Adidas muss seine Geschäfte wegen der Coronakrise schließen und will deshalb in den meisten davon kleine Miete mehr zahlen. Foto: AFP

Adidas streicht für viele der gegenwärtig geschlossenen Geschäfte einseitig die Miete. Das Unternehmen sabotiert damit die Marktwirtschaft und die Rettungsbemühungen des Staates, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart - „Sport“, sagt Adidas-Chef Kasper Rorsted, „ist eine Wachstumsindustrie.“ Der Sportartikelhersteller produziert Gewinne wie am Fließband, und das Einzige, das ihn wirklich ausbremsen kann, ist die Corona-Krise. Konzerne wie Daimler und Tausende Mittelständler stehen vor sehr viel größeren Herausforderungen, und dennoch zögern sie nicht, ihre Produktion umzurüsten, um anstelle von Autos Teile für Beatmungsgeräte herzustellen und anstelle von Bekleidung Atemmasken. Adidas dagegen macht vor allem dadurch von sich reden, dass man für die meisten Geschäfte die Miete streicht – ein grobes Foul nicht nur an den Vermietern, sondern auch an einer Wirtschaftsordnung, der gerade Adidas und seine Führung viele gute Jahre zu verdanken haben.

 

Die Miete und die Alterssicherung

Dass Adidas nun hastig eine Erklärung nachschiebt, man werde an die wenigen privaten Vermieter nun doch noch Miete zahlen, macht es nicht viel besser. Die meisten Immobilien würden schließlich von „Immobilienvermarktern und Versicherungsfonds“ angemietet, erklärt das Unternehmen. Die Zahlungsverweigerung trifft schon die Richtigen, lautet die augenzwinkernd verbreitete Botschaft. Doch dieses selbstgerechte Verhalten ist alles andere als gemeinnützig. Schließlich gehören die Gelder der Lebensversicherer auch all denen, die sich die Beiträge jahrzehntelang vom Mund abgespart haben und nun um ihre Altersversorgung bangen. Ein Teil der Versicherer ist so wackelig, dass er von der Aufsichtsbehörde überwacht werden muss.

In Zeiten von Nullzinsen weichen Versicherungen auf die Anlage in Immobilien aus, wo ihnen dann die Rorsteds vollends den Garaus machen, denen andere nur zu willig hinterherlaufen. Zum Wesen des Sports gehört der Respekt vor den Regeln – denn sie verhindern, dass sich der Einzelne durch Fehlverhalten einen kurzfristigen Vorteil zulasten der anderen verschaffen kann. Das nützt am Ende allen. Das Sportartikelunternehmen Adidas jedoch setzt an die Stelle der Spielregeln das Recht des Stärkeren – und das gerade jetzt, da jeder auf jeden angewiesen ist.

Staat will Dominoeffekt verhindern

Staatliche Stellen von der EU über den Bund bis zu den Ländern haben in den vergangenen zwei Wochen mit maximalem Einsatz Rettungsschirme und Sicherungsnetze aufgespannt. Das überaus vernünftige Ziel ist es, Dominoeffekte zu verhindern, die dadurch entstehen, dass die eine Firma kollabiert und die nächste mit herunterzieht. Dass aber Firmen, die von einem Kollaps weit entfernt sind und offenbar auch keine Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen, andere mutwillig schädigen, war bisher nicht vorgesehen.

Dabei ist es keine Schande, im Fall einer derartigen Notlage staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen. Diese dienen schließlich nicht nur dem einzelnen Unternehmen, sondern auch dazu, ein Zerreißen des Netzwerks der Volkswirtschaft abzuwenden. Und die Kurzarbeit, wie sie selbst Daimler in Anspruch nimmt, hat sich bereits in der Finanzkrise als hilfreich zum Erhalt von Arbeitsplätzen erwiesen. Sie ist auch keine Subvention für die Unternehmen, die sie beantragen, sondern eine Sozialleistung für Arbeitnehmer, denen es krisenbedingt an Arbeit fehlt.

Gegenteil vom fairem Wettbewerb

Es gibt also jede Menge Möglichkeiten für Unternehmen aller Art und Größe, erhobenen Hauptes Unterstützung zu erbitten. Doch eines gehört nicht dazu: die Methode Adidas. Das Erzwingen eines einseitigen Vorteils zulasten der anderen widerspricht nicht nur allen Regeln eines fairen Wettbewerbs, sondern sabotiert geradezu die Ziele, für die der Staat mit seinen Stützungsversuchen alle Reserven mobilisiert.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de