Urs Renninger im Keller: Bis sein Cidre fertig ist, braucht es ein Jahr. Regelmäßig misst er den Zuckergehalt des Safts. Foto: factum/Granville

Urs Renninger aus Ditzingen studiert Agrarwissenschaften und stellt aus Streuobst Cidre nach französischem Vorbild her. Es ist ein Hobby, mit dem er auch alte Obstsorten retten möchte. In diesem Jahr rechnet er mit einer Rekordausbeute.

Ditzingen - Von außen ist nicht zu ahnen, was sich hinter der Kellertür in dem alten Haus verbirgt: 16 Edelstahlfässer mit 45 bis 300 Liter Fassungsvermögen lagern in zwei kalten Räumen in der Ditzinger Autenstraße. 15 davon sind gefüllt mit Birnen- und Apfelsaft. Etwa ein halbes Jahr gären die Säfte in den Fässern, dann werden sie in Flaschen abgefüllt und dürfen noch einmal ein halbes Jahr reifen: Aus dem Saft soll prickelnder Cidre werden.

Urs Renninger, Student der Agrarwissenschaften und Herr über den künftigen Cidre, kommt regelmäßig zum kontrollieren. Dann lässt er aus den Fässern etwas Saft ab und misst per Mostwaage den Zuckergehalt. Je länger Saft reift, desto vollständiger wird der Fruchtzucker in Alkohol umgewandelt. Beim Cidre, der ursprünglich aus der Bretagne und der Normandie stammt, wird dieser Prozess früh gestoppt. Wenn sich also zu viel Zucker in Alkohol umgewandelt hat, muss der Student handeln. Dann füllt er den Saft in das leere Fass um, wobei er ihm die Hefe und einen Teil der Nährstoffe entzieht. Denn sonst gärt er zu schnell, und die gewünschte Restsüße geht verloren.

Die meisten Äpfel sind nicht bitter genug

Renninger ist inzwischen Experte in der Cidre-Herstellung. Die nächste Charge wird seine achte sein. Angefangen hat er mit zwei Fässern – als Hobby und nur für die Familie. Seine Begeisterung für den Apfelschaumwein hat der 25-Jährige im Land des Cidre entdeckt. Nach dem Abitur zog es ihn 2011 für ein freiwilliges soziales Jahr auf eine Cidre-Farm in die Nähe von Lyon, im Südosten Frankreichs. Dort hat er innerhalb eines Jahres alle Arbeitsschritte der Cidre-Herstellung gelernt. „Das wollte ich daheim auch anwenden.“

Aus dem Obst der elterlichen Streuobstwiesen habe der Vater oft Apfelwein hergestellt. Renninger aber wollte Cidre machen. Doch „unsere heimischen Äpfel sind nicht so bitter und aromatisch wie die französischen. Die haben mehr Gerbstoffe“. Damit der Ditzinger Cidre den typischen Geschmack erhält, mischt Renninger die Äpfel mit Quitten oder Speierling – einem heimischen Wildobst.

Er entdeckt Bäume mit alten Sorten

Nicht alle Ditzinger Äpfel brauchen diesen Zusatz. „Anfangs dachte ich, es gibt diese Art von bitteren Äpfeln bei uns gar nicht. Dann habe ich durch Zufall auf unserer Streuobstweise doch einen solchen Apfelbaum gefunden.“ Der Hemminger Pomologe Matthias Braun habe ihn auf eine weitere heimische Sorte aufmerksam gemacht, beziehungsweise auf einen Baum, an dem solche hängen. „Mit diesen besonders bitteren und aromatischen Äpfeln kann ich eine Cuvée aus heimischen Äpfeln herstellen, ohne Zusatz“, freut sich der Ditzinger.

Seinen Cidre aus Hemminger Bohnäpfeln produziert er exklusiv für die Gemeinde Hemmingen. „Die kauft mir den Cidre ab und nutzt ihn als Geschenk für Gäste.“ Mehr als zehn Mischungen hat Renninger im Angebot. Rund 1000 Flaschen hat er bisher jährlich produziert. In diesem Jahr soll sich der Ertrag auf 3800 Flaschen fast vervierfachen. Sechs Tonnen Äpfel, Birnen, Speierling und Quitten hat Renninger im Herbst von rund 300 Ditzinger Obstbäumen geerntet. Die Früchte sortiert und wäscht er, bevor er sie zu Saft presst. „Bei mir ist alles natürlich. Ich gebe weder Zucker noch Hefe noch sonst was dazu.“

Flaschen gibt’s im Direktverkauf

Die Bäume pflegt Renninger im Auftrag der Stadt Ditzingen und darf sie dafür ernten – und er hat Absprachen mit Besitzern, die sich meist darüber freuen, dass „einer die Wiese in Ordnung hält und das Obst verwenden kann“. Er selbst hat überdies spezielle Sorten für den Cidre gepflanzt. „Da ich allerdings nur Cidre aus Streuobst mache, braucht es lange, bis die Bäume erntereif sind. In zehn bis 15 Jahren kann ich wohl die ersten Äpfel verwenden. Bei Streuobst muss man in langen Zeiträumen denken.“ Schade findet er, dass von den alten, bitteren Apfelsorten nur noch wenige bestehen. „Das Wissen über die Streuobstwiesen geht verloren.“

Sein Engagement wurde vorigen Monat gewürdigt: Renninger ist Preisträger des Landeswettbewerbs „Innovationen und Start-ups in der Land- und Ernährungswirtschaft“. Zu haben ist sein Cidre im Ditzinger Hofladen von Frank Hagenlocher und im Blumenhaus Renninger-Schneider. Eine Flasche kostet 7,50 Euro. Langfristig möchte Renninger sein Getränk auch in einem Onlineshop vertreiben – und irgendwann davon leben. „Eigentlich bin ich ein Fan vom Direktverkauf. Dabei komme ich mit den Kunden ins Gespräch und kann ihnen erklären, wie der Cidre hergestellt wird und wo er herkommt. Es soll kein anonymes Regalprodukt sein“, sagt er. Schließlich werde es nicht am Fließband produziert, sondern „ist ein qualitativ hochwertiges und handwerkliches Produkt“.