In Südafrika und Portugal hat BA.5 eine Infektionswelle verursacht. Foto: imago/Frank Hoermann / Sven Simon

Die zuerst in Südafrika nachgewiesene Omikron-Subvariante BA.5 hat in Portugal eine Infektionswelle verursacht. Müssen wir uns darauf auch in Deutschland einstellen?

Auf den ersten Blick stimmen die aktuellen Coronadaten positiv. Die Inzidenz liegt in Baden-Württemberg unter 200, die Zahl der auf den Intensivstationen behandelten Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind, ist mit etwa 90 so niedrig wie seit fast einem Jahr nicht mehr. Auch der R-Wert, ein wichtiger Indikator für den weiteren Verlauf der Pandemie, lag monatelang unter 1.

Das hat sich nun aber geändert. Seit dem 25. Mai ist er rapide angestiegen und liegt jetzt bei 1,09. Dies wiederum könnte mit der neuen Omikron-Subvariante BA.5 zusammenhängen. Sie hat bereits Infektionswellen in Südafrika und Portugal verursacht und breitet sich auch hierzulande immer mehr aus. Bedeutet das, dass auch wir in Deutschland wieder mit steigenden Zahlen und mehr Maßnahmen rechnen müssen? Wir haben uns die verfügbaren Daten angeschaut und für Sie zusammengestellt. In unserer ersten Grafik zeigen wir die unterschiedlichen Omikron Subvarianten und welchen Anteil sie am Infektionsgeschehen in Deutschland haben:

Im Flächendiagramm ist BA.5 zurzeit nur ein kleiner blauer Fleck am rechten oberen Rand. In der Kalenderwoche 20 (16.05. -22.05.) lag der Anteil bei 5,2 %. Tatsächlich ist aber bereits jetzt erkennbar, dass ihr Anteil zunimmt, die Variante setzt sich also nach und nach durch. Entsprechend ergeben vorläufige Auswertungen für die KW 21 (30.05. – 06.06.) bereits einen Anteil von 11,7 %. Sollte sich der Anteil weiterhin jede Woche verdoppeln, wäre BA.5 bereits Mitte Juni die dominante Variante in Deutschland.

Erstmals nachgewiesen wurde BA.5 in Südafrika. Hier sorgte die Subvariante, gemeinsam mit BA.4 für ein Wiederaufflammen der Infektionen. Bemerkenswert: Zunächst setzte sich in Südafrika die etwas früher aufgetretene Subvariante BA.4 durch. Seit Ende März breitet sich aber auch hier BA.5 rapide aus und macht bereits über 30 % der Infektionen aus:

Wie schnell BA.5 in einem Umfeld, in der sie nicht mit der ebenfalls neuen BA.4 Varianten konkurriert, dominant wird, kann derzeit in Portugal beobachtet werden. Hier macht BA.5 bereits seit Mitte April die Mehrheit der sequenzierten Proben aus und sorgt für einen starken Anstieg der Inzidenz auf über 1800. Die Sequenzierung der Proben geht in Portugal relativ langsam vonstatten, BA.5 lässt sich aber durch gezielte Tests auf die Mutation „del 69/70“ nachweisen. Den so geschätzten Anteil zeigen wir im Schaubild:

Warum aber breitet sich BA.5 so schnell aus? Zum einen berichtet die Europäische Seuchenschutzbehörde ECDC, dass BA.5 um 13 % ansteckender ist, als die derzeit auch in Deutschland vorherrschende Variante BA.2. Zum anderen gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass BA.5 den Immunschutz durch vorherige Infektionen, insbesondere mit der BA.1 Omikron-Variante, unterläuft. So sagte auch der Virologe Christian Drosten gegenüber dem ZDF: „Diese Varianten (BA.4 und BA.5, Anm. d. Red.) haben zusätzlich zu Omikron im Spike eine L452R Mutation, die man unter anderem aus Delta kannte und die im Hamster die Virulenz erhöht. Außerdem ist Immunflucht wahrscheinlich.“

Wirksamkeit der Omikron-Impfstoffe unklar

Das könnte auch negative Konsequenzen in Bezug auf die neuen, an Omikron angepassten Impfstoffe bedeuten. Laut einer chinesischen Studie gibt es bereits Hinweise darauf, dass diese gegen BA.5, BA.4 und die in New York aufgetauchte Linie BA.2.12.1 weniger wirksam sein könnten.

Es gibt für Deutschland aber auch Grund zur Zuversicht. Im Vergleich zu Südafrika und auch Portugal dürfte die Hintergrundimmunität in Deutschland noch etwas größer sein. Schließlich sind die Coronazahlen hier erst vor relativ kurzer Zeit zurückgegangen. Und auch ein weiterer Umstand macht Hoffnung, dass in Deutschland zumindest über den Sommer nicht mit so hohen Inzidenzen wie in Portugal zu rechnen sein wird: Sowohl BA.4 als auch BA.5 sind der BA.2 Variante sehr ähnlich. In Portugal und Südafrika gab es aber keine ausgeprägte Welle mit der BA.2 Variante, weshalb die Immunität gegen die neuen Varianten dort nicht so groß war.

Mehr Schutz durch BA.2 Infektion

Der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften erklärte darum gegenüber dem „Standard“: „In Österreich haben wir eine große Immunität gegen BA.2 aufgebaut. Leider hält der Immunschutz gegen eine weitere Infektion nach einer Omikron-Infektion nicht lange an, aber im Moment sollten wir davon noch profitieren können.“ Das lässt sich so auch auf Deutschland übertragen. Die Grafik zeigt die unterschiedliche Entwicklung in Deutschland und Portugal:

Wie groß die Gefahr durch eine neue Infektionswelle durch die BA.5 Variante derzeit ist, lässt sich an diesem Punkt also nur schwer abschätzen. Für den Herbst ist mit Blick auf BA.5 aber Vorsicht geboten. So warnt etwa der Immunologe Carsten Watzl im ZDF: „Wie sich die Lage über den Sommer entwickeln wird, weiß man nicht. Aber wenn die Zahlen im Herbst saisonal ansteigen, dann werden sich solche Varianten wie BA.5 durchsetzen.“ Immerhin verkündet die Europäische Seuchenschutzbehörde, dass BA.5 Stand jetzt nicht für mehr schwere Verläufe und Krankenhauseinweisungen sorgt als die bisherigen Omikron-Subvarianten.