Direkt neben der Kultureinrichtung Theaterhaus ist Wohnungsbau nicht möglich. Stuttgarts Baubürgermeister hahn will das Areal der einstmals geplanten City Prag trotzdem als Wohnstandort. Foto: Theaterhaus

Stuttgart braucht mehr Wohnungen – da kommt auch das Areal der einstmals geplanten City Prag neu ins Visier. Ausgerechnet jetzt stellt sich aber heraus, dass vom Theaterhaus Stuttgart so viel Lärm ausgeht, dass Wohnungen direkt daneben nicht möglich sind.

Stuttgart - Ein neues Lärmgutachten, das zurzeit von der Stadtverwaltung ausgewertet wird, hat die kompletten Bemühungen um Wohnungsbau auf dem Gelände der City Prag ins Wanken gebracht. Das Ergebnis der Expertise: Nach 22 Uhr geht vom Theaterhaus noch so viel Lärm aus, dass direkt daneben keine Wohnungen möglich sind. Das liegt nicht etwa an den Schauspielern, Tänzern, Musikern oder Kabarettisten, die drinnen in den Sälen das Publikum unterhalten. „Diese Säle sind in guter Qualität lärmgedämmt“, sagt Matthias Hahn, der Bürgermeister für Städtebau und Umwelt.

Es geht vielmehr um den Logistikbetrieb auf der Rückseite des Theaterhauses zur Daimler-Bank hin. Dort, wo die Musik der Jahrhunderte ihren Platz im Theaterhauskomplex hat. Nachts wird hier die Ausrüstung der im Theaterhaus gastierenden Ensembles und Musikgruppen in Lastwagen verladen und zum nächsten Tourneeort gekarrt. Das sei, sagt Theaterhaus-Chef Werner Schretzmeier, keine Eigenart seines Hauses, sondern ein Vorgang wie in 150 anderen Spielstätten in der Republik.

Erste Überlegungen, wie dieser Lärm einzuhausen wäre, hat es gegeben. Die Fortentwicklung des Theaterhauskomplexes würde aber mehr als zwei Millionen Euro kosten, sagt Hahn. Die Sache wird wohl nicht in Frage kommen. Auf jeden Fall soll das Theaterhaus keinen Schaden haben, nur weil die Stadt in der Nachbarschaft gern Wohnungen errichten lassen möchte. „Wir haben klar entschieden, dass das Theaterhaus ein hochwertiger Beitrag zur Kultur in Stuttgart ist und der Konflikt nicht zu seinen Lasten entschieden wird“, sagt Hahn.

Vermeintliche Investoren als windige Geschäftsleute

Man wird andere Opfer bringen müssen. Direkt neben der Verladestation des Theaterhauses wollte die Bülow AG ein Wohnhochhaus bauen. Es könnte, so haben sich das viele Verantwortliche der Stadt vorgestellt, eines von vielleicht vier Hochhäusern sein, die auf dem Areal zwischen dem Theaterhaus, der Stresemann- und der Maybachstraße wünschenswert seien. Die Pläne dafür sind schon alt. Sie hatten den Titel City Prag. Sie wurden wieder aufgenommen, als die Idee eines riesigen Trump-Towers, vom damaligen OB Wolfgang Schuster überschwänglich begrüßt und gefördert – wie ein Kartenhaus wieder in sich zusammengebrochen war. Die vermeintlichen Investoren hatten sich als windige Geschäftsleute entlarvt. Vor etwas mehr als einem Jahr verständigte sich eine Gemeinderatsmehrheit darauf, dass vier mäßig hohe Hochhäuser das Ziel für die City Prag bleiben sollen. Die Grünen indes wollten nur noch ein Hochhaus mittragen: Bülows Wohnhochhaus.

Dieses Projekt ist nun besonders gefährdet. Ein Hotel an dieser Stelle wäre ohne weiteres möglich, sagt Bürgermeister Hahn. Büros natürlich auch. Nur Wohnungen nicht. Anwohnern kann der nächtliche Lärm nicht zugemutet werden – und nicht einmal bauliche Vorkehrungen wie besondere Fenster und Lüftungen scheinen dagegen etwas auszurichten. Ines Aufrecht, Leiterin der städtischen Abteilung für Wirtschaftsförderung, sieht aber auch alle anderen denkbaren Bauvorhaben von dem Gutachten betroffen: nicht nur die auf städtischen Grundstücksflächen wie das Bülow-Projekt, sondern auch jene auf den Grundstücken der einstigen Teppichhandelsfirma Sabet und der Akad-Hochschule, die auch verschiedentlich als Teil einer Neubaulösung gehandelt wurde. Wenn das Lärmgutachten besage, dass Wohnen nicht möglich sei, dann wäre das halt so und man müsse auf Gewerbe setzen, meint Aufrecht. Das Problem: Manche Investoren wollen Wohnungen bauen, damit sich ihr Vorhaben rechnet.

Areal mit Potenzial für rund 300 Wohnungen

In Zeiten, da Stuttgart um mehr Wohnungsbau ringt und OB Fritz Kuhn (Grüne) das Thema auf seine Fahne geschrieben hat, ist Hahn aber nicht zur Kapitulation bereit. Er denkt an einen Gewerbebau neben dem Theaterhaus, der andere Gebäudekomplexe mit Wohnungen vor dem Lärm schützt. „Die erste Schicht der Neubebauung kann kein Wohnen sein“, räumt Hahn ein. Dahinter aber, besonders nach Süden zur Stresemannstraße und nach Westen zur Maybachstraße, hält Hahn Wohnungen für möglich. Wie viele und wie hoch? Das werden die nächsten Monate zeigen müssen.

Hahn möchte den Wohnungsanteil im Vergleich zum geltenden Bebauungsplan sogar steigern. Bisher sind, wenn man nicht ausgenutzte Wohnbaumöglichkeiten auf dem Areal der Daimler-Bank und des Theaterhauses auf die Nachbarschaft überträgt, 30 bis 40 Prozent statt des Durchschnittswertes von 25 Prozent möglich. Da die Anwaltskanzlei Gleiss/Lutz ins Stadtzentrum ziehe, ergebe sich eine weitere Spielmasse. Das komplette Areal habe Potenzial für rund 300 Wohnungen, glaubt Hahn. Zusammen mit etwa 200 Wohnungen, die jenseits der Maybachstraße vorgesehen sind, könnte die City Prag immer noch stattlicher Wohnstandort werden. Bis zum Jahresende, so Hahn, soll sich das Konzept „stabilisiert“ haben.