Was bringt die Krisensitzung zur Teil-Impfpflicht (Symbolbild)? Foto: dpa/Sven Hoppe

Nach Söder und Merz ist auch die Südwest-CDU auf den Zug aufgesprungen: Die Impfpflicht für Pflegekräfte soll ausgesetzt werden. Sehr zum Ärger Kretschmanns. Doch wie soll das gehen?

Stuttgart - Es ist die erste Krisensitzung der grün-schwarzen Koalition seit ihrem Start vor neun Monaten: Die Spitzen von Grünen und CDU wollen an diesem Donnerstag (9 Uhr) in einer kurzfristig anberaumten Sitzung des Koalitionsausschusses über die geplante Impfpflicht für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeheimen diskutieren. Hier liegen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und die CDU-Seite über Kreuz.

Was ist passiert?

Es war mal wieder der Nachbar. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) hat angekündigt, die Teil-Impfpflicht vorübergehend auszusetzen. Grund ist die Sorge, dass viele ungeimpfte Beschäftigte in Kliniken und Pflegeheimen ihren Dienst quittieren und es dann zu noch größeren Engpässen kommt. CDU-Chef Friedrich Merz sprang dem CSU-Vorsitzenden bei und schwörte bei einer Konferenz der CDU-Fraktionsvorsitzenden die Kollegen auf diesen Kurs ein. Und so kam es, dass auch Manuel Hagel, Fraktionschef im Landtag, in dieselbe Kerbe schlug. Selbst Thomas Strobl, Kretschmanns Vertrauter bei der CDU, musste sich dann positionieren. Et voilà: Plötzlich fand auch er, dass zu viele Fragen zur Umsetzung noch ungeklärt seien. Seine Forderung: Aussetzen. Merke: Die CDU ist jetzt in Berlin in der Opposition.

Aber geht das überhaupt mit dem Aussetzen?

Eigentlich nicht. Bundestag und Bundesrat haben das Gesetz im Dezember beschlossen. Bayern und Baden-Württemberg haben in der Länderkammer dafür gestimmt. Das Gesetz legt fest, dass Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken bis 15. März Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen - oder ein Attest, nicht geimpft werden zu können. Arbeitgeber müssen die Gesundheitsämter informieren, wenn das nicht geschieht. Diese können die Beschäftigung in der Einrichtung untersagen. Kretschmann, der in Sachen Allgemeiner Impfpflicht noch Ende November Seit’ an Seit’ mit Söder marschiert ist, zeigte sich „not amused“ über den Vorstoß. „Wir können ein Bundesgesetz nicht aussetzen“, beschied der Grüne am Dienstag klipp und klar.

Was steht auf dem Spiel?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat neulich erklärt, man könne Söder nicht zum Umsetzen der Teil-Impfpflicht zwingen. Aber: Was passiert, wenn nach dem 15. März ein Heimbewohner infiziert wird und stirbt, weil er von einem ungeimpften Beschäftigten angesteckt wurde? In Stuttgarter Regierungskreisen heißt es, dann könnte es für Söder unangenehm werden. Denn mit der öffentlichen Weigerung könnte man dem Bayern Vorsatz unterstellen und dann könnte es ganz schnell um Fragen der Staatshaftung gehen. Deswegen komme im Südwesten eine Aussetzung nicht infrage. „Wir machen Rechtsstaat“, heißt es in Regierungskreisen im Südwesten.

Wie geht es in Bayern weiter?

Die CSU ist mittlerweile zurückgerudert. Den Anfang machte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek, der eine „Umsetzung mit Augenmaß“ ankündigte. Auch Söder stellte klar, der Freistaat stehe weiter zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, der Bund müsse aber jetzt „nachbessern und nachlegen“, damit sie auch für die Länder und Einrichtungen umsetzbar sei. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (beide CDU) haben schon erklärt, die Teil-Impfpflicht umsetzen zu wollen. Doch Söder rührt weiter die Trommel: „Wir werden erleben, dass das auch in vielen anderen Bundesländern zu eher chaotischen Zuständen führen wird.“

Chaos auch in Baden-Württemberg?

Der Landkreistag blies gleich in dasselbe Horn wie die Union. Der Vollzug der Teil-Impfpflicht stelle die Gesundheitsämter vor massive Herausforderungen, sagte der Tübinger Landrat Joachim Walter (CDU). Er empfahl eine „rechtswirksame Aussetzung“ und schlug gleich vor, das Land solle eine entsprechende Initiative gegenüber dem Bund ergreifen. Doch das ist nicht absehbar. Bundestag und Bundesrat müssten innerhalb von fünf Wochen ein neues Gesetz verabschieden. Wohl ein Ding der Unmöglichkeit. „Der Drops ist gelutscht“, heißt es Regierungskreisen. Stattdessen werden sich die Spitzen der Koalition wohl eher darauf einigen, das Gesetz - wie es schon in Bayern hieß - mit Augenmaß und Ermessensspielraum umzusetzen.

Was erwartet nun ungeimpfte Beschäftigte im Südwesten?

Zunächst einmal hofft das Land darauf, dass sich noch viele Pflegekräfte bis zum 14. Februar impfen lassen. Schon ein Piks reiche zunächst, damit die Arbeitgeber die Beschäftigten nicht melden müssen. Ansonsten setzt man auf großzügige Fristen. Denn für die Ungeimpften soll es eine Anhörung beim Gesundheitsamt geben. Das wird sich schon mal mehrere Wochen, wenn nicht Monate hinziehen. In dieser Zeit darf der Beschäftigte nicht arbeiten, erhält aber weiter seinen Lohn.

Kann der Arbeitgeber nachweisen, dass der Beschäftigte für den Weiterbetrieb des Heims oder Krankenhauses unverzichtbar ist, kann derjenige voraussichtlich befristet weiterarbeiten. Der Arbeitgeber muss dann aber aktiv werden und nach anderem Personal suchen. Da das rar ist, wird die ungeimpfte Pflegekraft wohl erstmal weiterarbeiten können. Kommt das Gesundheitsamt aber zu dem Schluss, dass der Beschäftigte nicht mehr in der Einrichtung arbeiten darf, erhält er ein Betretungsverbot und auch kein Geld mehr. Dem Vernehmen nach wollen vor allem einige größere Einrichtungen das nutzen, um ungeimpfte Beschäftigte loszuwerden.