Tanzpartys wie hier in einer Stuttgarter Tanzschule werden wohl weiterhin nicht stattfinden. Foto: Max Kovalenko/Lichtgut

Anhand der Sportstättenverordnung von Ende Mai hatten sich die Tanzlehrer auf Unterricht unter Corona-Bedingungen vorbereitet. Doch verschiedene Regelungen führen zu Unsicherheiten.

Stuttgart - Dass ein Schritt auf der Fußspitze der Tanzpartnerin landet statt daneben, ist sonst in den Anfängertanzkursen üblich. Diesmal ist allerdings die Landesregierung in Stuttgart danebengetreten. Seit Dienstag, 2. Juni, haben die meisten Tanzschulen im Land wieder geöffnet. „Wir waren gottfroh, dass wir wieder was machen dürfen“, sagt Harry Hagen. Orientiert hatte sich der Inhaber einer Tanzschule in Bietigheim-Bissingen an den Vorgaben, die in der Corona-Verordnung des Landes zum Thema Sportstätten seit 22. Mai aufgeführt wurden.

Unterschiede für die Tanzarten

Pro Tanzpaar müssen demnach zehn Quadratmeter Parkett bei Tänzen wie Salsa zur Verfügung stehen, die eher an einem Ort stattfinden. Bei Fortbewegungs-Tänzen, wie Walzer und Quickstep, sollen jetzt pro Person oder Paar mindestens 25 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Weil zumindest beim Paartanz schwerlich 1,5 Meter Abstand gehalten werden kann, müssen sich zwei Tanzpartner fest zusammenfinden, die „längerfristig oder dauerhaft miteinander tanzen“. Dementsprechend haben Hagen und seine Mitarbeiter die Säle vorbereitet, Bodenmarkierungen geklebt – „damit jeder seinen Tanzbereich hat“ –, Einbahnregelungen für den Ein- und Ausgangsbereich geschaffen und die Mitarbeiter in dreistündige Hygieneschulungen geschickt. „Das war Wahnsinn, aber wir haben uns darauf eingerichtet, um am Dienstag zumindest mit neun bis zehn Paaren pro Saal wieder den Betrieb aufzunehmen“, sagt der Tanzschulinhaber.

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Doch dann kam alles anders. In der Woche nach Pfingsten verkündete das zuständige Ministerium für Kultus und Sport „weitere Lockerungen beim Tanzen“. Pro Person oder pro Paar müssen jetzt mindestens 25 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Bei stationären Tänzen gelten die zehn Quadratmeter. Der Tanzschulinhaber sich stets gut informiert gefühlt, allerdings durch den Unternehmerverband und den ADTV in Person von Präsident Jürgen Ball.

Umdenken erfolgte wegen Rückmeldungen aus den Tanzschulen

Vonseiten des Ministeriums empfindet die Tanzszene den Kommunikationsfluss als mangelhaft: „Ich hätte mir gewünscht, dass sich einer der Entscheidungsträger die Abläufe in einer Tanzschule zeigen lässt und dann für die ganze Branche ein sicheres Konzept vorgelegt wird“, sagt Harry Hagen. „Nach einem Schritt nach vorne geht es plötzlich wieder zwei Schritte zurück. Oder doch nicht?“, meckert der SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Born. Für Betreiber von Tanzschulen und für die Tanzbegeisterten im Land seien die Quadratmeterregulierungen ein einziges Durcheinander. Dabei hätte Sportministerin Susanne Eisenmann (CDU) noch vor wenigen Tagen verkündet, dass Regelungschaos in Baden-Württemberg zu beenden.

Auf die Kritik reagiert man im Ministerium gelassen. Die Tanzschulen seien vorab in der Sportstättenverordnung erwähnt worden, Rückmeldungen aus der Tanzsportszene hätten allerdings ergeben, dass die 40 Quadratmeter pro Paar wenig praktikabel waren. „Das ist mehr, als manche Wohnung groß ist“, merkte der Bietigheimer Tanzlehrer an. Darauf hätte man reagiert und auf die 25-Quadratmeter-Regel umgeschwenkt. Dass die neue Vorgabe erst im laufenden Betrieb in den Tanzschulen eintrudelt – sei’s drum.

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„Für viele Tänzer bedeutet die Öffnung, dass sie endlich wieder Bewegung haben, was für die Gesundheit tun und Sozialkontakte – mit Vorsicht – pflegen können“, sagt Hagen, auch wenn er seine Schule nur mit etwa 60 Prozent Auslastung betreibt, Veranstaltungen und der Umsatz an der Gastrotheke weiter fehlen.