Winfried Kretschmann will das öffentliche Leben weiter herunterfahren. Foto: dpa/Marijan Murat

Winfried Kretschmann will das anvisierte Bund-Länder-Treffen nicht mehr abwarten. Das Coronavirus breitet sich mit voller Wucht aus - auch in Baden-Württemberg. Die grün-schwarze Regierung reagiert und plant neue massive Einschränkungen für das ganze Land.

Stuttgart - Baden-Württemberg will wegen der ungebremst steigenden Corona-Infektionen das öffentliche Leben im Land weiter herunterfahren. So seien unter anderem zu Anfang nächster Woche eine nächtliche Ausgangssperre sowie tagsüber Ausgangsbeschränkungen geplant, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart nach einem Gespräch der grün-schwarzen Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden am Donnerstag. Wer das Haus tagsüber verlässt, soll das nur noch mit einem triftigen Grund tun, etwa für die Arbeit.

Die neuen drastischen Auflagen will das Kabinett an diesem Freitag in einer Sondersitzung beschließen und um 12.00 Uhr auf einer Pressekonferenz verkünden. Damit reagiert Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf die stark steigenden Infektionszahlen und greift einer möglichen Absprache mit den Länder-Regierungschefs und der Kanzlerin vor. Als Starttermin für die Maßnahmen im Land war zuletzt der kommende Dienstag im Gespräch, hieß es.

Müssen Einzelhandel und Schulen schließen?

Allerdings muss noch geklärt werden, was alles unter einem triftigen Grund für das Verlassen des Hauses zu verstehen ist. Zuletzt war vor allem noch umstritten, ob nur noch das Einkaufen für den täglichen Bedarf ein triftiger Grund sein soll. Das würde bedeuten, dass der Einzelhandel bis auf Lebensmittelgeschäfte praktisch schließen müsste.

Geklärt werden muss zudem die Frage, ob die Schulen nun doch schon nächste Woche geschlossen werden sollen, wie es etwa Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte sich zuletzt vehement gegen eine solche flächendeckende Maßnahme gewehrt.

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Kretschmann hatte noch am Donnerstag auf einen harten bundesweiten Lockdown von Weihnachten bis zum 10. Januar gepocht. Man müsse das gesellschaftliche Leben so weit wie möglich runterbringen, erklärte sein Sprecher. Möglicherweise noch an diesem Wochenende beraten Bund und Länder noch einmal über ein gemeinsames Vorgehen.

Jeder vierte Baden-Württemberger lebt in Hotspot

In Baden-Württemberg lebt inzwischen fast jeder vierte Mensch in Corona-Hotspots mit ausufernden Infektionszahlen - also Regionen mit mehr als 200 Neuinfizierten je 100 000 Einwohner binnen einer Woche. In mehreren Stadt- und Landkreisen gelten wegen der Überschreitung dieser Marke bereits schärfere Maßnahmen als die landesweiten Regelungen im Kampf gegen die Pandemie.

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Landesweit liegt der Wert für Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen bei 168,8 (Stand: Donnerstag, 16.00 Uhr) und damit nochmals höher als an den Vortagen. Alle 44 Stadt- und Landkreise liegen über dem Grenzwert von 50, ab dem ein Kreis als Risikogebiet gilt. 13 davon überschreiten die 200er-Marke pro 100 000 Einwohner, die Stadtkreise Heilbronn und Pforzheim liegen sogar über der 300er-Marke.

Lockerung über Weihnachten steht auch infrage

Der bisherige Teil-Lockdown seit November entfaltet nicht die erhoffte Wirkung. Derzeit gilt noch bis zum 23. Dezember, dass sich lediglich bis zu fünf Personen aus nicht mehr als zwei Haushalten treffen dürfen. Kinder unter 15 Jahren werden nicht mitgezählt. Die Maskenpflicht gilt unter anderem im Öffentlichen Nahverkehr und im Handel, vor Einkaufszentren, Ladengeschäften und Märkten. Generell muss überall Maske getragen werden, wo der Abstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann - etwa in stark besuchten Fußgängerbereichen wie Einkaufsstraßen.

Ob die geplante Lockerung über Weihnachten bestehen bleibt, steht ebenfalls infrage. Vom 23. bis zum 27. Dezember sollten sich eigentlich zehn Personen treffen dürfen, unabhängig vom Verwandtschaftsgrad und der Zahl der beteiligten Haushalte.