Viele Firmen, die in die Maskenproduktion eingestiegen sind, setzen dauerhaft auf das Produkt. Foto: picture alliance/dpa

Corona-Schnelltest, Spuckschutz, Luftreiniger, Mund-Nasen-Schutz – wegen der Corona-Pandemie sind viele Unternehmen in die Produktion neuer Produkte eingestiegen. Doch was ist daraus geworden?

Stuttgart - Die Nachfrage nach dem Corona-Schnelltest von Bosch samt Analysegerät ist groß. „Wir arbeiten mit unseren Lieferanten intensiv daran, die Kapazität maximal auszubauen und die Lieferfähigkeit weiter zu erhöhen“, sagt eine Bosch-Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung. Bis Ende des Jahres wolle man die Kapazität für eine Million Tests erreichen.

 

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Der Bosch-Schnelltest kommt vor allem in Laboren, Klinken und Pflegeheimen zum Einsatz, die vorher keine Möglichkeiten hatten, solche Tests vor Ort durchzuführen. Normalerweise brauchen solche PCR-Tests – laut Bosch gelten sie als „Goldstandard“ – mehrere Stunden, bis ein Resultat vorliegt; der Bosch-Schnelltest liefert das Ergebnis laut Unternehmen nach 39 Minuten. Antigentests liegen zum Teil bereits nach 15 Minuten vor, sind aber nicht so treffsicher.

Auch Geräte, mit denen Coronaviren aus der Luft gefiltert werden können, sind gefragt. Mittlerweile sei man mit zwei Geräten am Markt, sagt ein Sprecher des Ventilatorenherstellers Ebm-Papst. Das Mulfinger Unternehmen arbeitet dabei unter anderem mit dem Ludwigsburger Filterspezialisten Mann + Hummel zusammen.

Luftreiniger gegen Coronaviren

Verstärkte Anfragen gibt es auch im Bereich der Beatmungsgeräte – Ebm-Papst liefert dafür Teile wie etwa Motor, Motoransteuerung samt Elektronik sowie komplette Radialgebläse. Derzeit prüfe man eine Ausweitung der Kapazitäten auf bis zu 500 000 Stück pro Jahr, sagt ein Unternehmenssprecher. Seit Beginn der Corona-Krise hat Ebm-Papst die Kapazität von 100 000 auf 300 000 Stück erhöht.

Mobiler Spuckschutz

Viele Unternehmen haben spontan in der Krise reagiert, für etliche ist der Einstieg in neue Produkte mehr als nur ein vorübergehendes Geschäft, wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt. Bei Schäfer Kunststofftechnik in Ortenberg (Ortenaukreis) war es ein mobiler Spuckschutz, eine Plexiglasscheibe. Das Unternehmen reagierte sofort auf eine Produktionsanfrage, noch am gleichen Tag sei ein Prototyp entstanden.

Mittlerweile gehört das Produkt bei dem Mittelständler mit knapp 100 Mitarbeitern zum Sortiment – individuell angepasst je nach Bedarf, ob es in einem Taxi, einer Arztpraxis, einem Kiosk, bei einer Kosmetikerin oder in einem Restaurant zum Einsatz kommt. Anfragen kämen deutschlandweit und aus der Schweiz, sagt Marketingleiterin Monika Schäfer.

Masken vom Wäschehersteller

Viele Firmen sind wegen Beschaffungsengpässen auch in die Maskenproduktion eingestiegen. „Wir waren einer der ersten Textilbetriebe in Deutschland, der auf die Produktion von Mund-und-Nasen-Masken umgestellt hat“, sagt Matthias Mey, Geschäftsführer des Wäscheherstellers Mey in Albstadt. Geliefert wurde zunächst an institutionelle Einrichtungen, später an Privatpersonen. „Die Nachfrage hat deutlich nachgelassen, seitdem Einwegmasken aus Asien wieder lieferbar sind“, sagt er. Man werde aber weiterhin Masken für Privatpersonen nähen.

