Der Anglizismus des Jahres soll laut Initiative den positiven Einfluss der Englischen Sprache auf das Deutsche veranschaulichen. (Symbolbild) Foto: imago images/Arnulf Hettrich/Arnulf Hettrich via www.imago-images.de

Es gibt das „Wort“ und das „Unwort“ des Jahres. Seit 2010 kürt eine Jury aber auch einen „Anglizismus“ des Jahres. Mit ihm soll der positive Einfluss des Englischen auf die deutsche Sprache gewürdigt werden. Diesmal geht es um Corona und die Folgen.

Berlin - Der in der Corona-Krise für Schließungen und Kontaktbeschränkungen üblich gewordene Begriff „Lockdown“ ist zum „Anglizismus des Jahres“ 2020 gekürt worden. „Überzeugt hat die Jury am Wort Lockdown neben der zentralen Rolle, die es in der Diskussion um die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie spielt, seine schnelle Integration in den Wortschatz des Deutschen“, teilte am Dienstag das Gremium rund um den Berliner Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch mit. Der für 2020 ausgewählte Begriff führe schon ein Eigenleben im Deutschen und werde auch in zusammengesetzten Wörtern wie „Lockdown-Verstöße“ oder „Lockdown-Lockerungen“ verwendet.

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Das ähnliche Wort „Shutdown“ richte die Aufmerksamkeit eher auf das Herunterfahren des öffentlichen Lebens als auf Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, hieß es von der Jury. Es habe sich aber weniger durchgesetzt als „Lockdown“, wohl weil es weniger Bedeutungsdifferenzierung im allgemeinen Sprachgebrauch biete.

„Lockdown“ ist fester Bestandteil der deutschen Sprache

Die Initiative Anglizismus des Jahres würdigt seit 2010 ausdrücklich „den positiven Beitrag des Englischen“ zum deutschen Wortschatz. Zu den bisher ausgezeichneten Begriffen gehörten „Influencer“ (2017) und „Shitstorm“ (2011) oder auch die Wendung „... for future“ (2019).

Zur Geschichte der Verwendung des Worts „Lockdown“ schreibt die Jury: „Nachdem zu Beginn der Pandemie zunächst Umschreibungen wie „Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie“ oder „Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus“ verwendet werden, verbreitet sich ab der zweiten Märzhälfte dann schnell das Wort Lockdown. Ein weiterer starker Häufigkeitsanstieg findet sich ab Oktober - spätestens seit diesem Zeitpunkt ist es fester Bestandteil des Deutschen.“

Begriff „Lockdown“ nahm Anfang im Gefängnis

Im Englischen finde sich das Wort ab den frühen 70er Jahren zunächst für Situationen, in denen Gefängnis-Insassen ihre Zellen länger nicht verlassen dürfen, etwa nach einem Aufstand. Ab den 80er Jahren bezeichne es auch Situationen, in denen ein ganzes Gebiet aus Sicherheitsgründen abgeriegelt werde. In dieser Bedeutung komme es gelegentlich auch im Deutschen vor, zum Beispiel in Berichten über Amokläufe an amerikanischen Schulen. Erst im Zuge der Covid-19-Pandemie habe sich die Bedeutung auf die jetzige erweitert.

Für 2020 waren laut Anglizismus-Jury auch Wörter wie „Social Distancing“, „Superspreader“, „Homeoffice“ und „Homeschooling“ gute Kandidaten. Gerade beim Fachbegriff „Social Distancing“ habe es aber eine Diskussion gegeben, ob eine Einschränkung physischer Kontakte im Kommunikationszeitalter überhaupt noch eine soziale Einschränkung sei. Der Begriff werde nun öfter vom Wort „Kontaktbeschränkung“ ersetzt.

Das Wort „Superspreader“ bezeichne eine infizierte Person, die den Krankheitserreger an eine große Zahl von Menschen weitergebe. Es werde zudem mit moralischem Unterton auch bei der Suche nach Schuldigen benutzt. Das Wort „Homeoffice“ sei 2020 zu einem Synonym für ein lockdownbedingtes Arbeiten zu Hause geworden - und dort mangels Arbeitszimmers oft eher in der Küche oder im Wohnzimmer.

„Homeschooling“ war heißer Kandidat für den Anglizismus des Jahres

Das Wort „Homeschooling“, eigentlich eine Bezeichnung für eine in Deutschland randständige Praxis, bei der Eltern ihre Kinder zu Hause unterrichten, um sie aus dem staatlichen Schulsystem herauszuhalten, wurde schnell ein Sammelbegriff für Schulersatzaktivitäten von Eltern oder aber für den Unterricht von Lehrerinnen und Lehrern per Video.

Der „Anglizismus des Jahres“ reiht sich bei den international üblichen sprachlichen Jahresrückblicken ein. Als Deutschlands „Wort des Jahres“ 2020 kürte die Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden schon am 30. November „Corona-Pandemie“. Als „Unwort des Jahres“ wurde am 12. Januar neben „Rückführungspatenschaften“ auch der Begriff „Corona-Diktatur“ von einer Jury in Darmstadt ausgerufen.

In der (deutschsprachigen) Schweiz wurde „systemrelevant“ zum Wort des Jahres gekürt, gefolgt von „Maskensünder“ und „stosslüften“. In Österreich war „Coronaparty“ das Unwort. „Babyelefant“ war das Wort des Jahres. Das Tier soll mit seiner vorgestellten Größe den empfohlenen Abstand in Pandemiezeiten beschreiben.