Die wieder erlaubten Schwimmkurse sind ein erster Schritt im Kampf gegen eine „nun gigantische Welle“, wie man bei den Vereinen ahnt. Foto: Archiv Martin Stollberg

Nach vielen Monaten der Tristesse bedeutet der neue Stufenplan der Politik für die Schwimmszene eine positive Überraschung. Wir erläutern, was wieder geht und was nicht – und warum aber trotzdem ein Berg an Problemen bleibt.

Filder - So plötzlich können sich Dinge ändern. Noch in der vergangenen Woche hätte sich bei Schwimmvereinen und unter Wasserratten aller Couleur wohl kaum jemand gefunden, der ein gutes Wort für die Politik übrig gehabt hätte. Von „Totengräbern in Regierungsstuben“ war da die Rede, von Ignoranz und von „völlig unverständlichen Entscheidungen“. Einer ganzen Branche stand das Wasser zunehmend am Hals – dummerweise nur bildlich gesprochen und nicht in den Becken der Region, in denen seit mittlerweile knapp sieben Monaten Corona-Stillstand herrscht. Nun ist schlagartig alles anders. Mit der neuen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg gibt es für die vermeintlich Vergessenen auf einmal wieder eine klare Perspektive.

Ja, Schwimmen geht wieder! Wenn auch noch mit vielen Abers. Inzidenzzahlen, Öffnungsstufen, Quadratmeter-Rechnungen – im Dschungel der Paragrafen fällt es gerade schwer, den Überblick zu behalten. Wir versuchen, die wichtigsten Antworten zu geben.

Was ist nun wieder erlaubt

Fürs Erste nur eines: Anfängerschwimmkurse, und zwar unabhängig von Inzidenzzahlen. Reagiert hat die Politik damit offensichtlich auf die immer lauter werdenden Mahnrufe nicht nur aus Schwimmerkreisen. Schwimmen oder nicht Schwimmen können ist in diesem Fall ja nicht die Frage, ob man sein Hobby betreiben kann oder nicht – es geht schlicht um womöglich lebenswichtige Grundlagen. Siegfried Steiner, Abteilungsleiter beim TSV Bernhausen, formuliert es kurz und treffend so: „Wenn man diese Fähigkeit nicht erworben hat, kann es tödlich enden.“ Jährliche Statistiken ertrunkener Nichtschwimmer bestätigen ihn.

Aber auch darüber hinaus ist wieder Wasser in Sicht. In den weiteren Öffnungsschritten des neuen Stufenplans der Landesregierung tauchen Frei- und Hallenbäder auch für die Allgemeinheit auf, hierbei jeweils abhängig von der Entwicklung der Coronazahlen. In Freibädern könnte es schon bald so weit sein.

Machen die Bäder für Schwimmkurse sofort wieder auf?

Nein. Sie dürften zwar, aber es fehlt noch am Können. „Klar, alle scharren mit den Hufen“, weiß Manfred Kern, der zuständige Amtsleiter in Leinfelden-Echterdingen. Das Problem laut ihm: „So etwas braucht einen Vorlauf und geht nicht von einem Tag auf den anderen.“ Zu überprüfen ist beispielsweise die Wasserqualität, zu errichten die Logistik mit Hygienekonzept, zu koordinieren auch erst einmal wieder das Personal, für das in den meisten Kommunen nun ebenso erfreulich wie plötzlich die Kurzarbeit enden könnte. Überrumpelt wurden von der neuen Entwicklung alle.

Realistisch hält man nicht nur in Leinfelden-Echterdingen, sondern auch in Stuttgart, Fiderstadt und Waldenbuch einen Neustart direkt nach den Pfingstferien. Bis dahin steht nun noch einiges an Organisationsarbeit an.

Machen alle Bäder wieder auf?

