Coronalücken im Unterricht haben sich nicht negativ auf die Abiturnoten ausgewirkt. Eher gilt das Gegenteil. Foto: dpa/Ole Spata

Eine Eins im Abi ist nichts Besonderes mehr, erst recht nicht seit Corona. Welches Land die höchste Einser-Quote hat, und welche Sonderrolle Baden-Württemberg spielt.

Der Verdacht, dass das Abitur heute auch nicht mehr das ist, was es einmal war, ist seit jeher ziemlich verbreitet. Ex-Abiturienten, deren Reifezeugnis schon ein paar Jahrzehnte alt ist, sind häufig überzeugt, dass man zu ihrer Zeit noch etwas leisten musste in der Schule, während der heutigen Generation die guten Noten geradezu nachgeworfen würden. Hinzu kommen Klagen von Hochschullehrern, die seit Langem größer werdende Defizite bei der Studierfähigkeit ihrer Erstsemester bemängeln. Die neue, vorläufige Abiturstatistik zum Prüfungsjahr 2022, die die Kultusministerkonferenz vor Kurzem veröffentlicht hat, liefert neue Nahrung für solche Debatten.

Doppelt so viele Spitzenschüler

Während allerorten über schwer zu stopfende Bildungslücken geklagt wird, die zwei Lockdowns und lange Phasen mit Fernunterricht in den Pandemiejahren bei Kindern und Jugendlichen gerissen haben, sind die Abiturnoten in dieser Zeit sprunghaft besser geworden. Es ist nicht nur so, dass der Anteil der Abiturienten mit einer glatten Eins im letzten Jahr vor der Pandemie (2019) in allen Bundesländern zwischen 0,9 Prozent (in Schleswig-Holstein) und 2,9 Prozent (in Thüringen) schwankte, während er sich 2022 zwischen 2,0 Prozent (Schleswig-Holstein) und 4,8 Prozent (Thüringen) auf fast dem doppelten Niveau bewegte. In Baden-Württemberg waren vor der Pandemie 1,7 Prozent der Abiturienten Spitzenschüler mit glattem Einser – 2021 waren es mit 3,7 Prozent gut doppelt so viele.

Wie die Quote im Land sich 2022 entwickelt hat, weiß man noch nicht. Denn aus dem Südwesten liegen der Kultusministerkonferenz die vorläufigen Abiturnoten für das vorige Jahr noch nicht vor. Das ist ein Quartal bevor das nächste Abi beginnt zwar auch ein Skandal, aber eine andere Geschichte. In der KMK-Statistik stehen, damit die Spalte nicht unschön leer ist, für den Südwesten noch einmal die Werte des Vorjahrs.

Inflation der Super-Abis in der Pandemie

Insgesamt gibt es neben der Vermehrung der absoluten Spitzennoten bei den Abiturnoten der vergangenen Jahre einen weiteren Positivtrend: Ein Einser-Abitur – also einen Notenschnitt zwischen 1,0 und 1,9 – schafften vor der Pandemie zwischen 19 Prozent (in Schleswig-Holstein und Niedersachsen) und 37 Prozent (in Thüringen). In Baden-Württemberg war es 2019 jeder vierte Schüler (25 Prozent). In Bayern und Sachsen, die bei bundesweiten Bildungsvergleichen stetig Spitzenplätze besetzen, waren es 29 beziehungsweise 34 Prozent.

Auch auf diesem Feld sind die Prüfungsergebnisse 2022 noch einmal dramatisch günstiger ausgefallen. In jedem Bundesland hat mittlerweile mindestens jeder vierte Schüler einen Abi-Schnitt mit einer Eins vor dem Komma. Schleswig-Holstein (25 Prozent), Rheinland-Pfalz (26) und Niedersachsen (27 Prozent) haben die niedrigsten Einser-Anteile. Nordrhein-Westfalen ( 30 Prozent) und Bremen (31 Prozent) nehmen einen Mittelplatz ein.

Thüringen hat am meisten Einser-Abis

In zehn Bundesländern hat mehr als jeder dritte Abiturient ein Einser-Abschlusszeugnis: In Hamburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein sind es 34 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern 35 Prozent, in Bayern und Berlin 36 Prozent, in Hessen 37 Prozent und in Brandenburg 39 Prozent. Eine eigene Liga bilden Sachsen mit 42 und Thüringen mit 46 Prozent. Wie es aktuell im Südwesten aussieht, weiß man, wie gesagt, noch nicht. Hier hatten 2021 bereits 36 Prozent der Abiturienten ein Einser-Abi.

In der Pandemie haben alle deutschen Kultusminister versprochen, dass den Schulabgängern aus den zusätzlichen Coronabelastungen rund um ihre Abschlussprüfungen keine Nachteile entstehen sollen. Die bundesweite Notenentwicklung belegt, dass sie ihr Versprechen flächendeckend eher übererfüllt als nur gehalten haben.

Besonders gut gemeint mit den pandemiegeplagten Prüflingen haben es dabei Baden-Württemberg und Berlin. Bei ihnen war das Wachstum zweistellig. Im Südwesten ist die Einser-Quote (2019 bis 2021) um elf Prozentpunkte gewachsen. In der Hauptstadt beläuft sich der Anstieg der Einser-Zeugnisse im Abitur zwischen dem letzten Vor-Corona-Jahr und 2022 auf zehn Prozentpunkte.

Hintergrund zum Abitur

Teilnehmer
Gut 310 000 Jugendliche haben 2022 an den Abiprüfungen in Deutschland teilgenommen. Bestanden haben bundesweit zwischen 93,1 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern) und 98,3 Prozent der Schüler (Thüringen). Die Durchschnittsnoten pendeln zwischen 2,04 in Thüringen und 2,42 in Schleswig-Holstein.

Durchgefallen
Rund 12 000 Prüflinge haben das Abitur 2022 bundesweit nicht bestanden. Die Durchfallerquote pendelte zwischen 1,7 Prozent (Thüringen) und 6,9 Prozent (Mecklenburg-Vorpommern). In Baden-Württemberg belief sie sich 2021 auf 2,4 Prozent. 2019 waren es 3,1 Prozent.