Der rote Teppich ist schmal – so schmal wie der Grat der Stand-up-Kunst zwischen Gaga-Gags und der Rettung der Welt. Zum zehnten Geburtstag des Formats Comedy Clash feiern die Besten der deutschen Spaßszene eine Gala im Wizemann mit ohne Masken.
Vor der blitzhell angestrahlten Fotowand liegt ein roter Teppich, der weder breit ist noch lang, also eher nach einer Sparausgabe aussieht. Die Gäste der Jubiläumsgala zum zehnten Geburtstag des Formats Comedy Clash sind im Partyraum des Clubs Wizemann trotzdem froh, dass an diesem Abend am Teppich gespart wird, nicht aber bei den Späßen auf der Bühne.
Bevor die VIPs der deutschen Stand-up-Welt und der heimischen Medienszene bei Wraps und Cocktails fast so wie früher feiern, als habe es Corona nie gegeben und seien die Affenpocken von uns weiter entfernt als eine Kiste Bananen, zeichnet der SWR gleich zwei Best-of-Sendungen vom Comedy-Aufprall auf – für seine Mediathek, versteht sich, weil das stinknormale Fernsehen out ist. Die Stimmung in der Halle ist bestens, kaum, dass alle leeren Stühle in den vorderen Reihen von Nachrückern von hinten besetzt werden können, weil die Kameras des Stuttgarter Senders keinen Mut zur Lücke haben.
Der Superstar des Abends heißt Benedikt
Die Spaßpromis des Abends wie Enissa Amani, Tahnee, Abdelkarim, Markus Krebs, Alain Frei und Khalid Bounouar haben was gemeinsam: Sie haben ihre Karriere beim Clashen im Süden gestartet. Deshalb bestreiten sie die Jubiläumsshow, die – anders als an allen anderen Abende dieser Reihe seit zehn Jahren – kein Wettkampf ist. Das Publikum muss diesmal nicht die Besten wählen. Weil die Idee des Sonderprogramms es ist, dass, wer immer hier auch antritt, sowieso schon simply the best isch, um es auf Neu-Schwäbisch zu sagen. Stimmt allerdings dann doch nicht. Der Superstar der Geburtstagedition ist nämlich ganz klar Benedikt.
Ein junger Mann mit dem schönen Namen Benedikt sitzt vorne im Publikum und wird quer durch den Abend von den Bühnenheros rangenommen. Wem das Scheinwerferlicht folgt, ist – sollte man meinen – der Stärkere. Doch Benedikt schlägt sich so megastark, dass ihm alle Herzen zufliegen. Im Laufe des Abends erfahren wir viel über Benedikt: etwa, dass Benedikt Klavier spielt (kein Wunder, bei dem Namen!), dass Benedikt mit zwei Mädels ins Wizemann gekommen ist, mit denen Benedikt nichts hat, obwohl Benedikt eines davon bei Tinder kennen gelernt hat.
Sieht die Deutschen wirklich so humorlos? Alain Frei weiß es besser!
Wer weit hinten sitzt wie der Schreiber dieser Zeilen sieht diesen wackeren Benedikt nicht, dessen Namen so schön ist, dass alle am Mikro ihn unentwegt nennen. Bei der Aftershow-Party frag’ ich deshalb erst mal Alain Frei, den nach Alain Delon benannten Schweizer, wie Benedikt denn aussieht. „Ganz so, wie ein Benedikt aussieht“, lautet die Antwort. Verstehe. Unauffällig gut also! Und alles ist nun ohne Maske erlaubt!
Freis Kolleginnen (jetzt nenn’ ich keine Namen mehr!) mögen an diesem Abend behaupten, die Deutschen seien humorlos, Langweiler, würden sich nur so eingeschränkt bewegen können, wie es der Stock im A... erlaubt. Der in Köln lebende Schweizer, der sich vor drei Wochen mit Corona angesteckt hat, als er erstmals wieder Autogramme gab, weiß es besser. Ja, bei ihm hatte mal eine (deutsche!) Zuschauerin einen so schweren Lachkrampf in der Show, dass der Notarzt kommen musste!
Wer Youporn bis zu Ende anschaut
Wir wissen nun, dass es Comedian Markus Krebs in der Pandemie so langweilig war, dass er Youporn-Filme bis zu Ende angeschaut hat, dass Abdelkarim happy war, weil er an diesem Tag erstmals nicht im Stuttgarter Hauptbahnhof von der Polizei kontrolliert wurde, und dass Enissa Amani über ihren Streit mit der AfD sagt, sie sei zu Recht verurteilt worden, da sie tatsächlich einen Politiker dieser Partei als Rassist bezeichnet habe, der er auch sei. Bei der Gala sind auf dem schmalen, roten Teppich geblieben: Renitenztheater-Chef Sebastian Weingarten, Nadine Berneis, die Miss Germany 2019, SWR-Landessendedirektorin Stefanie Schneider, Kinderhospiz-Botschafterin Christina Semrau, Patrick Bulander und Jan Ammersbach vom Geheimtipp Stuttgart, Winzer Thomas Diehl, Manuel J. Ellwanger, Geschäftsführer der Innovation Heroes u.v.a.
Fazit der Geburtstagsshow: Saukomisch war’s, zwischendurch flach, aber auch wohltuend politisch mit klaren Botschaften. Die Vielfalt der deutschen Comedy-Szene gewinnt an Buntheit (am Dienstag war Diversity Day). Aber noch ist die Migrantenquote besser als die Frauenquote.