Polizei, Richter und Passanten blicken auf eine Frauenleiche hinab. Foto: Edition Moderne

Es gab ihn wirklich, den Serienmörder im Gottesstaat Iran, der Prostituierten nachstellte. Mana Neyestanis Comic „Spinne von Maschhad“ erzählt seine Geschichte – und bekommt eine widerliche Doppelmoral an den Wickel.

Maschhad - Herr Hanai ist ein ruhiger, freundlicher Mann, fast schüchtern. Ein Handwerker, ein Maurer, der hart arbeiten muss für sein Geld, aber alles brav nach Hause zu seiner Frau trägt. Herr Hanai ist auch ein Serienmörder, und kein erfundener. Mana Neyestanis Comic „Die Spinne von Maschhad“ basiert auf einem wahren Kriminalfall aus dem Nordosten des Irans, aus der Stadt Maschhad, einem religiösen Zentrum der Schiiten. In den Jahren 2000 und 2001 hat der stille Herr Hanai hier sechzehn Prostituierte erwürgt, überzeugt, er handle in göttlichem Auftrag, er reinige die Welt von schändlichen Sünderinnen, ganz wie der Koran es gebietet.

Neyestani lebt im Exil, und mit Graphic Novels wie „Ein iranischer Albtraum“ und Karikaturen etwa auf der Website „Iran Wire“ arbeitet er sowohl gegen die Propaganda des Gottesstaates wie gegen die Klischees, die sich in unseren Köpfen festgesetzt haben. „Die Spinne von Maschhad“ beruht nicht auf eigenen Recherchen, sondern auf einem Dokumentarfilm über den Fall Hanai, den Maziar Bahari, der Chefredakteur von „Iran Wire“, 2009 erstaunlicherweise drehen konnte.

Kopftuch und Kippe

Doch diese Graphic Novel wiederholt nicht einfach, was der Film zu bieten hat. Sie zeigt uns dessen Entstehung, die Interviewsituationen: Wenn der Inhaftierte erzählt, die Familie Hanais oder der Untersuchungsrichter, und wenn wir in Rückblenden den Justizapparat beim Versuch erleben, den Serienmörder zu stellen, dann treten mehr Widersprüche zutage, als der Film selbst fassen konnte. Immer wieder erweitern die Bilder das nüchtern von den Zeugen Erzählte und die reale Welt um Fantasiebilder.

Vor der Kamera sitzt eine Journalistin, die züchtig Kopftuch tragen und Sorge haben muss, in einer Drehpause von den Sittenwächtern beim Rauchen ertappt zu werden. Mit wenigen Gesten und Worten macht Neyestani klar, dass sich nichts an dieser Frau mit der Kippe freiwillig an die neurotischen Männerregeln halten würde. Hanais Ehefrau dagegen hält zu ihrem Mann, billigt dessen Taten offenbar aus ganzem Herzen. Hanais Foto an der Wand funktioniert jedoch als Über-Ich, das über Worte, Taten und Gesinnungen pausenlos wacht. Und die Richter haben ein Problem: Hanai lebt eigentlich nur ihren Fanatismus aus, weshalb das Volk ihn als Helden, nicht als Verrückten sieht.

Mana Neyestani: Die Spinne von Maschhad.
Graphic Novel. Aus dem Französischen von Christoph Schuler. Edition Moderne, Zürich. 160 Seiten, 22 Euro.