Der Circus Krone ist nicht allein mit seinen Nöten. Es gibt zahlreiche andere Zirkusse in Deutschland. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Zirkusse zählen zu den von der Pandemie am heftigsten getroffenen Unternehmen. Je größer sie sind, desto schlimmer ist es. Das zwingt zu verrückten Ideen.

München - Martin Lacey erinnert sich noch gut an den 12. März dieses Jahres. „An dem Tag wurde alles gestoppt“, sagt der britische Chef des Circus Krone, dem mit jährlich 1,5 Millionen Besuchern weltgrößten seiner Art. Schluss war Corona-bedingt sowohl mit der auslaufenden Wintersaison im firmeneigenen Krone-Bau in München als auch einer parallel begonnenen Deutschland-Tournee. In Augsburg stand damals ein Großzelt, in Mannheim wurde gerade der nächste Stopp vorbereitet.

„Echt Bio“ der besonderen Art pro Glas für fünf Euro

„Das war eine Katastrophe“, sagt der Ehemann von Zirkus-Erbin Jana Lacey-Krone mit britischem Akzent. „Wir haben 35 000 Euro laufende Kosten pro Tag, eine Million Euro pro Monat“, umreißt er die Dimension der finanziellen Verpflichtungen. Ans Aufgeben denkt die Krone-Familie bis heute nicht. Zwar konnten die laufenden Kosten um ein Drittel auf 12 000 Euro pro Tag gesenkt werden. An baldige Wiederaufnahme des Spielbetriebs ist jedoch nicht zu denken. „Aber wir hatten ein paar verrückte Ideen“, sagt Löwentrainer Lacey humorig. Dazu zählt er eine im Krone-Bau eingerichtete und für Fahrzeug-Insassen absolut Corona-sichere Waschstraße für Autos, wo von Clowns per Hand geputzt und gewienert wurde.

In der Manege des normal 3000 Zuschauer fassenden Krone-Baus hat er persönlich vor 200 weit auseinander sitzenden Besuchern zur Raubtierprobe geladen, als das in der Pandemie noch erlaubt war. Dazu kamen Führungen mit Pferden, Kamelen, Zebras und Lamas auf der Circus Krone-Farm im Münchner Umland und natürlich der Verkauf von Löwenkot. Der kostet fünf Euro das Glas. „Löwenkot vertreibt Katzen und Marder“, preist Lacey das natürliche Wundermittel, das unter der Marke „Echt Bio“ im Krone-eigenen Mr.-Poo-Shop angeboten wird. Es habe sich schnell herumgesprochen, dass Löwenkot absolut sicher wirkt, wenn man Nachbars Katze nicht in seinem Garten haben oder Marderbiss am Auto vermeiden will.

In Deutschland sind rund 300 Zirkusse unterwegs

Mit diesem Geschäft werde aber nicht der Circus Krone subventioniert, stellt Lacey klar. Dieser Erlös fließe in einen gemeinnützigen Verein zur Verbesserung von Haltungsbedingungen für Tiere. Der Circus Krone ist nicht allein mit seinen Nöten. „Geschätzt gibt es circa 300 Zirkusse in Deutschland“, sagt Ralf Huppertz. Er ist Chef des Verbands Deutscher Circus-Unternehmen. Die meisten davon seien kleine Familienunternehmen. Mittlere und größere Betriebe gebe es etwa 20 bundesweit. In die Dimension des Circus Krone komme kein zweiter. Auch Huppertz sieht den 102 Jahre alten Traditionszirkus als weltgrößten, nachdem andere Traditionsbetriebe schon vor Jahren aufgeben mussten.

Von den kleinen Zirkussen wird wohl keiner aufgeben

Die Masse der kleinen Familienbetriebe habe für die ersten drei Corona-Monate 9000 Euro Soforthilfe für den Betrieb erhalten. Dazu seien persönliche Hilfen vom Jobcenter gekommen und Geldspenden aus der Bevölkerung, die auch der Circus Krone über Tierpatenschaften erhalten hat. Für kleinere Betriebe seien im Herbst auch Gastspiele mit reduzierter Sitzplatzkapazität möglich gewesen. Hart sei es trotzdem, stellt Huppertz klar. „Ich glaube aber nicht, dass wirklich jemand aufgibt“, sagt er zumindest für kleine Zirkusse mit geringen laufenden Kosten. Anders sieht es bei den größeren Betrieben aus. Die hätten im März, als der Lockdown kam, gerade bis zu sechsstellige Summen zur Saisonvorbereitung ausgegeben. „Diese Investition ist komplett im Mülleimer gelandet“, bilanziert Huppertz.

Staatlichen Soforthilfe stünden bei einem größeren Zirkus etwa zehnmal höhere laufende Kosten gegenüber. Für große Zirkusse hätten sich auch Gastspiele mit nur einem Drittel der Sitzplätze nicht rentiert. Ohne Kredite hätte deshalb kaum einer dieser Betriebe überlebt. Auch der Circus Krone hat sich bei seiner Hausbank eine Kreditlinie gesichert, wenn auch noch nicht in Anspruch genommen. In Aussicht stehe nun eine Überbrückungshilfe für Januar bis Juni 2021, blickt der Chef des Zirkusverbands in die nahe Zukunft. „Wenn die kommt, hoffe ich, dass unsere Branche es größtenteils übersteht“, sagt Huppertz.

Ein Optimist sieht schwarz für die Wintersaison

Auch wenn es derzeit unabsehbar sei, wann größere Zirkusse wiedereröffnen können. Letzteres weiß auch Lacey nicht. Für die eigentlich im Krone-Bau im Dezember beginnende Winterspielzeit sieht er jedenfalls schwarz. „Es schaut nicht gut aus“, räumt der sonst chronisch optimistische Zirkus-Chef ein. Seine Hoffnungen ruhen realistisch gesehen eher auf der Sommersaison 2021, für die Krone fast 200 Zirkuswagen in Bewegung setzt. Ewig könne man sich jedenfalls nicht mit Kurzarbeitergeld, Überbrückungshilfen und verrückten Ideen über Wasser halten. „Entlassen haben wir niemanden“, stellt Lacey klar. Von den 250 internationalen Artisten und sonstigen Mitarbeitern seien aber 150 mittlerweile in ihre Heimatländer zurückgekehrt. Die anderen hundert Leute lebten seit März in Zirkuswagen sowie Wohnungen auf dem Krone-Gelände und würden über die Betriebskantine verpflegt. Noch weniger als Entlassungen kann der Krone-Chef sich einen Notverkauf von Tieren vorstellen. „Die gehören zur Familie“, stellt er klar und wird trotzig. „Der Circus Krone hat zwei Weltkriege überstanden“, sagt er und will nun auch der Corona-Krise trotzen.