Auf der CMT können sich die Besucher über Pilger-Reisen informieren. Foto: dpa-Zentralbild

Die katholische und die evangelische Kirche haben das spirituelle Wandern im Blick. Der Tourismus-Forscher Christian Antz ruft die Kirchen auf, sich mehr um Pilger zu kümmern.

Stuttgart - Das Lied vom Heiligen Sankt Martin kennt fast jedes Kind. Und natürlich auch die Geschichte von der Mantelteilung. Der Heilige Martin ist aber auch Namensgeber für den Martinusweg, der bislang eher im Schatten des bekannten Jakobswegs gestanden ist.

Das soll sich 2016 ändern, denn der Heilige Martin feiert seinen 1700 Geburtstag. Unter dem Motto „Geh mit Gott – Pilgern in Baden-Württemberg“ haben die katholische und die evangelische Kirche das spirituelle Wandern in den Blick genommen.

Beim Kirchenempfang auf der CMT betont Bischof Gebhard Fürst, dass Pilgern helfen könne, aus statischen Denkmustern auszubrechen. „Wenn sich der Körper bewegt, bewegt sich auch der Geist“, sagt Fürst, der selbst passionierter Pilger ist. 440 Kilometer hat er in den vergangenen Jahren zu Fuß zurückgelegt.

Von Ungarn nach Frankreich pilgern

Der Martinusweg führt auf verschiedenen Routen vom ungarischen Szombathely, dem Geburtsort von Martin zum Sterbeort nach Tours. In der Diözese Rottenburg sind 1200 Kilometer des Martinuswegs ausgeschildert. Die Route führt von Tannheim bis nach Schwaigern. Es muss nicht immer Santiago de Compostela sein, wenn man den „Weg der Sehnsucht gehen will“, wie Pater Anselm Grün das Pilgern beschreibt.

Auf dem Martinusweg sind keine Karawanen mit Stab, Hut und Muschel unterwegs. Es kommt vor, dass man stundenlang alleine pilgert. Aber es geht auch gemeinsam. Ab dem 9. April bietet die Diözese für Einsteiger das Samstagspilgern an. Der Martinusweg hat das Ziel Kirchen, die nach dem Heiligen Martin benannt sind, zu verbinden.

Während Martin Luther Pilgern noch strikt ablehnte, hat es die evangelische Kirche neu entdeckt. „Für uns ist es Wandern mit Sinn und dient der Entschleunigung“, sagt Oberkirchenrat Ulrich Heckel. So führt der in 46 Abschnitt gegliederte Diakonie-Pilgerweg 460 Kilometer von Schwäbisch Hall bis Wilhelmsdorf. Für das Reformationsjahr 2017 ist ein Klosterpilgerweg geplant.

Einfachheit wird in Zukunft zum Luxus

Tourismus-Forscher Christian Antz ruft die Kirchen auf, sich mehr um Pilger zu kümmern. „Der Luxus von morgen wird die Einfachheit sein – und damit auch das Pilgern“, sagt Antz. Der Professor für „Slow Tourism“ an der Fachhochschule Westküste in Heide sieht eine Veränderung von einer Erlebnis- und Spaßgesellschaft hin zur Sinn- und Geborgenheitsorientierung. Nach seinen Erkenntnissen pilgern jährlich rund 200 Millionen Menschen. „Menschen pilgern, weil sie dabei endlich mal keine Entscheidungen treffen müssen“, sagt Antz. Gehen. Essen. Schlafen. Von diesem Rhythmus wird der Tag geprägt. Die Motive sind unterschiedlich, die einen wollen ein Vakuum in ihrem Leben füllen, die anderen sind Sinnsucher. Pilgern sei zwischen Popkultur und Religion angesiedelt. „Der Pilger ist hybrid, das heißt man erkennt nicht auf Anhieb, ob der religiös motiviert oder einfach nur Tourist ist“, sagt der Tourismusforscher.

www.pilgern-in-baden-württemberg.de