Annette Bening als Madame de Merteuil und Colin Firth als Valmont schätzen einander, weil sie gerne Intrigen spinnen – aber sie wird eifersüchtig auf seine Geliebte, Madame de Tourvel, und erklärt deshalb Valmont kurz nach dieser Szene den Krieg. Foto: Verleih

Ironisch und ein bisschen verklemmt: So kennt man den britischen Oscarpreisträger Colin Firth (56). Dass er auch anders kann, zeigte er als Titelheld in „Valmont“. Der Film von Miloš Forman erscheint jetzt auf DVD in einer restaurierten Fassung.

Stuttgart - Dieser Valmont kann unter Wasser ziemlich lange die Luft anhalten. Aber nicht lange genug, um Madame de Tourvel dazu zu bewegen, als Retterin in den See zu springen. Egal. Er taucht prustend auf und macht mit freundlicher Unverfrorenheit der jungen Frau einen unsittlichen Antrag. Verkörpert wird der Mann mit dem schlechten Ruf von Colin Firth – jetzt zu sehen in einer DVD-Wiederveröffentlichung des Films „Valmont“ (1989) von Miloš Forman. Dass man diesen Auftritt des englischen Oscarpreisträgers als Verführer Vicomte de Valmont womöglich vergessen hat, liegt auch daran, dass ein Jahr zuvor Stephen Frears’ Verfilmung des Briefromans von Choderlos de Laclos, „Gefährliche Liebschaften“, so erfolgreich war und John Malkovich als hochfahrend nervöser und rhetorisch glanzvoller Valmont berühmt wurde. Danach wollten nur wenige Leute „Valmont“ sehen. Firth spielt in „Valmont“ außerdem nur eine Nebenrolle, denn seine Intimfreundin Madame de Merteuil spinnt alle Intrigen, aus ihrer Sicht wird die Kamera geführt, die Geschichte erzählt. Der Film hätte „Merteuil“ heißen müssen. Annette Bening als Merteuil ist atemraubend dämonisch. An freudestrahlender Gemeinheit hält sie gut mit Malkovichs Valmont aus Frears’ Film mit.

Colin Firth lacht und tanzt

Und Colin Firth? Der damals 29-Jährige überrascht mit Frische und Fröhlichkeit. Seine Verführungskunst ist vielleicht noch perfider, weil er so schrecklich harmlos wirkt. Er muss – anders als Malkovich – viel weniger sprechen, dafür mehr lächeln. Und mehr Körpereinsatz zeigen, sich nicht nur aus einem Holzboot ins Wasser fallen lassen, sondern mit seinem Opfer, Madame de Tourvel, Bogenschießen üben, reiten, tanzen. Die private Ballszene in einem Landhaus ist allerdings brillant, allein durch die Art der Bewegung wird angezeigt, in welchem erotischen Verhältnis der Vicomte zur jeweiligen Tanzpartnerin steht.

Auch wenn die Neuauflage der „Valmont“-DVD sehenswert ist, wird das wohl nichts daran ändern, dass Firth besonders gern als leicht verklemmter Darcy-Typ besetzt wird – erstmals 1995 in der sechsteiligen Fernsehproduktion der BBC, „Stolz und Vorurteil“. Der 1960 in Grayshott, Hampshire, geborene Firth spielte in der international erfolgreichen und bisher besten Verfilmung des Romans von Jane Austen Mr. Darcy. Ein stolzer, spröder Adeliger, der wirkt, als hätte er einen Stock im Kreuz, und als fürchte er, standrechtlich erschossen zu werden, wenn mehr als nur unmerklich Bewegung in seine Gesichtszüge käme. Die scharfzüngige Elizabeth hält ihn für einen arroganten Adeligen, bis sie erkennt, der Mann hat einfach Charakter. Er redet nicht viel, er handelt. Küssen, erkennt sie irgendwann, kann er auch ganz gut.

Verstockt, aber eben auch zuverlässig

Firths Figuren sind nicht ganz so blauäugig, dafür noch um einiges verstockter als die mit Hundeblick in die Kamera blinzelnden charming Boys, für die Kollege Hugh Grant berühmt ist. Firth wirkt zwar schmallippig, verschlossen, aber eben auch ehemanntauglich zuverlässig. Ihn aus der Reserve zu locken, ist seit „Stolz und Vorurteil“ Aufgabe fast jeder seiner Filmpartnerinnen. Sei es 2001 in „Bridget Jones“ (er hieß als Anspielung an den Austen-Roman Mark Darcy), sei es in dem Episodenfilm „Tatsächlich . . . Liebe“ (2003).

Den Oscar hätte Firth für „A Single Man“ verdient

Einen Oscar erhielt Colin Firth 2011 denn auch für seine Rolle als schüchterner stotternder König („The King’s Speech“) und nicht schon für „A Single Man“ (2009). Obwohl der Film besser war und Firth sensationell. Als er den Oscar in Empfang nahm (einmal Luft geholt, die Frau an seiner Seite geküsst, dann bescheiden, ironisch, ein bisschen langweilig) bedankte er sich ausdrücklich auch bei seinem Freund Tom Ford. Modeschöpfer und Regisseur Tom Ford hatte den Schauspieler in seinem Regiedebüt „A Single Man“ dunkel glänzen lassen. Firth verkörperte einen homosexuellen Literaturprofessor, der über den Tod seines langjährigen Geliebten nicht hinwegkommt. Seine Strenge hatte nichts Verquältes, Unfreiwilliges, Verklemmtes. Er spielte einen ernsthaften, in seinem perfekt sitzenden Anzug schönen, traurigen Mann; sein schmerzliches Lächeln war berückend.

Gentleman-Agent in „Kingsman“

Dass er in feinem Zwirn eine gute Figur macht, auch das hat ihn 2014 für Matthew Vaughns Comicverfilmung „Kingsman: The Secret Service“ empfohlen. Firth spielt einen Superagenten, der kaum mit der Wimper zuckt. „Kingsman 2: The Golden Circle“, eine Fortsetzung des Actionfilms, ist vom 28. September an in den deutschen Kinos zu sehen. Bei aller James-Bond-Parodiehaftigkeit: Colin Firth als Agent 007 ist denkbar. Ein noch englischerer Engländer ließe sich jedenfalls kaum finden – zumal in Brexitzeiten eine Option, sollte Rambo Daniel Craig nach dem nächsten Bond wirklich keine Lust mehr haben, die Welt, das Königreich zu retten.