Das Interesse an Corona-Schutzimpfungen in Hausarztpraxen ist groß. Es gibt bereits lange Wartelisten. Zwei Hausärzte von der Filderebene berichten, warum sie bei der Impfkampagne mitmachen – und üben Kritik an den Impfzentren.
Filder - Die Warteliste ist lang. Mehr als 350 Patientinnen und Patienten hat Florian Herr bereits erfasst, die sich in seiner Praxis gern gegen das Coronavirus impfen lassen wollen. „Wir haben geschaut, wer ist impfberechtigt, und sind aktiv auf diese Leute zugegangen. Gleichzeitig haben auch viele Menschen angerufen oder eine Mail geschrieben“, erzählt Florian Heer. Allein die Terminvergabe sei mit einem „wahnsinnigen Aufwand“ verbunden, sagt der Degerlocher Arzt. Etwa 9000 Patienten hat er insgesamt in der Akte, knapp 50 hat er in den ersten beiden Wochen seit dem Impfstart in den Hausarztpraxen geimpft.
Wenn der Patient für die Spritze in die Praxis kommt, führt der Arzt zunächst das obligatorische Beratungs- und Aufklärungsgespräch. Dabei beantwortet er auch die Fragen, die sich der Patient eventuell beim Ausfüllen der verschiedenen Formulare gestellt hat, die ihm von der Praxis im Vorfeld zugeschickt wurden. Erst dann erfolgt der Piks. Danach müssen die Patienten noch mindestens 15 Minuten zur Beobachtung in der Praxis bleiben. Wenn sie gehen, ist Florian Heers Arbeit aber noch nicht beendet. Denn die Impfung muss noch am selben Tag dokumentiert, gemeldet und später abgerechnet werden. „Der bürokratische Aufwand ist enorm“, sagt Florian Heer.
Mangelnde Wertschätzung für Hausärzte
Dennoch beteiligt er sich mit seiner Hausarztpraxis an der Impfkampagne. „Ich möchte für meine Patienten da sein und meinen Beitrag zur Eindämmung dieser Pandemie leisten. Das ist unsere Aufgabe“, sagt er. Nicht verstehen kann er aber, dass die Coronaimpfung in einer Hausarztpraxis mit gerade einmal 20 Euro vergütet wird. Wenn er einen Hausbesuch macht, um einen Patienten gegen das Virus zu impfen, bekommt er dafür 35 Euro. Beide Beträge seien nicht einmal kostendeckend, so seine Kritik.
Für ihn ist diese unzureichende Vergütung „ein Beispiel von vielen für die mangelnde Wertschätzung der Hausärzte“. Es gehe ihm aber nicht nur ums Geld. Als weiteres Beispiel nennt Florian Heer, dass im vergangenen Jahr viel zu spät und viel zu wenig Schutzausrüstung an die Hausarztpraxen geliefert worden sei. Dass der Ärztemangel auf dem Land und auch in der Stadt immer größer werde, sei da kein Wunder, sagt der Degerlocher Mediziner. Für die Corona-Schutzimpfungen würden die Ärzte in den Impfzentren bei gleicher Leistung deutlich mehr bekommen – zu viel, findet Florian Heer – und plädiert für einen Mittelweg.
Kassenärztliche Vereinigung kann den Unmut nachvollziehen
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) kritisiert die nicht kostendeckende Vergütung der Coronaimpfungen in den Hausarztpraxen. Ein Arzt in einem Impfzentrum erhalte 130 Euro in der Stunde. „Wir verstehen den Unmut der Hausärzte“, sagt eine Sprecherin. Auch insgesamt seien die Impfzentren zu teuer. In einer Pressemitteilung der KVBW vom 7. April heißt es: Zu Beginn der Impfkampagne sei es richtig gewesen, die Covid-Impfungen auf Impfzentren zu konzentrieren, jetzt sei das nicht mehr vermittelbar. „Es ist eine unnötige Parallelstruktur“, sagt die Sprecherin. Die KVBW fordert in einer bundesweiten Petition auf einer Online-Plattform Bundes- und Landesregierungen auf, sofort die Covid-Impfungen von den Impfzentren auf die Praxen der niedergelassenen Ärzte zu verlagern.
Werden die Patienten den Astrazeneca-Impfstoff akzeptieren?
Der Mediziner Hans-Jörg Wertenauer hat ein anderes Problem mit den Impfzentren. Er arbeitet in einem Team, das insgesamt vier Gemeinschaftspraxen betreibt, unter anderem in Vaihingen am Schillerplatz und an der Buchenwaldstraße in Leinfelden. Und für diese findet er keine Medizinischen Fachangestellten, die er dringend braucht, unter anderem, um die Corona-Impfungen leisten zu können. „Der Markt ist leer, viele sind in die Impfzentren gegangenen, weil sie dort mehr verdienen“, sagt Wertenauer.
Ebenso wie die KVBW ist auch Hans-Jörg Wertenauer davon überzeugt, dass die Hausarztpraxen schneller und effektiver impfen können. In den vier Praxen seines Teams hätten seit dem 6. April 300 Patienten den Schutz erhalten. „Wir haben bereits alle über 80-Jähringen und alle Hausbesuchspatienten aus unseren Karteien geimpft. Damit sind wir sehr zufrieden“, sagt Wertenauer.
Etwas Sorge bereitet ihm die kommende Woche. Denn dann wird in den Hausarztpraxen auch Astrazeneca geimpft. Allerdings nur an Patienten, die älter als 60 Jahre sind, so wie es die Empfehlung vorsieht. Wertenauer ist überzeugt davon, dass es für über 60-Jährige keinerlei Grund gibt, den Astrazeneca-Impfstoff abzulehnen. „Es gibt für diese Personengruppe kein erhöhtes Risiko, und der Impfstoff wirkt sogar schneller als beispielsweise der von Biontech.“ Wertenauer hofft, dass in den vier Praxen seines Teams jeder den Impfstoff akzeptiert, den er angeboten bekommt.