Ein Tropf hängt an einem Krankenhausbett: Laut Experten erhöht sich das Sterberisiko bei Krebspatienten für jede vierwöchige OP-Verzögerung um sechs bis acht Prozent. Foto: Fabian Sommer/dpa

Bei Krebs kann der Zeitpunkt von Diagnose und Therapie entscheidend dafür sein, wie erfolgreich der Tumor behandelt werden kann. Zum Problem kann darum werden, wenn die Corona-Pandemie Kliniken an ihre Grenzen bringt und sie Betroffene verängstigt.

Kingston - Im Zuge der Corona-Pandemie wurden weltweit viele nicht dringliche Operationen und Behandlungen verschoben. Gerade für Krebs-Patienten könne dies allerdings schwerwiegende Folgen haben, warnen kanadische und britische Mediziner im Fachblatt „The BMJ“. Schon ein Monat Verzögerung in der Krebstherapie könne das Sterberisiko um drei bis 13 Prozent erhöhen, so das Fazit der Wissenschaftler.

Das Team um den Onkologen Timothy Hanna von der kanadischen Queen’s Universität hatte untersucht, wie sich eine Verzögerung zwischen Diagnose und Therapiebeginn auf die Mortalität von Patienten auswirkt.

Dafür führten die Wissenschaftler eine Metaanalyse von 34 Studien aus der Zeit von Januar 2000 bis April 2020 mit insgesamt knapp 1,3 Millionen Patienten durch.

Deutlicher Anstieg der Sterberate bei Krebspatienten

Das Ergebnis: „Eine vierwöchige Verzögerung der Therapie ist bei allen gängigen Formen der Krebsbehandlung mit einem Anstieg der Mortalität verbunden, wobei längere Verzögerungen zunehmend nachteilig sind“, berichtet Hanna.

Konkret erhöhe sich das Sterberisiko bei Operationen für jede vierwöchige Verzögerung um sechs bis acht Prozent, bei einigen Strahlen- und systemischen Therapien sogar um bis zu 13 Prozent.

DKG: keine lebensnotwendigen Eingriffe verschoben

Im Mai hatte eine Studie des National Institute for Health Research (NIHR) der britischen Universität Birmingham für Aufsehen gesorgt, der zufolge weltweit rund 28 Millionen chirurgische Eingriffe aufgrund von Corona verschoben wurden.

Für Deutschland ergab sich eine Zahl von 908 759 aufgeschobenen Operationen, darunter rund 850 000 elektive - also planbare, nicht lebensnotwendige – Eingriffe und 52 000 Krebsoperationen. Schätzungen der Fachhochschule Köln gingen gar von insgesamt 1,6 Millionen verschobenen Operationen aus.

Wie viele Operationen in Deutschland wegen Corona aufgeschoben wurden, lässt sich nach Angaben von Joachim Odenbach von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) erst sagen, wenn endgültige Daten vorliegen. Insgesamt seien in den Kliniken hierzulande aber keine lebensnotwendigen Eingriffe, sondern in erster Linie elektive Leistungen verschoben worden. Viele davon seien etwa auf den plastisch-chirurgischen Bereich entfallen, zudem habe beispielsweise die AOK 80 Prozent weniger Hüftprothesen-OPs verzeichnet.

Zudem hingen sinkende Eingriffszahlen nicht nur mit den Kapazitäten an Personal und Betten in den Kliniken zusammen. „Es gibt auch Patienten, die derzeit Angst haben, ein Krankenhaus oder eine Arztpraxis zu besuchen“, betont Odenbach. Das kann schlimme Folgen haben: „Gerade bei Krebs kann der Diagnosezeitpunkt darüber entscheiden, wie erfolgreich eine Therapie ist.“

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