Claus Schmiedel im Haus der SPD in Ludwigsburg. „Ich muss mich neu sortieren“, sagt der 65-Jährige. Foto: factum/Bach

Für die SPD ist es eine Zäsur, für Claus Schmiedel auch: Der Fraktionsvorsitzende hat den Wiedereinzug in den Landtag verpasst, seine lange Zeit als Berufspolitiker ist damit vorbei. Wie geht er damit um?

Ludwigsburg - – Seit 24 Jahren sitzt Claus Schmiedel für die SPD im Landtag, seit acht Jahren als Fraktionsvorsitzender. Der Ludwigsburger ist einer der bekanntesten Politiker des Landes. Ende des Monats ist Schluss. Für die SPD war die Landtagswahl ein Desaster, und auch Schmiedel hat den Wiedereinzug verpasst. Im Interview spricht der 65-Jährige über die schwere Niederlage – und seine Zukunft.
Herr Schmiedel, kurz vor der Wahl sagten Sie, Sie hätten keinen Plan B für den Fall, dass es schief geht. Jetzt ist es schief gegangen. Was ist Ihr Plan?
Nun ja, ich falle ja nicht in ein existenzielles Nichts. Insofern will ich das enttäuschende Wahlergebnis jetzt erst einmal setzen lassen, bevor ich zu neuen Ufern aufbreche.
Hat Sie dieses Wahlergebnis wirklich überrascht? Die Umfragen für die SPD waren doch verheerend.
Also der Wahlkampf ist ausgesprochen freundlich für uns gelaufen. Von dieser Resonanz lebt man, vom Straßenwahlkampf, von den Hausbesuchen, und das lief durch die Bank gut. Deshalb haben wir bis zuletzt gehofft, dass es zumindest dafür reicht, dass wir die Regierung mit den Grünen fortsetzen können. Das wäre ein Trostpflaster gewesen. Dass die Wahl praktisch zur Halbierung der SPD führt, hätte ich nicht gedacht.
Woran hat es gelegen?
Auf der einen Seite gibt es eine starke Fixierung auf den aktuellen Ministerpräsidenten der Grünen, auf der anderen Seite haben offenbar viele Wähler Wut im Bauch, wogegen auch immer, und deswegen die AfD gewählt.
Sie sitzen seit 24 Jahren im Landtag, waren acht Jahre Fraktionsvorsitzender – und jetzt ist die politische Karriere plötzlich beendet. Haben Sie das schon verarbeitet?
Mit geht es jetzt nicht wirklich gut, aber ich habe auch keine Depressionen. Es ist eher eine gewisse Traurigkeit, und ich muss mich neu sortieren. Es war eine sehr lange Zeit, und auch für die ganze SPD ist die Situation sehr deprimierend. Ich glaube, ich erhole mich schneller als die SPD.
Haben Sie Fehler gemacht?
Natürlich fragt man sich nach einer solchen Niederlage, was man hätte anders machen können, wie man das hätte verhindern können. Es ist eine schwere Frage. Ich denke, die SPD muss insgesamt dafür sorgen, ein erkennbares eigenes Profil zu schärfen, auch im Bund. Die Merkel-CDU macht ja die Kernanliegen der SPD alle mit, da ist das schwer.
Wie können Sie noch daran mitarbeiten?
Meine Zeit als Berufspolitiker ist vorbei. Aber ich werde der SPD ehrenamtlich erhalten bleiben. Ich sitze ja im Kreistag, dafür habe ich jetzt wieder etwas mehr Zeit.
Sie hätten sicher beste Chancen auf einen Sitz im Ludwigsburger Gemeinderat.
Das steht nun gerade nicht an, darüber kann man sich unterhalten, wenn sich die Frage stellt. Aber ich schließe nichts aus.
Gibt es Dinge, auf die Sie sich nun freuen, und für Sie bisher nie Zeit hatten?
Ich habe endlich mehr Zeit für meine Familie. Ich freue mich darauf, künftig am Samstag bei schönem Wetter einfach mal auf dem Ludwigsburger Marktplatz sitzen zu bleiben und die Atmosphäre zu genießen. Und Skat spielen, das habe ich früher gerne gemacht, aber zuletzt kaum noch, weil die Zeit fehlte.
Und Sie kochen gerne.
Ja, kochen ist wunderbar. Aber meine Frau sagt immer, ich koche zu langsam, insofern passt es, dass ich dafür jetzt mehr Zeit habe. Kürzlich habe ich für die ganze Familie Bucatini alla Siciliana gemacht.
Können Sie gut abschalten?
Ich glaube schon, dass ich mich treiben lassen und das Leben lockerer angehen kann, ja. Allerdings gehe ich davon aus, dass ich auch in Zukunft nicht ganz ohne Termine sein werde. Einige Einladungen zu Empfängen und Veranstaltungen werden schon eintrudeln, und da werde ich dann auch hingehen. Ich werde mich nicht ins Schneckenhaus zurückziehen.
Sie waren lange in einer einflussreichen Position, hatten etwas zu sagen, zu entscheiden: Wird Ihnen das fehlen?
Das Sitzen in der ersten Reihe ist nichts, was einem fehlen muss. Schön war, dass man in dieser Rolle Dinge beeinflussen kann. Diese 24 Jahre waren ja nicht folgenlos. Zum Beispiel das Film- und Medienzentrum , das hier in Ludwigsburg errichtet wurde – damals habe ich mit der Stadt darüber verhandelt. Dass Stuttgart 21 kommt, ist vielleicht nicht ganz unmaßgeblich mir zu verdanken. Dass wir jetzt eine Gemeinschaftsschule in Ludwigsburg haben und weitere bekommen werden, ist das Ergebnis unserer Regierungsarbeit. Das sind dauerhafte Zeugnisse unserer Arbeit.
Jetzt kommt eine neue Regierung ans Ruder, und alles deutet auf Grün-Schwarz hin. Wie beurteilen Sie das?
Bisher kann ich in diesen Verhandlungen keine Substanz erkennen, es geht ja eher um Banalitäten. Alle wollen die Schuldenbremse einhalten, alle wollen gute Bildung – das sind alles Leerformeln. Spannend wird es erst, wenn es konkret wird, etwa in der Frage: wie geht es weiter mit der Gemeinschaftsschule?
Ist Grün-Schwarz dennoch das logische Bündnis nach dieser Wahl?
Es führt jedenfalls kein Weg daran vorbei, es zu versuchen. Die Leute würden nicht verstehen, wenn man mit diesem Wahlergebnis gar nichts macht.