„Diese Weiber! . . . Ich werde sie alle in Schwarz stecken!“: Audrey Tautou spielt die Modeschöpferin Coco Chanel Foto: Verleih

Ihr Parfum Chanel Nr. 5 hat es längst ins Museum für moderne Kunst geschafft. Nun wird das Leben von Coco Chanel verfilmt.

Paris - Ihr Parfum Chanel Nr. 5 hat es längst ins Museum für moderne Kunst geschafft. Nun wird Coco Chanels Leben verfilmt. Der Film endet schon mit der ersten Kollektion und zeigt doch, wie Chanels Blick auf die Frauen die Mode im 20. Jahrhundert geprägt hat.

Coco Chanel sitzt in der Oper und schaut sich um. Das Farbengemisch verursacht ihr Übelkeit. Sie sagt zu ihrem Nachbarn: "Diese Farben sind unmöglich! Diese Weiber! . . . Ich werde sie alle in Schwarz stecken!" Coco Chanel hat Wort gehalten. Sie hat das kleine Schwarze erfunden, ein Kleid, das nie aus der Mode kommt. In dem Film "Coco Chanel - Der Beginn einer Leidenschaft" mit Audrey Tautou in der Hauptrolle trägt sie es auf einem Ball. Alle Frauen verschwinden in ihren weißen Rüschenkleidern, unter den Turmfrisuren sieht man keine Gesichter. Coco Chanels schmaler Körper wird von dem Kleid umschmeichelt. Ein schwarzer Schwan. Wunderschön.

"Ich habe dem Körper der Frau seine Freiheit wiedergegeben", sagte die Modeschöpferin in ihren Erinnerungen, die Paul Morand aufgezeichnet hat. Sie, die bis zu ihrem Tod 1971 arbeitete und nie geheiratet hat, sagte damit auch: Bewege dich, sei selbstständig, unabhängig, arbeite - und sehe gut dabei aus.

Um zu zeigen, wie revolutionär diese Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts war, zeigt der Film von Anne Fontaine vor allem die Mode, die Chanel verachtete. Man sieht die Welt durch die Augen der jungen Französin, die 1883 als Tochter eines fahrenden Händlers geboren wurde, nach dem Tod der Mutter im Waisenhaus lebte, Näherin lernte, aber eigentlich Sängerin werden wollte. In einem Club sang sie unter anderem Lieder wie "Qui qu'a vu Coco", so erhielt Gabrielle Chanel den Spitznamen Coco, den sie für immer behielt. Die Kamera begleitet sie, als sie bei ihrem adeligen reichen Freund lebt, auf die Pferderennbahn, auf Partys einer dekadenten Gesellschaft, die noch dem Geist des 19. Jahrhunderts verpflichtet ist.

Ihr Blick streift über Rüschen, Schleifen, Spitzen, Schleppen. Ein Mischmasch an Stilen. Frauen sind in Korsetts eingeschnürt. Ihre Hüte sind monumentale Gebilde, bestückt mit Früchten und Federn. Sie müssen beim Reiten aufs Pferd gesetzt werden - gerade so wie eine Kirsche auf einer Torte platziert wird.

Coco Chanel trägt Hosen und schlichte Strohhüte. Sie erfindet Modeschmuck, damit man sich nicht sorgen muss, dass Juwelen gestohlen werden. Sie lässt das erste synthetische Parfum herstellen und treibt dem Duft den Boudoirgeruch aus. Sie schneidet ihr Haar kurz, damit es sie nicht mehr bei der Arbeit stört. Und ohne Arbeit geht es nicht, denn abhängig von einem Mann sein, das will sie auf Dauer nicht. Zu stolz sei sie dazu, das erzählt sie selbst und auch der Film: Coco steht da, trotzig, die Arme über der Brust verschränkt, den Kopf leicht geneigt, skeptischer Blick. Sie will niemandem etwas schuldig sein. Sie eröffnet ein Geschäft in Paris und beginnt streng zu rechnen, als sie feststellt, dass sie von der Bank nur Geld bekommt, weil ihr Freund bürgt.

Chanels Mode ist schlicht. Die Kleider sind bequem. Sie umspielen den Körper, anders als früher ist es damit aber eben auch nicht mehr möglich, überflüssige Pfunde in einem Korsett zu verstecken. Mit der neuen Silhouette verändert sich das Körperbewusstsein nachhaltig. "Um sich ihr anzupassen", erklärt Chanel, "mussten meine Kundinnen erst einmal abnehmen, was der Krieg allerdings erleichterte; sie wurden mager, mager wie Coco." Auf eine Phase der Überfülle folgt die Askese - bis heute. Chanels Stil, so behauptet der Film, setzte sich auch durch, weil es bei Männern ankam, dass sie plötzlich keine tiefen Decolletés mehr präsentiert bekamen, sondern erahnen mussten, was sich unter mönchisch hochgeschlossenen Gewändern wohl verbarg.

Ihr Sinn fürs Strenge, ihre Liebe auch für karge dunkle Farben, erklärt Chanel, stamme aus der Provinz, wo sie aufgewachsen ist: "Dass ich meine Hüte so fest auf den Kopf drückte, lag daran, dass der Wind in der Auvergne sie mir ja vom Kopf gerissen hätte. Ich war eine Quäkerin, die Paris eroberte, wie einhundertfünfzig Jahre früher die Kutte aus Genf oder Amerika Versailles erobert hatte."

Coco Chanel beobachtet und reagiert. So sieht man sie im Film, wie sie den Kleiderschrank ihres Freundes nach Krawatten, Hemden, Hosen durchsucht, sie zerschneidet, Neues daraus schöpft. Sie beobachtet Fischer bei der Arbeit und wird ihre blauweiß gestreiften Pullis für ihre Mode entdecken. Sie macht 1914 in Deauville aus Stallburschensweatern und Jockeytrikots weiche Jerseykleider für die feinen Damen. "Der Stall hatte die Tribünen erobert", notiert Coco Chanel.

Was die Männer bereits geschafft hatten, Stoffe, Mode für sich zu beanspruchen, die auch praktisch ist, tat sie ihnen nach. Emanzipation durch weibliche Imitation des Männlichen. "Coco Chanel und Jil Sander waren, vor und nach dem Krieg, die ersten Frauen, die das offen eingestanden", schreibt die Germanistin und Essayistin Hannelore Schlaffer in ihrem Buch "Mode, Schule der Frauen", "und darin liegt ihre historische Bedeutung."

Am 13. August kommt der Film „Coco Chanel – Der Beginn einer Leidenschaft“ mit Audrey Tautou ins Kino. Im Münchner Verlag Schirmer Graf ist eine Neuauflage von „Die Kunst, Chanel zu sein – Coco Chanel erzählt ihr Leben“ erschienen.