Nein, nach jetzigem Stand erst einmal nur ein Teil. In Filderstadt sollen es für Schwimmkurse die extra dafür ausgerichteten Lehrbecken in Sielmingen, Harthausen und Plattenhardt sein. In Leinfelden-Echterdingen ist man noch am Abklären, ob mehr als Echterdingen geht. Leinfelden scheiterte schon im vergangenen Jahr an den dortigen beengten Verhältnissen, die eine taugliche Umsetzung der Coronaregeln verhinderten.

Für Stuttgart ist Alexander Wolff in der Klärungsphase, dies in seiner Funktion als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft schwimmsporttreibender Vereine Stuttgarts (AGS). „Wir müssen jetzt erst einmal sammeln, welcher Verein wo was anbieten will. Dann schauen wir, wo es Sinn macht, zu öffnen“, sagt Wolff, zugleich Chef des in Birkach ansässigen und gut 600 Mitglieder starken Schwimmerbunds Schwaben. Klar ist: sein eigener Verein ist gedanklich bereits auf den Startblöcken.

Wie sieht man die Entwicklung beim Verband?

Mit Erleichterung – einerseits. Schließlich hatte man sich bereits vergessen und abgehängt gewähnt. Schon im März hatten die baden-württembergischen Landesverbände und die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) gemeinsam einen Dringlichkeitsappell an die Landesregierung geschickt. Die Antwort: lediglich ein „unbefriedigendes 08/15-Standardschreiben“, wie es Emanuel Vailakis, der württembergische Schwimm-Geschäftsführer, nennt.

Hiernach sieht seine Kollegin Christina Kaiser in der jetzigen Kunde „ein positives Zeichen“. Noch sei es aber ein „Fahren mit angezogener Handbremse“. Und von einer Befreiung aller Sorgen kann freilich noch lange keine Rede sein. Aufgestaut hat sich laut Kaiser „eine riesige Welle an Nichtschwimmerkindern, die es nun abzuarbeiten gilt“. Das werde lang dauern, sehr lang. Allein für Stuttgart geht Wolff von mehreren tausend potenziellen Nachzöglingen aus. In Bernhausen rechnet der Abteilungsleiter Steiner mit einem „enormen Bedarf“.

Werden die Schwimmvereine also einen Boom erleben?

Könnte sein. Allerdings gilt es auch, erlittene Verluste zu kompensieren. Die Zeit seit Ausbruch der Pandemie hat an den Nerven gezerrt – und auch Mitglieder gekostet. Nicht nur diejenigen, die es irgendwann über hatten, in einem Schwimmverein nicht mehr schwimmen zu können. Stattdessen Online-Trockenübungen zuhause im Wohnzimmer! Welch Ersatz. Auch Neueinsteiger gab es unter diesen Umständen anders als sonst keine.

Beim Schwimmerbund Schwaben zum Beispiel wäre Wolff bis zum Jahresende von einem rund 20-prozentigen Mitgliederschwund ausgegangen. Insgesamt gibt es in Württemberg etwa 200 Schwimmvereine mit 45 000 Mitgliedern.

Wie geht es für Wettbewerbsschwimmer weiter?

Eine gute Frage. Machen Frei- und Hallenbäder wieder auf, wird dies bis auf Weiteres nur mit begrenzten Besucherzahlen sein (siehe Öffnungsstufen). An den Betreibern wird es liegen, zu entscheiden, an wen sie die dann die zur Verfügung stehenden Zeiten vergeben: allein an die breite Öffentlichkeit? Sonnenbader, Familienausflügler, Beckenplanscher, Hobby-Bahnendreher? Sprich: an jederfrau und jedermann? Oder auch an Vereine? Also auch für das Trainingsprogramm leistungsorientierter Sportler?

