Abendstimmung in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei. Foto: imago/Westend61/Artur Bogacki

In der Slowakei stehen sich Impfbefürworter und Impfgegner unversöhnlich gegenüber. Einblicke in ein zerrissenes Land.

Bratislava - Barbora Franekova hat keine Erklärung für die Zerrissenheit in der Slowakei. Aber sie macht sich Sorge um ihr Land. „Ich hatte Freunde, mit denen ich jetzt nicht mehr reden kann“, sagt sie. Die 33-Jährige steht vor ihrem Café in der Altstadt von Bratislava. Dort läuft derzeit die Handball-Europameisterschaft. Schlagzeilen liefern weniger die sportlichen Ergebnisse als die vielen Covid-Fälle: Allein 13 deutsche Spieler sind positiv auf Corona getestet.

Stärker als in anderen Ländern der Europäischen Union ist der Umgang mit dem Coronavirus zu einer Glaubensfrage geworden. Die Cafébesitzerin spürt das jeden Tag. Ihre Mitarbeiterinnen tragen FFP2-Masken und kontrollieren den Impfstatus der Gäste. „Ich möchte, dass sich die Menschen sicher und gut bei mir fühlen“, sagt Franekova, die sich an die staatlichen Vorgaben hält. In den Restaurants und Kneipen in der schmucken Altstadt am Ufer der Donau tun das nicht alle.

Von der Politik fühlen sich viele allein gelassen

Jakub gehört zu denen, die gar nicht daran denken, die Regeln einzuhalten, die von der Regierung verlangt werden. In seinem Restaurant gibt es keine Kontrollen, auf dem Weg zur Toilette trägt kaum ein Gast eine Maske, selbst die Kellnerinnen tragen sie nicht. „Ich kann das alles nicht mehr hören“, sagt der Besitzer, der nur bereit für ein Gespräch ist, weil sein Nachname und seine Lokalität nicht genannt werden. Jakub respektiert die Regierung nicht. Er hat keine der Parteien gewählt, die in der Slowakei eine Koalition gebildet haben, weder die Konservativen noch die Rechtspopulisten und auch nicht die Liberalen. „Es ist nicht so wie bei euch in Deutschland“, schimpft er – und verbindet damit den Vorwurf, von der Politik alleingelassen zu sein.

Im November verhängte die Regierung einen harten Lockdown, Geschäfte und Restaurants mussten schließen, nur ein Außer-Haus-Verkauf war möglich. Der Umsatz war pandemiebedingt schon vorher zurückgegangen, durch die Schließungen brach er fast komplett ein. Jakub brachte diese Maßnahme an den Rand der Insolvenz. Deshalb trägt er die Maßnahmen nicht mehr mit.

Es geht um die Existenz – also um jeden Euro

Staatliche Hilfen wie in Deutschland gibt es nicht, weshalb sich viele Unternehmer in einem harten Überlebenskampf befinden. Viele von ihnen fühlen sich berechtigt, eigene Regeln aufzustellen, wenn es um die Existenz geht. Für Jakub geht es um jeden Euro. Deshalb ist es ihm egal, ob sein Umsatz mit Geld von geimpften oder ungeimpften Gästen zustande kommt.

Die Läden von Barbora und Jakub sind in der Altstadt nur ein paar Gehminuten voneinander entfernt, beide sagen, dass ihnen das Wohl der Menschen am Herzen liegt, aber sie gehen einen unterschiedlichen Weg, um die Pandemie zu meistern. So ist das im gesamten Land. Die Quote der vollständig Geimpften liegt bei knapp unter 50 Prozent, was nicht daran liegt, dass zu wenig Impfstoff vorhanden ist. Viele Menschen in Bratislava und mehr noch in den Provinzen weit ab der Hauptstadt sind überzeugte Impfgegner. Besser gesagt, für sie ist die Ablehnung einer Injektion ein Protest gegen die Regierung. Während in Deutschland der überwiegende Teil der Parteien die Grundsatzentscheidungen der Regierung in den zurückliegenden beiden Jahren mittrug, tun sich in der Slowakei selbst innerhalb der Koalition tiefe Gräben auf.

Die Fronten sind verhärtet

Oppositionsparteien riefen sogar öffentlich dazu auf, sich nicht impfen zu lassen. Das führte in der Bevölkerung zu deutlich mehr Widerstand gegen die Coronapolitik als in Deutschland. Es gab körperliche Angriffe auf mobile Impfteams, die Stimmung ist aufgeheizt. Eine Diskussion zwischen den Gruppen ist beinahe unmöglich geworden, die Fronten sind verhärtet.

Barbora Franekova leidet unter dieser Situation. Sie hofft darauf, dass die Menschen in ihrem Land wieder zueinanderfinden, wenn die Pandemie vorüber ist. Sicher ist sie aber nicht, dass dies gelingt. „Bei uns ist vieles kaputtgegangen“, sagt die Cafébesitzerin und schaut die malerische Straße hinab. Früher befand sie sich mit den anderen Lokalen der direkten Nachbarschaft im Wettstreit um Gäste. Inzwischen ist daraus ein Glaubenskampf geworden.