Geteiltes Bild: Mancherorts halten sich Menschen an das Abstandsgebot oder bleiben ganz weg. Aber längst nicht alle. Foto: factum/Granville

Die Abstands-Verordnung, die das Land erlassen hat, stellt Gemeinden und Städte vor Herausforderung. Alles kontrollieren, können die Mitarbeiter nicht, obwohl es immer dringlicher wird. Derweil schließen die Notaufnahme im Marbacher Krankenhaus und die geriatrische Klinik in Vaihingen.

Kreis Ludwigsburg - Nachmittag in Ludwigsburg, das Wetter ist gut, in der Innenstadt tummeln sich zahlreiche Menschen. Sie sitzen gemeinsam an Tischen vor einer Eisdiele, einige kaufen ein – nicht nur das Nötigste, sondern auch Klamotten, ein Handyladen hat geöffnet. Das verwundert viele Ludwigsburger, denn eigentlich sind die Ansagen der Landesregierung klar: Menschen müssen Abstand zueinander halten. Öffnen dürfen seit Mitte der Woche nur noch Lebensmittel- und Getränkemärkte, Lieferdienste, Tankstellen, Banken, Apotheken, Friseure, Zeitungskioske, Hofläden und Baumärkte. Für Gaststätten gelten strikte Regeln und Öffnungszeiten von 6 bis 18 Uhr. Eingehalten werden sie längst nicht überall, wie das Beispiel der Barockstadt zeigt.

Ein Ludwigsburger hat sich ob der Zustände ans Rathaus gewandt. Er wirft dem Krisenstab unter der Leitung des Ersten Bürgermeisters Konrad Seigfried vor, „immun gegen alle Argumente und Anweisungen zu sein“ und vermutet, dass die Stadt ökonomische Interessen über die Gesundheit der Bürger stellt.

„Der Stab tagt derzeit täglich für mehrere Stunden. Dabei ist die oberste Maxime unseres Handelns und unserer Entscheidungen der Schutz der Gesundheit unserer Bevölkerung“, entgegnet Oberbürgermeister Matthias Knecht in einem Antwortschreiben auf die Vorwürfe. Zum Beispiel sei die betreffende Eisdiele am Marktplatz inzwischen geschlossen. „Wir versichern mit Nachdruck, dass wir die neuen Verordnungen schnellstmöglich umgesetzt haben und diese auch konsequent kontrollieren, und zwar von Anfang an“, sagt Knecht. Dabei handle die Verwaltung mit „Vernunft, Sachlichkeit und Augenmaß“.

Nicht alle Regelungen können kontrolliert werden

Ins gleiche Horn bläst auch Heinz Mayer, der den zuständigen Fachbereich in Ludwigsburg leitet. Er sagt: „Über allem steht, größere Menschenansammlungen in der kommenden Zeit zu verhindern.“ Unterstützt werden die Mitarbeiter des Ordnungs- und Vollzugsdiensts von der Polizei. „Aber wir können natürlich nicht überall sein“, sagt Polizeisprecher Peter Widenhorn. Gleiches gilt für die städtischen Angestellten, sie müssen gewichten. Wo sie eingreifen müssen, werde sich aber erst noch herausstellen, sagt Florian Volz, Amtsleiter in Vaihingen. Einige Aufgaben, könnten seine Mitarbeiter gar nicht erfüllen. Etwa, dass der Mindestabstand von eineinhalb Metern in Restaurants eingehalten wird. „Das ist nicht umsetzbar.“

„Wir können ja nicht vor jedes Restaurant jemanden hinstellen“, erklärt sein Kollege Jens Schmukal aus Ditzingen. Er weiß von mindestens einem Gastrobetrieb, der sich nicht an die Öffnungszeiten gehalten hat. „Das haben die Betreiber aber nicht aus bösem Willen gemacht“, so Schmukal, „die wussten es einfach nicht besser.“ Ständig müssten neue Regeln, die die in Stuttgart gemacht werden, an Gastronomen und Händler weiter gegeben werden. Das sei ein Problem. „Es gibt jeden Tag neue Rechtsvorschriften. Da ist es schon eine große Kunst, auf dem neusten Stand zu bleiben“, sagt Heinz Mayer. Er appelliert an die Vernunft der Menschen. Sie sollen zuhause bleiben.

Eltern treffen sich auf Spielplätzen

Angekommen ist das längst nicht bei allen. Im Netz beschweren sich Menschen aus unterschiedlichen Kommunen im Kreis über Eltern mit ihren Kindern, die sich gemeinsam draußen austoben. Dabei ist die Regelung auch für Spiel- und Bolzplätze eindeutig: sie sind tabu. Das Verbot handhaben die Städte allerdings sehr unterschiedlich. Während die Plätze in vielen Kommunen zumindest mit Flatterbändern abgesperrt werden, hängt Ludwigsburg erst einmal nur Hinweisschilder auf. Sie sind leicht zu ignorieren – etwa am Campus vor dem Goethe-Gymnasium. Dort spielen am Mittwoch und Donnerstagabend Schüler unbeeindruckt Rundlauf um die Tischtennisplatten oder zu sechst Basketball unter den Körben. Körperlicher Kontakt inklusive. Ermahnungen werden zurückgewiesen.

Doch die Stadt sagt: Sollten die Anordnungen keine Beachtung finden, würden auch die Plätze in Ludwigsburg mit Flatterbändern umrandet. Das letzte Mittel sei ein Bauzaun.

Marbacher Notfallaufnahme schließt

Derweil wurde am Donnerstagabend bekannt, dass die Notaufnahme im Marbacher Krankenhaus wie auch die geriatrische Klinik in Vaihingen von Freitag an geschlossen werden. Das Personal soll freigestellt werden, „um es durch die bald zahlreich auftretenden Covid-19-Patienten im Ludwigsburger Krankenhaus einsetzen zu können“, heißt es in der Mitteilung der Regionalen Klinikenholding.

Die Menschen zu kontrollieren, die an Covid-19 erkrankt sind und sich zuhause in Quarantäne befinden, klappt indes gut. Das Landratsamt meldet jeden Fall an die jeweilige Kommune, sie sind dann dafür zuständig, dass die Corona-Infizierten niemand außerhalb ihrer Wohnung anstecken können. In Ludwigsburg wird das mit einem Anruf überprüft. „Wir hatten da bislang keine Probleme“, sagt Mayer.

Probleme könnten allerdings die Zeitgenossen machen, die zwar nun viel mehr Freizeit als sonst haben. In Whats-app-Gruppen riefen Ludwigsburger Gymnasiasten zu Corona-Partys, großen Treffen unter freiem Himmel, auf. In Freiburg hat die Polizei in der Nacht auf Donnerstag gleich mehrere solcher Veranstaltungen aufgelöst. So wird es gegebenenfalls auch in Ludwigsburg kommen. „Wir werden solche Feste schnellstmöglich unterbinden“, sagt Peter Widenhorn. Für diese Versammlungen gelten strengere Maßstäbe als für größere Gruppe, die einfach so unterwegs sind. Auch sie verstoßen gegen das Infektionsschutzgesetz, werden aber erst einmal nur ermahnt, sich zu trennen und nicht gleich sanktioniert.

Betrüger wittern ihre Chance

Die Polizei warnt seit Kurzem erneut vor dem Enkeltrick. Die Betrüger versuchen wie bisher ältere Menschen übers Ohr zu hauen. Am Telefon geben sich die Anrufer als Angehörige aus und behaupten, dass sie mit dem Coronavirus infiziert seien und finanzielle Unterstützung für die Behandlung benötigten. Im Kreis sind solche Fälle noch nicht aufgetaucht.