Ähnlich sieht das auch bei Trigema aus. Der Sportbekleidungshersteller aus Burladingen hat mit rund 80 Prozent seiner Nähkapazitäten bis zu 35 000 Masken am Tag genäht. „Jetzt ist der Hype vorbei“, sagt Trigema-Chef Wolfgang Grupp. Die Masken bleiben aber Teil des Sortiments – in verschiedenen Farben und künftig auch noch in der Variante mit dem bekannten Trigema-Affen. Ein Zusatzgeschäft, wie Grupp sagt. Seit Ende August habe man um die 100 000 Masken und nahezu 60 000 Loops (Rundschals) verkauft.

Großaufträge aus Skigebieten

Auch der schwäbische Textilproduzent Maute + Renz hat „mehrere Millionen“ seines speziell entwickelten Mund-Nasen-Masken-Loops mit einer innovativen Hightechfaser (Trevira Bioactive) verkauft. Der Artikel soll nach Angaben von Vertriebschef Tobias Renz dauerhaft im Sortiment bleiben. „Aktuell haben wir sehr viele Großaufträge“, sagt Renz. Unter anderem von Skigebieten (Arlberg/St. Anton 100 000 Stück), des Kultusministeriums (mehr als 80 000 Stück) und mehreren Großfirmen. Auch beim Tübinger Textilhersteller Rösch sind Mund-Nasen-Masken mittlerweile fester Bestandteil des Sortiments. „Wir arbeiten permanent an neuen innovativen Varianten“, sagt Design- und Marketingchefin Evita Rösch.

Ähnlich ist das auch bei Hugo Boss. Zu Beginn der Pandemie hat der Metzinger Modekonzern rund 200 000 Stück an regionale soziale Einrichtungen gespendet. Seit Juni bietet Hugo Boss den Kunden die Stoffmasken zum Kauf an – in verschiedenen Ausführungen. „Die Masken kommen sehr gut an, und wir verzeichnen gerade in den letzten Wochen nochmals eine steigende Nachfrage“, sagt eine Sprecherin. Für Sommer sind Masken mit leichteren Stoffen geplant.

Von der Isolierung zur FFP-2 Maske

Artex in Filderstadt, eine Tochter des Isolierspezialisten Arnold, ist neu in die Produktion von medizinischen FFP2-Masken eingestiegen. Das Familienunternehmen, das unter anderem sogenannte Isolierkissen für Gas- und Dampfturbinen herstellt, hat sein Know-how bei technischen Textilien für den Aufbau einer Maskenfertigung genutzt.

Je nach Auftragslage können bei Artex pro Woche bis zu 20 000 Stück gefertigt werden. Ziel sei, auch eine FFP3-Maske zu entwickeln, sagt Phil Arnold, der zur vierten Generation des Familienunternehmens zählt und den Bereich mit aufgebaut hat. Dieser soll weiter ausgebaut werden.

Der Büromöbelproduzent Interstuhl in Meßstetten-Tieringen auf der Schwäbischen Alb hat mittlerweile die Serienproduktion von medizinischen OP-Masken aufgenommen. Seit August werden täglich rund 100 000 OP-Masken gefertigt – 23 Millionen Stück pro Jahr, wie das Unternehmen mitteilt. Man wolle noch weitere Medizinprodukte entwickeln und auch das Anliegen der Bundesregierung und der Länder unterstützen, das Know-how sowie die Fertigung und Lagerhaltung von medizinischen Produkten an den Standort Deutschland zurückbringen, um bei Gesundheitsprodukten unabhängiger von außereuropäischen Ländern zu werden.

Durch die Maskenproduktion konnten viele Unternehmen Kurzarbeit vermeiden oder gar verringern, Umsatzeinbrüche teils kompensieren, zieht man beim Verband Südwesttextil eine positive Bilanz. Für Südwesttextil-Hauptgeschäftsführer Peter Haas hat dies vor allem gezeigt, dass man in Deutschland tatsächlich unabhängiger sein könnte in der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern.

Traum von der Selbstversorgung

„Doch was ist aus dem Traum einer resilienten Versorgung mit Masken und Schutzausrüstung geworden? Kaum war China wieder lieferfähig, lief die Produktion hoch, Deutschland orderte, vor allem die öffentliche Hand“, sagt Haas. Nicht immer stimme die Qualität, häufig seien die Produkte aus China nicht korrekt zertifiziert, und zu allem Überfluss fördere die EU auch noch die zweifelhafte Konkurrenz durch Zoll- und Steuererleichterungen beim Import, kritisiert Haas.