Unter der Lupe: Cornelia Gröschel geht als Leonie Winkler der neuen Spur mithilfe des von Peter Trabner gespielten Gerichtsmediziners Lammert nach. Foto: MDR

Zum Ermittlerteam aus Dresden stößt eine neue Kollegin: Leonie Winter wird gespielt von Cornelia Gröschel, die in ihrem ersten „Tatort“, der am Sonntag läuft, gleich in finsterste Abgründe blicken muss. Dass sie aber auch Theater kann, zeigt Gröschel in diesen Tagen in Stuttgart.

Stuttgart - Neue Figuren können sich auf vielen Wegen in alte Serien einführen. Sie können laut oder leise auftreten, kapriziös oder schüchtern oder in einer Mischung aus allem. Wie Leonie Winkler. „Angenehm“, sagt sie zur Begrüßung ihrer Kollegin Karin Gorniak und fügt ebenso tonlos „können wir dann?“ hinzu, bevor sie mit der Waffe im Anschlag der Spur eines Ritualmords folgt. Größer könnte die Distanz zwischen Sachlichkeit und Exzess kaum sein als im Dresdner „Tatort“ eins nach Henni Sieland – wahrhaftiger aber auch nicht dank Erol Yesilkayas Drehbuch und einer Hauptdarstellerin, die ihrer Rolle kaum ähnlicher sein könnte: Cornelia Gröschel. Sie ist die Neue.

Dabei ist sie im Auftaktfall „Das Nest“ zunächst nur die Nebendarstellerin von Karin Hanczewski auf der Jagd nach einem Serienkiller, der seine Opfer klinisch ausbluten lässt, um sie später als spießbürgerliches Stillleben im Keller einer nebelverhangenen Waldvilla zu drapieren – drunter machen es handelsübliche Krimis schon seit Jahren nur noch ausnahmsweise, denn Zivilisationsbruch der Marke „Torture Porn“ ist schick. Dass die sächsischen Ermittler in neuer Besetzung dennoch nicht in krassen Abgründen versinken, dafür sorgt schon der Frischling am Tatort Dresden. Cornelia Gröschel ist, als Ersatz der abgetretenen Alwara Höfels, ein echter Glücksfall für das Format.

Sie war die „Honigfrau“ aus dem Osten

Nach langen Jahren im Karlsruher Exil darf die rasant aufstrebende, mittlerweile 31-jährige Cornelia Gröschel fortan nämlich nicht bloß ein-, zweimal jährlich mehrere Wochen in ihrer geliebten Heimatstadt drehen. Die Filmfigur Leonie Winkler kommt auch ihrer Mentalität so nahe, wie es die kernige Kurzform „Leo“ suggeriert. „Das Artifizielle liegt mir weniger“, betont die Tochter einer Ballettlehrerin und eines Opernsängers während des Gesprächs, bei dem sie tatsächlich kaum anders wirkt als viele ihrer Filmfiguren: „Theatralisch können andere besser.“ Sie dagegen mag fiktional wie real eher „die natürlichen, direkten Töne“. Und genau die machen sie auch auf der Theaterbühne so glaubwürdig: In Stuttgart steht sie derzeit – und noch bis zum 1. Juni – im Alten Schauspielhaus auf der Bühne, um in Shakespeares Komödie „Wie es Euch gefällt“ die Rosalind zu verkörpern.

Mit ihrer Authentizität hat Cornelia Gröschel schon als Zwölfjährige die ARD-Dauerserie „In aller Freundschaft“ veredelt und nach ihrem letzten Auftritt dort die wunderbare ZDF-Satire „Lerchenberg“. Ihr endgültiger Durchbruch als eine von zwei „Honigfrauen“ im ZDF barg vier Jahre später zwar die Gefahr, künftig – wie viele ihrer Landsleute – auf realsozialistische Rollen festgelegt zu werden. Auch wenn sich der Fokus zuletzt ein bisschen ostwärts verschoben habe, sagt Gröschel, sei sie für beide Seiten kompatibel und versuche, nicht dauernd DDR-Filme zu drehen – und daran könne selbst ihr sächsischer „Tatort“ nicht rütteln, schließlich könnte er „bis auf ein paar Nebenrollen und Autokennzeichen in fast jeder Großstadt spielen.“

Starke Frauen, realsozialistisch

Allerdings kommt nur in Sachsen richtig zum Tragen, wovon Gröschel zeitlebens geprägt wurde: starke Frauen, die besonders der Osten hervorbringt und auch im eigenen Heim den Ton angaben. Ihr künstlerisch gestimmtes Elternhaus hat die Tochter also fit gemacht für ein Metier, das noch immer von Alphakerlen dominiert wird. „Nach einem halben Leben vor Kameras“ – und für einen Moment schaltet die Frohnatur von herzlich auf ernst – „muss ich mir von keinem Mann mehr erklären lassen, wie mein Job funktioniert“.

Umso mehr nervt es die ausgebildete Tänzerin, selbst von Geschlechtsgenossinnen auf ihr Äußeres reduziert zu werden. Okay, sagt sie, „zehnmal bessere Schauspielerinnen ohne blaue Augen und blondes Haar haben es womöglich schwerer als ich“. Einerseits. Andererseits wurde sie ausgerechnet wegen ihrer telegenen Optik einst an einem großen deutschen Theater mit der Begründung abgelehnt, ihr fehle die Tiefe. „Als könne man nicht hübsch und gut zugleich sein“, sagt Cornelia Gröschel. Und dann richtet sie sich kurz auf fürs Fazit unserer Begegnung: „Ich will durch meine Arbeit überzeugen.“ Im neuen Tatort gelingt ihr das wunderbar.