Immer mehr Kunden bezahlen ihre Einkäufe inzwischen per Karte. Foto: dpa/Daniel Karmann

Allein die Bezahl-App der Sparkassen kam im Mai fast 800 000 Mal zum Einsatz. Trotzdem steigt der Banknoten-Umlauf. Beides hängt mit der Krise zusammen.

Frankfurt - Das durch die Corona-Pandemie erhöhte Sicherheitsbedürfnis vieler Bürger hat auf ihren Umgang mit Bargeld widersprüchliche Auswirkungen: Während sich viele Menschen bei Ausbruch der Krise mit einer größeren Menge an Geldscheinen eindeckten, zahlen sie beim Einkaufen vermehrt mit Karte oder Smartphone. Kontaktlosen Zahlungen hat die Furcht vor Ansteckung einen regelrechten Schub verliehen: Sie machen bei den Sparkassen inzwischen 57 Prozent aller Kartenzahlungen aus, wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband DSGV auf Anfrage mitteilte.

Außerdem registrierten die Sparkassen im Mai 790 000 Transaktionen mit ihrer Smartphone-App „Mobiles Bezahlen“, gut 220 000 mehr als im März. Vor der Krise seien die Zahlen monatlich nur um 20 000 bis 30 000 Transaktionen gestiegen, erklärte der DSGV.

Trotz dieses Trends steigt auch die Nachfrage nach Bargeld: Allein im März überstieg der Wert der von der Bundesbank in Umlauf gebrachten Banknoten das Volumen der zurückgegebenen Scheine um 21 Milliarden Euro. Im April erhöhte sich der Banknotenumlauf noch einmal um acht Milliarden, im Mai um knapp fünf Milliarden Euro netto, wie die Bundesbank mitteilte. Letzteres entspricht etwa dem mittleren monatlichen Anstieg im vergangenen Jahr, als sich der Banknotenumlauf um insgesamt 59 Milliarden Euro erhöhte.

Europaweit höchster Anstieg seit der Finanzkrise

Ein ähnliches Muster war auch in anderen Ländern zu beobachten: In der gesamten Eurozone stieg der Banknotenumlauf im März um 36 Milliarden Euro. Zwar sei rund ein Drittel dieses Geldes bei den Geschäftsbanken verblieben, die sich mit größeren Bargeldvorräten für die in Krisenzeiten schwer kalkulierbare Kundennachfrage rüsteten, heißt es in einer Analyse der Deutschen Bank. Dennoch sei die Zahl für März bemerkenswert: Es handele sich um den höchsten Anstieg des Euro-Banknotenumlaufs seit dem Höhepunkt der Finanzkrise.

Damals, im Oktober 2008, seien allerdings vornehmlich große Scheine gefragt gewesen, „die das Horten großer Beträge ermöglichen“, schreibt die Deutsche-Bank-Analystin Heike Mai. Im März hingegen machten kleine Banknoten im Wert von fünf bis 50 Euro fast die Hälfte des Zuwachses aus. Mai schließt daraus, dass in der Corona-Krise viele Menschen eine Barreserve anlegen wollten, „um in ungewissen Zeiten für die Einkäufe des täglichen Bedarfs zahlungsfähig zu bleiben“.

Einzelne Geschäfte wiesen Barzahler ab

Mittlerweile ist klar: Die meisten Einzelhändler wollen gar keine Barzahlungen. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie wird in vielen Geschäften um bargeldlose Zahlungen gebeten. Zwar betonte die Bundesbank schon vor Wochen: „Von Banknoten und Münzen geht kein besonderes Infektionsrisiko für den Bürger aus.“ Doch gerade die Alternative, vollständig kontaktlos zu zahlen, erscheint vielen Kunden derzeit offenbar sicherer – zumal die Kreditwirtschaft die Obergrenze für kontaktlose Kartenzahlungen ohne Geheimzahl von 25 auf 50 Euro erhöht hat.

Hansjörg Stützle alarmiert diese Entwicklung. Der ehemalige Unternehmensberater, der vom Bodensee aus die Website bargeldverbot.info betreibt, befürchtet: „Je stärker Barzahlungen zurückgehen, umso teurer wird die Nutzung von Bargeld.“ Er verweist auf Schweden, wo viele Cafés und Geschäfte schon lange keine Scheine mehr annehmen. „Hier in Deutschland war es vor Corona ein absolutes Tabu, Bargeld abzulehnen“, sagt Stützle. Die Corona-Krise habe nun einen „Dammbruch“ bewirkt. Auf seiner Website hat Stützle Zuschriften von Lesern gesammelt, die berichten, dass Geschäfte Bargeld nur noch widerwillig annähmen – und in Einzelfällen tatsächlich ablehnten. Stützle, der ein ganzes Buch zum Thema Bargeld geschrieben hat, macht dafür auch die Landesregierung mitverantwortlich. Er verweist auf eine Verordnung des Wirtschaftsministeriums für den Einzelhandel, in der es heißt: „Nach Möglichkeit soll auf die Bezahlung mit Bargeld verzichtet“ werden.

Wahrscheinlich wird sich das Zahlungsverhalten vieler Kunden dauerhaft ändern, weil sie sich an Kartenzahlungen gewöhnt haben. Deutsche-Bank-Expertin Mai glaubt allerdings, dass echte Bargeld-Liebhaber auch weiterhin mit Münzen und Scheinen zahlen oder nach der Überwindung der Pandemie dazu wieder zurückkehren werden: „Barzahler entscheiden sich oft für Bargeld wegen der einfachen Handhabung, des Datenschutzes und des besseren Überblicks über die Ausgaben. All das sind persönliche Einschätzungen, die sich durch Corona nicht geändert haben müssen.“