Genauer Blick: Ein Mitarbeiter im Prüflabor der Dekra in Essen untersucht eine Corona-Schutzmaske. Foto: Dirk Wessels/Dekra

Eine Firma aus dem Kreis Göppingen versucht ihre Schutzmasken an Landesbehörden zu verkaufen, doch dort herrscht Unklarheit, welche Produkte zugelassen sind.

Albershausen - Sieben Millionen Schutzmasken sind seit Beginn der Coronakrise vor mehr als sechs Wochen in Baden-Württemberg eingetroffen. Klingt nach Unmengen – doch bei einem täglichen Verbrauch von etwa 750 000 Stück an Schutzausrüstung in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen herrscht im Land weiterhin Knappheit. Auf der anderen Seite stehen viele kleine und mittlere Firmen, die aufgrund ihrer ursprünglichen Produkte hervorragende Handelsbeziehungen in den asiatischen Raum haben. Sie bieten an, Ausrüstung zu besorgen oder haben ihre Ware bereits im Lager.

Doch auf den Tischen der zentralen Beschaffungsstelle der Landesregierung landen ihre Angebote nie und wenn doch, kommt man nicht ins Geschäft? Doch wo liegt der Flaschenhals, der letztendlich dafür sorgt, dass Ärzte und Pfleger ohne ausreichenden Schutz an hochansteckenden Patienten arbeiten?

Keine Abnehmer trotz guter Beziehungen nach China

Die kleine Firma Projekt Globe aus Albershausen im Landkreis Göppingen ist an den Behörden gescheitert, dabei haben sie alles richtig gemacht. Benjamin Schneider berät Unternehmen, die auf dem asiatischen Markt Fuß fassen wollen, er spricht Chinesisch, hat in China Industriewirtschaft studiert und ist regelmäßig vor Ort. In Produktionsstätten, die für einen seiner Investoren Ware herstellen, werden auch Mund-Nasen-Schutz und filtrierende Halbmasken (FFP2 und FFP3) gefertigt. „Ich kenne alle meine Lieferanten persönlich – in China kommen nur über derart gut gepflegte Netzwerke Geschäftsbeziehungen zustande, auf die Verlass ist.“

Die Knappheit in Deutschland nahm zu, also griff der Enddreißiger zum Hörer und versuchte sowohl der zentralen Beschaffungsstelle der Landesregierung als auch dem Landkreis Tübingen seine Masken anzubieten. Doch auf das Halbwissen in den Behörden und das daraus folgende Informations-Wirrwarr war er nicht vorbereitet: „Ich werde den Eindruck nicht los, dass man gar nicht wirklich will“, sagt Schneider. Der Schriftverkehr und die Telefonate – sowohl mit der Landes-Taskforce im Sozialministerium als auch mit einer Stelle des Tübinger Regierungspräsidiums (RP) als landesweit zuständiger Marktüberwachungsbehörde – füllt sein Postfach seit Mitte März.

Lesen Sie hier: Tipps und Tricks für Maskenträger in der Corona-Krise

Ein Problem ist die Zertifizierung der Masken. Während der Coronakrise wurden die Ansprüche dafür mittels einer EU-Verordnung herabgesetzt, da der Prüfvorgang sonst zu lange dauern würde. „Wir akzeptieren jetzt auch Masken ohne CE-Kennzeichnung, wenn die Händler dafür chinesische, australische, japanische, kanadische oder eine US-amerikanische Zertifizierungen vorweisen“, bestätigt auch Wolf Hammann, Ministerialdirektor im Sozialministerium und sogenannter Chefbeschaffer der Corona-Arbeitsgruppe. Könne ein Lieferant der Landesregierung die entsprechenden Dokumente vorweisen, „gehen wir davon aus, dass die Schutzausrüstung verkehrsfähig ist und eingeführt werden kann“, so Hammann.

Behördenmitarbeiter empfahlen teure Tests

„Wir haben die Zertifizierung, die beweist, dass unsere Masken unter anderem den Standard der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA erfüllen“, sagt Schneider. Diese und weitere Dokumente wies er stets nach. Doch was genau akzeptiert wird, ist offensichtlich bei Mitarbeitern der Behörden noch nicht angekommen. Der Schriftwechsel liegt unserer Zeitung vor. Ein Mitarbeiter des RP Tübingen war derart ratlos, dass er der Firma empfahl ihre Masken vor Einfuhr bei einem der drei von der Zentralstelle der Länder ausgewiesenen Instituten prüfen zu lassen. „Das Institut für Arbeitsschutz IFA, eine Stelle der Dekra sowie der TÜV Nord sind berechtigt sogenannte Corona-Produktprüfungen durchzuführen“, sagt Hammann.

Lesen Sie weiter: So hart umkämpft ist der Markt für Schutzausrüstung

Also wandte sich Schneider an die Dekra: „Pro Maskentyp hätte uns diese Prüfung 10 000 Euro gekostet, das wäre eine große Risikoinvestition gewesen.“ Doch hinterher hätte der Kleinunternehmer kein Zertifikat in der Hand gehabt – seine Masken wären nur während der Coronakrise zugelassen. Man erhält ein Bewertungsschreiben, das als Vorlage bei Behörden dient. „Bei Produktprüfungen aller Art rechnen sich Prüfkosten erst bei entsprechenden Stückzahlen“, kommentiert ein Dekra-Sprecher die teure Leistung.

Hinzu kommt, selbst wenn Schneiders Schutzausrüstung dann sicher durch den Zoll käme, dürfte er die Ware ausschließlich an medizinische und pflegerische Einrichtungen verkaufen – einen entsprechenden Vertrag hat ihm das RP zugeschickt – an Apotheken und Privatleute dürfte er nicht liefern. Damit ist der Abnehmerkreis wesentlich kleiner.