Viele Beschäftigte haben sich bisher weder vom Betriebsarzt noch bei anderer Gelegenheit impfen lassen. Darf sich der Arbeitgeber dafür interessieren? Foto: dpa/Marijan Murat

Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Datenschützer streiten darüber, inwieweit die Beschäftigten dem Arbeitgeber über ihren Impfstatus Auskunft erteilen müssen. Findet die Bundesregierung eine Lösung?

Stuttgart - Die anhaltend brisante Coronalage erfordert offenbar weitere Maßnahmen – auch in den Betrieben. Im Gespräch ist daher zumindest für einige Monate eine Auskunftspflicht für Beschäftigte gegenüber dem Chef, ob sie schon geimpft sind oder nicht. Dass diese Debatte so viel Fahrt aufgenommen hat, können insbesondere die Arbeitgeber aus dem Südwesten auf ihre Fahnen schreiben. Dazu ein Überblick.

Warum sollten Arbeitgeber den Impfstatus der Beschäftigten abfragen können? „Viele Unternehmen haben niederschwellige Impfmöglichkeiten über Betriebsärzte angeboten – jetzt geht es vor allem auch darum, die Geimpften zu schützen“, sagt Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer des Verbands Südwestmetall. „Es ist doch absurd, dass Unternehmen bis heute kostenlose Coronatests anbieten müssen, aber nicht nach der Impfung fragen dürfen.“ Dies sei nur möglich, wenn der Impfstatus bekannt ist.

Aus Angst vor Klagen sind den Unternehmen im Umgang mit (Un-)Geimpften und (Un-)Getesteten oft die Hände gebunden. Die Arbeitgeber bräuchten dringend Rechtssicherheit, sagt Dick. Datenschutzrechtliche Ausnahmen führen aus seiner Sicht „nicht zum generellen Dammbruch beim Schutz der persönlichen Daten der Beschäftigten“.

Wer hat bisher eine Auskunftspflicht? Auskunftspflichtig sind bisher nach Paragraf 23a des Infektionsschutzgesetzes nur ganz wenige Berufe der Gesundheitsbranche – etwa die Mitarbeitenden von Arztpraxen und Krankenhäusern, von Rettungsdiensten und ambulanten Pflegediensten sowie dem öffentlichen Gesundheitsdienst. Geht es nach dem Willen des baden-württembergischen Sozialministeriums, sollen auch Beschäftigte insbesondere in Pflegeeinrichtungen, Schulen und Polizei über ihren Impfstatus Angaben machen.

Eine Aufforderung, bei der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes eine Rechtsgrundlage für solche Abfragen zu schaffen, hat es an den Bundesgesundheitsminister gerichtet. In dem Schreiben heißt es: „Diese Ermächtigung ist auf weitere Bereiche – insbesondere solche, in denen aufgrund eines erhöhten Publikumsverkehrs oder dem Kontakt mit vulnerablen Gruppen ein höheres Infektionsrisiko besteht – auszuweiten.“

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Was spricht gegen eine Auskunftspflicht? Vor allem das Datenschutzrecht spricht gegen die allgemeine Auskunftspflicht: „Der Impfstatus ist eine sehr private Information“, sagt der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink unserer Zeitung. „Solche Gesundheitsdaten sind für jeden Arbeitgeber tabu.“ Daher gebe es nur wenige Ausnahmen im Infektionsschutzgesetz. „Dies jetzt pauschal auszuweiten, wäre ein Tabubruch.“

„Es bleibt unklar, was Arbeitgeber mit dieser Information überhaupt anfangen wollten“, sagt Brink. Rechtlich dürften sie bislang nicht zwischen Geimpften und Nichtgeimpften im Betrieb unterscheiden. „Im Ergebnis besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber mit dieser Information Druck auf Nichtgeimpfte ausüben – dies widerspricht aber der Impffreiheit.“ Wenn man mit der Impfquote in Deutschland unzufrieden sei, sollte man besser über eine Impfpflicht nachdenken – anstatt den Druck auf Ungeimpfte über die Arbeitgeber zu erhöhen, rät der Landesdatenschützer.

Was sagt der Gewerkschaftsbund? Auch der Gewerkschaftsbund winkt ab: „Die Forderung nach Selbstauskunft über den eigenen Impfstatus ist ein No-Go“, sagt DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. „Die Information, ob jemand geimpft ist, unterliegt wie alle anderen Gesundheitsdaten der Beschäftigten dem Datenschutz und hat Arbeitgeber nicht zu interessieren.“ Die Forderung sei ein „unlauterer Versuch, die Verantwortung für den Arbeitsschutz auf die Beschäftigten abzuwälzen“. Vorrang sollten weiter technische und organisatorische Maßnahmen wie Homeoffice haben. „Impfen ist hingegen kein Instrument des Arbeitsschutzes und kann diesen auch nicht ersetzen.“ Zudem könnten Geimpfte wie Ungeimpfte das Coronavirus übertragen – insoweit greife die Forderung zum Offenlegen des Impfstatus in doppelter Hinsicht zu kurz.

Wie ist die Haltung der Bundesregierung? An diesem Mittwoch soll das Bundeskabinett eine Änderung der Sars-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung beraten. Demnach soll der Arbeitgeber ausdrücklich über die Gesundheitsgefahren durch Corona und Abhilfe durch Impfungen aufklären. Bei der Umsetzung des betrieblichen Infektionsschutzes könne er einen ihm bekannten Impf- oder Genesungsstatus der Beschäftigten berücksichtigen. Liegen dem Arbeitgeber keine Erkenntnisse darüber vor, ist von keinem vollständig vorhandenen Impfstatus auszugehen. Ein Auskunftsrecht des Arbeitgebers wird dezidiert aber nicht eingeräumt.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) steht da auf dem Standpunkt: Das Recht für Arbeitgeber, den Impfstatus ihrer Mitarbeiter zu erfahren, gebe der Arbeitsschutz wegen der Beschäftigtenrechte bei der informationellen Selbstbestimmung nicht her. Wenn jedoch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen Vorschlag für das Infektionsschutzgesetz habe, „dann soll er ihn vorlegen“. Wenn es einen konkreten Vorschlag gebe, werde man sich das ansehen. Es dürfe da keinen Dammbruch geben. Spahn lässt Lösungen derzeit prüfen.