Stefan Krebs ist IT-Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung. Foto: dpa

Ausgerechnet als das Desaster bei der Bildungsplattform „ella“ bekannt wird, bewirbt sich der IT-Beauftragte der Landesregierung um den Titel „CIO des Jahres 2018“. Dass er auch noch Bronze gewinnt, bringt so manchen zum Kopfschütteln.

Stuttgart - Eigentlich kennt man Katrin Müller-Hohenstein aus dem ZDF-Sportstudio. Als die Moderatorin Ende voriger Woche im Festsaals des Bayrischen Hof in München im beigefarbenen Ballkleid auf der Bühne steht, interviewt sie jedoch weder Bundestrainer Joachim Löw noch irgendwelche Fußballstars. Nein, sie moderiert die Preisverleihung zum IT-Chef des Jahres 2018.

Seit nunmehr 16 Jahren zeichnen die „Computerwoche“ und das „CIO-Magazin“ die Leistungen von strategischen IT-Chefs eines Unternehmens oder einer Behörde, die sogenannten Chief Information Officer (CIO), aus. Einer der Preisgekrönten an diesem Abend ist Stefan Krebs, seit 2015 der Beauftragte der baden-württembergischen Landesregierung für Informationstechnologie (IT). In der Kategorie „Public Sector“, dem öffentlichen Bereich, belegt er den dritten Platz – hinter Markus Schmitz (Bundesagentur für Arbeit) und Stephan Spieleder (Versicherungskammer Bayern). „In erster Linie ist das keine persönliche Auszeichnung, sondern ein Ausdruck für den großen Erfolg der Landesregierung und ihrer Bemühungen, die Digitalisierung pro-aktiv und ganzheitlich zu gestalten“, sagt Krebs.

Digitalisierungsstrategie als Herzstück der Bewerbung

Laut Innenministerium, unter dessen Dach der IT-Chef des Landes angesiedelt ist, hatte Krebs sich im Kern mit der Digitalisierungsstrategie des Landes um die Auszeichnung zum „CIO des Jahres 2018“ beworben, die die Bemühungen aller Ressorts auf diesem Feld bündelt. Auch die Neuordnung der IT-Strukturen habe eine Rolle gespielt. Der CIO habe in der Bewerbung die Chance gesehen, die Vorreiterrolle, die das Land mit seiner Digitalisierungsstrategie inne habe, „weiter zu verfestigen und über Baden-Württemberg hinaus zu verankern“, erläutert eine Ministeriumssprecherin.

Tatsächlich hat Baden-Württemberg 2017 als erstes Bundesland eine landesweite, ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie erstellt. Eine unabhängige Jury aus Wissenschaft und Wirtschaft war offensichtlich beeindruckt und bewertete anhand der Angaben von Krebs, dass die Umsetzung der Strategie wie auch das IT-Management „mit zeitgemäßen Ansätzen bearbeitet beziehungsweise koordiniert“ werden. All dies „in einem komplexen, staatlichen Umfeld“ zu leisten, sei nicht selbstverständlich, adelten die Experten.

Fehlentwicklungen bei „ella“ lange nicht mitbekommen

Doch wie läuft die Umsetzung der Strategie? Die Bildungsplattform „ella“ für Lehrer und Schüler, eines der digitalen Leuchtturmprojekte schlechthin, musste gestoppt werden. Sie gilt als vorerst gescheitert. Krebs, obwohl für die Aufsicht der Landes-IT zuständig, hatte von den Fehlentwicklungen lange nichts mitbekommen. Und auch als er im Februar davon erfuhr, vertraute er lieber auf Versprechungen des Dienstleisters Iteos statt sich den Schwierigkeiten zu widmen. Das Ergebnis: Nach Lage der Dinge sind Steuergelder von mindestens 6,5 Millionen Euro verloren. Lehrer und Schüler werden wohl noch Jahre warten müssen.

Besonders brisant: Wie unsere Zeitung aus dem Innenministerium erfuhr, bewarb sich Krebs am 29. Juni 2018 – also kurz nachdem ein von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) in Auftrag gegebenes Gutachten der Bildungsplattform massive Mängel attestiert hatte.

Scharfe Kritik von FDP-Fraktionschef Rülke

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kann das nicht fassen. „Wir würden uns wünschen, dass sich führende Stellen des Innenministeriums in erster Linie mit der Digitalisierung als Schlüssel für die Zukunft des Landes befassen, anstatt an Preisausschreiben teilzunehmen“, kritisiert der Liberale. Dass die Bewerbung parallel zum Scheitern der Bildungsplattform stattgefunden habe, sei „fast schon makaber“. Der Preis sei vor dem Hintergrund des Fiaskos „schlicht peinlich“, sagt Rülke: „Es wäre anständig, Herr Krebs würde auf seinen dritten Platz verzichten und sich zur Abwechslung mal seiner Kernaufgabe zuwenden.“

Auch drohende Probleme beim Übergang des Geodatenzentrums aus dem Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung zur zentralen IT-Behörde des Landes BITBW, die dem IT-Chef unterstellt ist, soll Krebs nicht ernstgenommen haben. Agrarminister Peter Hauk (CDU) stoppte das Projekt – aus Angst, die Subventions-Auszahlungen an die Bauern könnten nicht funktionieren. Zuletzt wurde zudem bekannt, dass sich die flächendeckende Einführung der elektronischen Akte für die Landesverwaltung um voraussichtlich mehrere Jahre verzögert. In der grün-schwarzen Koalition reagieren einige beim Wort CIO nur noch mit Sarkasmus. „Was soll’s?“, spottet ein Grüner, „wenigstens haben wir Bronze.“