Christopher Goelz und Jakob engagieren sich gemeinsam für Guinea – auch wenn es mal knirscht. Foto: privat

Vor sieben Jahren hat Christopher Goelz den damals knapp 18-jährigen Jakob, einen Flüchtling aus Guinea, adoptiert. Jetzt haben Vater und Sohn in Jakobs Heimatstadt Kindia eine Schule für 840 Kinder eingeweiht. Wie es dazu kam.

Die Buben tragen kurze Hosen und Hemden in sonnigem Gelb, die Mädchen rot- und blau-weiß karierte Kleider: Schulkinder auf dem Weg zum Unterricht, der aber an diesem 15. Oktober 2024 nicht gleich beginnt. Erst einmal werden Gäste bejubelt: Christopher Goelz und sein Adoptivsohn Jakob, die diese Ecole privée Selma in Jakobs Heimatstadt Kindia in Guinea gegründet und gebaut haben und zur offiziellen Eröffnung der gesamten Anlage gekommen sind. Hunderte Erst- bis Siebtklässler umringen Goelz, verwuscheln ihm die blonden Haare, singen ihre Nationalhymne, folgen dann aber brav den Lehrkräften in die Klassenzimmer und hören Jakob zu, der ihnen von seiner neuen Heimat Schwaben erzählt. Und dass man dort am liebsten Spätzle esse.

 

Der junge Mann hatte eine abenteuerliche Flucht hinter sich

Vater und Sohn haben dieses Video gedreht und den Titel „Von Mensch zu Mensch, von Land zu Land, von Herz zu Hand“ gegeben. Er gilt für die ganze Geschichte dieser beiden Menschen, die ein weiteres Motto beherzigt haben: „Nie aufgeben.“ Auch wenn das Miteinander manchmal nicht einfach ist. An dieser Haltung hat Christopher Goelz, studierter Maschinenbauer und selbstständiger Energieberater, schon keinen Zweifel gelassen, als wir vor drei Jahren zum ersten Mal über ihn und seinen Adoptivsohn berichtet haben: Den damals 55-Jährigen aus Oberwälden beschäftigte das Schicksal der vielen Flüchtlinge, er wollte eine Patenschaft übernehmen und hatte daher mit dem Göppinger Jugendamt einen Besuch in einer Flüchtlingsunterkunft vereinbart. Hier traf er Jakob, damals noch Yakhouba, 17 Jahre alt, der eine abenteuerliche Flucht aus Guinea über Mali, Libyen, Italien, oft in Lebensgefahr, hinter sich hatte. Und keinerlei Aussicht auf Asyl, denn allein die Verheißung eines besseren Lebens hatte den jungen Mann aus Guinea fortgelockt, wo weder Krieg noch Verfolgung herrschen. Goelz war das klar, aber „Bauchgefühl und Herz“, so seine Worte, hätten den Ausschlag für Jakob gegeben. Schon ein Jahr später hat er die Adoption beantragt und sich dabei auch nicht vom ursprünglichen Misstrauen von Mutter und Bruder beirren lassen. Dennoch nüchtern genug, um sich nicht der Illusion problemloser Harmonie hinzugeben.

Jakob und Christopher Goelz bei einem Besuch in Guinea. Foto: privat

Er habe einen Sechser im Lebenslotto gewonnen, haben wir damals über Jakob geschrieben. „Aber er muss selbst was daraus machen“, hatte Goelz betont. Ist das gelungen? „Wir sind ein extrem starkes Team“, gibt Goelz darauf die Antwort. Vater und Sohn sind längst wieder aus Guinea zurück, wir sitzen im Haus in Oberwälden, es ist schon weihnachtlich geschmückt, der Blick auf die Stauferberge überwältigend schön. Jakob hat einen Arbeitstag im Supermarkt hinter sich. Dass er für die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann nicht immer den nötigen Lerneifer an den Tag gelegt hat, war nicht der einzige Anlass zu Auseinandersetzungen. Immer wieder hat es geknirscht. Wie überall zwischen den Generationen. Was hier noch dazukommt, formuliert Jakob in fast fehlerfreiem Deutsch: „Das Heimweh, die fremden Menschen, eine fremde Kultur.“ Und wohl auch das Gefühl einer gewissen Abhängigkeit: „Dann rebelliert er“, kommentierte Goelz. Da waren wohl beide manchmal etwas verzagt, wussten nicht weiter. Aber immer galt: Nie aufgeben. Goelz hat seinen Schritt nie bereut: „Da gibt es kein Zurück. Er ist mein Sohn und ich würde alles für ihn tun.“

Jetzt sind sie stolz auf das gemeinsame Projekt: Die Schule, die zu Ehren der mittlerweile verstorbenen Mutter Goelz Selma genannt wurde und jetzt für den Ausbau bis zum Abitur, hier Baccalauréat, groß genug ist. Dafür wurden der Verein Amis de Guinée ( https://amis-guinee.de ) gegründet und die Baukosten in Höhe von 65 000 Euro mit Spenden und zinslosen Darlehen aufgebracht. Ausgerichtet ist sie auf 840 Kinder, 473 werden bereits von 18 Lehrkräften unterrichtet. Das Schulgeld beträgt fünf bis neun Euro im Monat, je nach Klassenstufe. Dafür werden weitere Paten benötigt. Ein paar Wünsche sind auch noch offen: ein Sportplatz, ein Brunnen und Tablets. Aber dafür braucht es erst einmal das Internet.

Stürmischer Empfang: Christopher Goelz und sein Adoptivsohn Jakob beim Besuch der von ihnen gegründeten Ecole privée Selma in Kindia. Foto: privat

Goelz plant schon das nächste Projekt: Ein medizinisches Zentrum, das Grundstück dafür ist schon gekauft. Denn die medizinische Versorgung sei in der Stadt mit 190 000 Einwohnern völlig unzureichend. Goelz weiß auch, dass es hier um andere finanzielle Dimensionen geht und er hat eine Vision: Einen Bauunternehmer, dem er die Idee eines Lehrlingsaustausches zwischen dem westafrikanischen Land und Schwaben schmackhaft machen kann, denn „man kann mit wenig so viel bewegen.“

Jakob ist inzwischen selbst Vater geworden

Für Jakob heißt das wichtigste Projekt Familienzusammenführung. Denn er hat geheiratet und ist seit April Vater. Doch Mutter Matilde und Tochter Aminata leben noch in Kindia. „Ich muss sparen“, sagt er, „für eine eigene Wohnung, damit ich sie zu mir holen kann.“ Goelz, begeisterter Großvater, nickt beifällig: „Am Ende wird alles gut.“