Das junge Ensemble von Gauthier Dance bei der Opening-Party zum Start des Tanzfestivals Colours Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Bunt ist das Leben noch viel schöner! Dafür steht das Internationale Tanzfestival Colours, das grandios mit Pop-Ballett im Theaterhaus startet. Bei der Opening-Party in der Nacht zum Freitag wird die Vielfalt der Stadt begeistert gefeiert.

Wer das vierte internationale Tanzfestival Colours besucht, das bis zum 17. Juli Stuttgart zur „Mittanzstadt“ macht, wie es OB Frank Nopper formuliert, wird mehrfach beschenkt. Die bunten Arten des modernen Tanzes beglücken nicht nur die Sinne – die Gäste bekommen obendrein was in die Hand mit auf den Heimweg. In früheren Jahren gab’s als Give-aways Fächer oder Pompons zum Wedeln. Nach der Coronapause sind es nun Saattütchen zum Mitnehmen. Den Samen für bunte Blumen möge man in der Stadt verstreuen, bittet Eric Gauthier, der Präsentator des großen Tanztreffens. Auf dass Flower-Power Stuttgart erobert!

Gleich zum Auftakt berauscht das Festival das Publikum

Die Stadt blüht auf und tanzt in allen Farben für Toleranz, Freiheit und Diversität. Virtuos, heftig, erfindungsreich, orkanartig, mitreißend – das Festival hat gleich zur Eröffnung das Publikum mit eindringlichem Gefühlskino und großartiger Gute-Laune-Popmusik von Tears for Fears aus den 80ern berauscht. Stadtpromis, Sponsoren und Kulturwelt eilen zahlreich herbei, wenn Everybody’s Darling Eric ins Theaterhaus ruft.

Zum Auftakt sind fünf Redner und eine Rednerin angekündigt. Oh nein, so viele? Will der voll besetzte Saal nicht lieber flugs reinrutschen in den Strudel der Rhythmen und Bewegungen? Die Regie hat gute Arbeit geleistet. Alle sechs am Mikro halten sich an die Vorgabe, möglichst viel mit wenig Sätzen zu sagen. Geht doch! Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier sagt, dass man mit dem Tanzfestival ein Zeichen setzen wolle gegen Unterdrückung und für Frieden. Geflüchtete aus der Ukraine müssen bei allen Veranstaltungen von Colours keinen Eintritt zahlen.

Es scheint, als stehe Eric Gauthier knapp vor der Heiligsprechung

Das Festival, lobt OB Nopper, sei wie Stuttgart: „Bunt, freudvoll, international.“ Großen Beifall erhält er, als er sagt, die Stadt habe den Zuschuss für Colours auf 450 000 Euro erhöht. Auch Claudia Rose vom Kunstministerium und Mercedes-Benz-Bank-Vorständler Peter Zieringer („mir tun noch die Knochen weh vom Workshop“) stimmen Jubelhymnen auf den Macher eines Festivals an, das für Vielfalt und gegen Unterdrückung steht. Mehr Lob für Eric Gauthier, den großen Motivator, geht nicht. Es scheint, als stehe er knapp vor der Heiligsprechung.

Später bei der Premierenparty im Hof zwischen Theaterhaus und Restaurant sagt der 45-Jährige, dass ihm das persönliche Anhimmeln gar nicht so behage. Es gehe nicht um ihn, betont er, sondern um den Tanz. Und für den setzt sich der Kanadier mit ansteckender Leidenschaft ein. Wenn der Meister es will, hüpfen alle mit, selbst wenn man sich dabei mal zum Affen macht.

Vergleichbar mit einem Rausch, nur gesünder

Sein Ensemble mit den Juniors eröffnet den Abend mit Ohad Naharins Kultstück „Kamuyot“ in der Theaterhaus-Turnhalle – ein energiegeladenes Tanzfest wird’s abseits der üblichen Ballettsäle. Auch das Publikum tanzt mit. Im großen, voll besetzten Saal T 1 startet nach den Lobesarien im Wort-Vorprogramm der „Lovetrain“ von Emanuel Gat Dance – rasch sind alle verliebt in diesen Sonderzug der großen Gefühle.

Beim Tanzen – ach, wie gern spürt man das! – werden Endorphine, unsere Glückshormone, freigesetzt – selbst dann, wenn man’s nicht selber tut, sondern nur zuschaut. Vergleichbar ist’s mit einem Rausch, nur gesünder. Im begeisterten Publikum: Ex-OB Fritz Kuhn und seine Frau Waltraud Ulshöfer, Breuninger-Chef Holger Blecker, Wittwer-Thalia-Geschäftsführer Rainer Bartle. Ein SWR-Team folgt Ballettlegende Egon Madsen – ein Film zu seinem 80. Geburtstag im August entsteht. Meinrad Huber, verantwortlich für das Programm, bringt Begeisterung für den Tanz quer durch die Stadt an Orte, wo keiner Karten kauft. Tanz stimuliert alle Sinne und bringt Menschen zusammen. Stuttgart kann sich auf bunte Wochen freuen! Wenn es bunt wird, kann man Farbe bekennen – für Freiheit etwa, was sehr wichtig ist in der harten Zeit der Ungewissheiten.