Die Sorgen im Handel sind riesengroß – am Montag dürfen manche Läden endlich wieder öffnen, aber eben nicht alle. Foto: Lichtgut/Leif-Hendrik Piechowski

Am Montag bekommt die Wirtschaft ein bisschen Normalität zurück. Manche Läden sowie Autohäuser und Buchhandlungen dürfen wieder öffnen. Doch die Regelung sei nicht diskriminierungsfrei, wird kritisiert.

Stuttgart - Sorgen und Freude können in diesen Tagen der Coronakrise nah beieinander liegen. Wie bei Rainer Bartle. Der Chef des Buchhauses Wittwer-Thalia atmete auf, als am Mittwoch klar war, dass es beim Buchhandel jetzt nicht mehr nur im Onlinehandel weitergehen kann. Man wolle ja möglichst schnell wieder für die Kunden da sein, und die Stammkunden wollten auch zurück zur Normalität. Aber wie er den Wiederanfang am Montag auf den mehr als 3500 Quadratmetern Verkaufsfläche planen sollte, war Bartle am Donnerstag noch nicht ganz klar: „Wir warten auf verlässliche Informationen, was von uns verlangt wird.“

Ob die Nachfrage überhaupt schon da ist, bleibt für Händler unklar

Wie viele Kunden dürfen gleichzeitig in die Verkaufsräume? Welche Abstandsregeln gelten? In solchen Fragen fühle er sich von der Landesregierung schlecht instruiert.

Eine große Unbekannte ist und bleibt auch, wie das Geschäft sich wieder anlässt. Bartle bleibt auf dem Boden. „Es wird lang dauern, bis die Welt wieder ist, wie sie war“, sagt er. Vermutlich werde die Nachfrage sich kommende Woche eher auf dem Niveau kurz vor der Schließung der Läden einpendeln, als der Umsatz auch schon schwach war.

Ungewissheit über die Nachfrage herrscht auch im Autohandel, der sich großteils – wie das Buchhaus Wittwer-Thalia – in Kurzarbeit rettete, aber Entlassungen vermied. Natürlich sei man froh, dass man sich jetzt nicht mehr nur auf Wartung und Reparatur, telefonische Beratung und verstärkte Onlinekontakte beschränken müsse, sagt Nicole Hahn, Sprecherin der Hahn-Gruppe. Von deren 35 Betrieben rund um Stuttgart und in der Metropolregion sollen all jene, die vor Ort mit Autos handeln, am Montag auch wieder anfangen. Dafür sei man gut gerüstet. Schutzmaßnahmen wie 1,50 bis zwei Meter Abstand und Trennscheiben am Servicepunkt werde man einhalten können.

Fahrradwerkstätten haben derzeit ein hohes Arbeitspensum

In den Ausstellungsräumen herrsche keine Platznot. Aber man warte noch auf Infos von der Kfz-Innung. Wie groß der Andrang wird und ob man Zugangsbeschränkungen und rote Wartelinien braucht, weiß man nicht. Doch die ganze Autohandelsbranche wartete auf diese Wende. Jeder Tag Stillstand habe den Gebrauchtwagenhandel im Schnitt 28 Euro pro Kfz auf dem Hof gekostet, errechnete die Deutsche Automobil Treuhand GmbH.

Michael Lausterer vom Fahrradgeschäft e-Radwerk im Stuttgarter Westen hatte solche Sorgen nicht. Er hat fast so verdient wie sonst auch, allerdings mit hohem Arbeitsaufwand: Drei Wochen lang habe er einen Ansturm erlebt, obwohl er im Laden nicht verkaufen durfte. Die Leute hätten sich in der Coronakrise alle auf ihr Fahrrad besonnen und es zur Wartung gebracht. Lausterer legte Sonderschichten ein. Sein Lager mit Neufahrrädern ist momentan aber ziemlich leer. Er sorgt sich, wo er schnell neue Ware herbekommen soll – und wie er die Kunden bändigen soll, wenn sie am Dienstag, dem Tag nach seinem üblichen Ruhetag, so zahlreich kommen, wie er es erwartet. Schon in den vergangenen Wochen hatte Lausterer manchmal etwas laut werden müssen, denn alle drängten rein, aber der Laden ist klein.

Handelsverband hätte sich bundeseinheitliche Lösungen gewünscht

Für andere Händler sind auch noch viele Fragen offen. Wer darf nun aufmachen und wer nicht? Kann ein Händler, der mehr als 800 Quadratmeter hat, vorübergehend seine Verkaufsfläche reduzieren? „Wir hoffen, dass die Verordnung einfach, klar und einheitlich geregelt ist – und zwar so schnell wie möglich“, sagt City-Manager Sven Hahn. Die Geschäfte bräuchten einen Tag Vorlauf. Auch hoffe man, dass die Stadt die Regelungen nicht noch zusätzlich verschärfe. Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin beim Handelsverband Baden-Württemberg, begrüßt an sich die Entscheidung, dass einige Läden wieder öffnen dürfen. Aber: „Wir hätten uns eine diskriminierungsfreie, bundeseinheitliche Öffnung der Läden gewünscht.“ Auch frage sie sich, warum es nicht möglich war, dass alle Geschäfte öffnen können, die die Hygienevorgaben erfüllen können. Viele Händler bringe die lange Schließung in große Not. Hagmann: „Sie kämpfen um ihre Existenz. Da zählt jeder Tag.“ Vor dem Hintergrund müsse es auch eine Entschädigungsregelung geben für bisherige Schließungen. Bei Zahnärzten sei die, ihres Wissens nach, bereits zugesagt.

Für die Gastronomen ist es ein herber Schlag – auch wenn die Gesundheit vorgeht

Besonders hart trifft die Krise weiterhin die Gastronomen. Sie dürfen nach wie vor nicht wieder öffnen. Bei manchen könnte sich dies sogar noch bis in den August ziehen. „Klar hätten wir uns mehr gewünscht“, sagt Florian Neumann vom Ochsen am Bihlplatz. Man versucht, mit einem Lieferservice zu überleben. Neumann glaubt aber, dass im Außenbereich mit strengen Kontrollen wie auch mit Masken und Desinfektionsmittel am Eingang mehr möglich gewesen wäre für die Gastronomen. Aber: Er wolle trotzdem „hoffnungsvoll“ nach vorne schauen.

Auch Vincenzo Napoli vom Piloni am Bismarckplatz würde einerseits gern wieder aufmachen. „Die Leute brauchen uns ja. Aber, was soll ich sagen? Geschäftlich wäre es gut, aber für die Gesundheit nicht“, sagt der gebürtige Italiener. „Ich schaue jeden Tag nach Italien und wie es dort ist.“ Deshalb fände er es besser, erst wieder aufzumachen, wenn „Corona wieder vorbei ist“ Zuerst gehe es um die Gesundheit der Menschen.