl derer deutlich höher sein, die infiziert sind und davon nichts wissen - mit der entsprechenden Folge eines deutlich erhöhten Ansteckungsrisikos. Außerdem gehen die Tests ständig weiter.

Was macht Bayern von nun an besser?

Spätestens seit Donnerstag sind alle acht Testzentrum in der Hand professioneller Dienstleister. Sie digitalisieren die eingehenden Testanträge mit den persönlichen Daten der Getesteten - damit sollte die Übermittlung deutlich schneller funktionieren. Gesundheitsministerin Melanie Huml erklärte am Nachmittag, von mehr als 1000 positiven Tests seien 908 Getestete identifiziert worden. Sie würden seit dem Vormittag nach und nach informiert. Bei noch nicht zugeordneten Testergebnissen werde zudem geprüft, ob darunter Dubletten sind. Um den Stau aufzuarbeiten, wurde das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit um 100 Leute aufgestockt. Präsident Zapf wurde ins Gesundheitsministerium versetzt.

Ändert Söder jetzt die Strategie?

Nein. Im Gegenteil. Neben den acht mobilen Testzentren für Urlaubsrückkehrer sollen in jedem Landkreis weitere kommunale Teststationen entstehen. Dies auch, um niedergelassene Ärzte zu entlasten. Die Oberaufsicht wandert ins Innenministerium, dort seien mehr Kapazitäten und es sei näher an den Kommunen, argumentierte Söder. Es solle soviel wie nur irgend möglich getestet werden. Bayern will in der Lage sein, binnen eines Monats einen Großteil der Bevölkerung durchzutesten, wenn nötig. Einem ersten Test soll innerhalb weniger Tage möglichst ein zweiter folgen, um die Sicherheit zu erhöhen. „Das Coronavirus ist richtig fies“, sagte Söder.