Durchgestrichenes Plakat auf dem Schlossplatz für eine Veranstaltung mit der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken in Stuttgart. Foto: Jörg Dinkel-Nervela

„Nicht mit uns!“ – so lautet das Motto des CSD in Stuttgart für 2023. Der Appell soll eine klare Antwort auf Hasskommentare und Gewalt gegen queere Menschen sein. Immer mehr, etwa das Weindorf, beklagen homophobe Beleidigungen in den sozialen Medien.

Aus Berlin wird am Freitag die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken nach Stuttgart reisen, um als Schirmherrin des Christopher Street Days (CSD) in Stuttgart am Rathausempfang für die Rainbow-Community mit Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) teilzunehmen. „Immer häufiger berichten queere Menschen von seelischer und körperlicher Gewalt im selbstverständlichsten Schutzraum – dem öffentlichen Raum“, beklagt Parteichefin Esken. Dies müsse endlich ein Ende haben.

 

Im Erinnerungsort Hotel Silber wird Esken am Samstag Gast einer „Dialogrunde“ sein. Thema: „Gewalt gegen Queer – Erkennen und Handeln.“ Wie nötig die Auseinandersetzung mit erneut wachsender Homophobie ist, zeigt ein Plakat, das auf dem Schlossplatz für die Veranstaltung wirbt: Unbekannte haben es mit dicker schwarzer Farbe durchgestrichen.

Pro Stuttgart „erschüttert über Kommentare zum Weindorf“

Dass die viel gerühmte Toleranz und Akzeptanz einer bunten Vielfalt trotz der Ehe für alle und der Regenbogen-Fahnen an den Konzernzentralen großer Unternehmen nicht überall angekommen ist, wird in diesen Tagen vor dem Start des CSD in Stuttgart immer wieder beklagt. „Wir sind erschüttert über Kommentare auf der Facebook-Seite des Weindorfs“, sagt Jens Zimmermann, der Vorsitzende des Vereins Pro Stuttgart. Weil bei dem beliebten Stadtfest zum sechsten Mal eine „Stunde der Vielfalt“ (erstmals in der neuen Kulturlaube) stattfinden soll, war in der Ankündigung von Usern mit Klarnamen unter anderem zu lesen: „Jetzt weiß ich, wohin ich nicht hingehen sollte. Dann können die Diskriminierten ganz unter sich sein.“

Auch die Werbekampagne für die ErlebnisCard der Region Stuttgart, deren Gesicht Frl. Wommy Wonder ist, wird in den sozialen Medien zum Ziel von Beschimpfungen. „Erst gab es fast nur Lob, jetzt aber häufen sich negative Kommentare“, berichtet die Travestiekünstlerin und vermutet, dass „unzufriedene Menschen“ dahinterstecken, die nicht unbedingt homophob seien, aber meinten, „sie kommen zu kurz“. Gleichzeitig hat aber auch eine Solidaritätswelle eingesetzt. Unter anderem ist zu lesen: „Die Prolls und Trolls sind immer die lautesten. Sie bilden aber nicht den Großteil der Bevölkerung ab.“

Claudius Desanti vom Instagram-Channel Sissy That Talk, ein Experte für queeres Marketing, rät Firmen, die zum CSD ihre Logos auf Facebook in Regenbogenfarben präsentieren, Hasskommentare sofort zu löschen. „Viele, die hier Böses posten, stammen aus der rechten Ideologie und der AfD“, berichtet er. Dies habe in letzter Zeit zugenommen. Bei ihrem Bekenntnis zur Diversität sollten sich die Unternehmen nicht davon beeindrucken lassen. „Natürlich müssen nicht alle einer Meinung sind“, sagt er, „aber menschenfeindliche Äußerungen sollten sofort entfernt werden.“

Raasch appelliert: Bei Übergriffen immer die Polizei einschalten!

Claudius Desanti beschäftigt sich mit „Pinkwashing“ vieler Firmen oder Parteien, also mit der Strategie, sich angeblich mit der LGBTQ-Bewegung zu identifizieren, um dadurch fortschrittlich und tolerant zu wirken, während es eher um Gewinnmaximierung oder Wählerstimmen geht. Sein Rat: Die Nutzung des Regenbogens müsse, um glaubhaft zu sein, „mit ganzjähriger Unterstützung für die Community“ einhergehen, fordert er. Desanti ist selbst schon Opfer eines Angriffs geworden. „Auf der Theo Heuss bin ich mit einem Date gelaufen“, erzählt er, „plötzlich hat uns ein wohl Besoffener getreten und ,schwule Sau’ gerufen.“

Detlef Raasch, der Sprecher des Stuttgarter CSD, ruft dazu auf, bei Übergriffen immer die Polizei einzuschalten. In der Region kennt er mehrere Fälle aus jüngster Zeit, wo es zu Beschimpfungen etwa in der Stadtbahn oder handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen sei. Deshalb sei das CSD-Motto „Nicht mit uns – gemeinsam sicher und stark“ so wichtig. Vor dem Rathausempfang hat sich ein Team des CSD mit OB Frank Nopper getroffen, um mögliche Unstimmigkeiten rechtzeitig auszuräumen. Raasch spricht von einer „Annäherung“. Nachdem es in den vergangenen Jahren immer Auseinandersetzungen mit dem Rathauschef etwa in Sachen Rainbow-Fahnen am Rathaus oder Tampon-Spendern auf dem Männerklo gegeben habe, gibt es wohl diesmal keine Konfliktthemen.

Bei der CSD-Parade am 29. Juli auf einer neuen Strecke durch Stuttgart (erstmals geht’s von der Schwabstraße/Rotebühlstraße zum Karlsplatz) wird nicht nur der VfB Stuttgart mit einem eigenen Truck Premiere feiern – auch das Outlet City Metzingen ist erstmals auf einem Wagen mit dabei.