Während des Lockdowns, seit November, genossen lediglich Spitzenschwimmer aus dem Landes- oder Bundeskader einen Ausnahmestatus. Sie durften weiter trainieren, etwa im Untertürkheimer Inselbad. Für alle anderen Vereinssportler, die ansonsten ebenfalls bei Wettkämpfen antreten, waren die Türen zu. Duster ahnt Steiner für jene, auch aus seinem TSV Bernhausen: „So lange man mal draußen war, so lange wird es danach auch brauchen, um wieder das alte Leistungsniveau zu haben.“ Merke: bis zu „alles wieder gut“ ist es unverändert ein weiter Weg. Ein Aufatmen geht durch die Schwimmerszene gleichwohl: endlich wieder Wasser!

Notbremse Ü 100

Wann gültig?

Bei Inzidenzzahl über 100 in einem Stadt- oder Landkreis – in diesem Fall vom Bund verordnete „Notbremse“

Was ist erlaubt?

• kontaktloser Sport im Freien und in geschlossenen Räumen alleine, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Haushalts (Geimpfte und Genesene zählen nicht mit)

• kontaktloser Sport im Freien für Gruppen mit bis zu fünf Kindern im Maximalalter von 13 Jahren (Anleitungsperson benötigt einen negativen Schnelltest, wobei bei täglichem Einsatz zwei Tests pro Woche ausreichend sind)

• Rehasport

• Profi- und Spitzensport

• Anfängerschwimmkurse

Öffnungsstufe eins

Wann gültig?

Ab einer Inzidenzzahl von unter 100 in einem Stadt- oder Landkreis an fünf aufeinanderfolgenden Werktagen

Was ist neu/zusätzlich erlaubt?

• kontaktarmer Sport für bis zu fünf Personen aus zwei Haushalten (Kinder bis einschließlich 13 Jahre zählen nicht mit; auf weitläufigen Sportaußenanlagen auch mehrere Gruppen möglich, sofern ein entsprechender großer Abstand und eine Kontaktvermeidung zwischen verschiedenen Gruppen garantiert sind)

• Sport im Freien für Gruppen mit bis zu 20 Kindern im Maximalalter von 13 Jahren

• Sportaußenanlagen/Sporthallen für den Schulsport und Studienbetrieb

• Schwimmbäder für Schulsport, Studienbetrieb und Rehasport

Außerdem bei Vorlage eines negativen Tests oder Impf- beziehungsweise Corona-Genesungsnachweises der Beteiligten:

• kontaktarmer Sport im Freien für Gruppen mit bis zu 20 Personen (ohne Altersbegrenzung). Öffnen dürfen hierfür unter anderem auch Minigolfanlagen und Hochseilgärten.

• Freibäder (maximal eine Person pro 20 Quadratmeter)

• bei Veranstaltungen des Profi- und Spitzensports im Freien bis zu 100 Zuschauerinnen und Zuschauer

Öffnungsstufe zwei

Wann gültig?

Wenn die Inzidenzzahl in einem Stadt- oder Landkreis seit der vorherigen Öffnungsstufe innerhalb von 14 Tagen weiter gesunken ist

Was ist neu/zusätzlich erlaubt?

Jeweils bei Vorlage eines negativen Tests oder Impf- beziehungsweise Corona-Genesungsnachweises der Beteiligten:

• Fitnessstudios (maximal eine Person pro 20 Quadratmeter)

• kontaktarmer Sport allgemein draußen und drinnen (ohne bisheriges 20-Personen-Limit im Freien, aber jeweils maximal eine Person pro 20 Quadratmeter)

• Hallenbäder (maximal eine Person pro 20 Quadratmeter)

• bei Veranstaltungen des Profi- und Spitzensports bis zu 250 Zuschauerinnen und Zuschauer

Öffnungsstufe drei

Wann gültig?

Wenn die Inzidenzzahl in einem Stadt- oder Landkreis seit der vorherigen Öffnungsstufe innerhalb von 14 Tagen weiter gesunken ist

Was ist neu/zusätzlich erlaubt?

Jeweils bei Vorlage eines negativen Tests oder Impf- beziehungsweise Corona-Genesungsnachweises der Beteiligten:

• in Frei- und Hallenbädern maximal eine Person pro zehn Quadratmeter