Christof Martin an seinem ersten Schultag in Singapur. Foto: privat

Sechs Jahre lang hat Christof Martin das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach geleitet, seit Sommer ist er Rektor der Deutschen Europäischen Schule in Singapur. Nun sorgt er sich um deren Schließung.

Singapur - Sechs Jahre lang leitete Christof Martin das Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium. Seit vergangenem Sommer ist er Rektor der Deutschen Europäischen Schule in Singapur. Der Ausbruch der Corona-Epidemie hat auch seinen Alltag verändert. „Die Schule hat einen Krisenstab eingerichtet, der täglich tagt und mehrmals wöchentlich Infoschreiben an Eltern, Schüler und Lehrkräfte herausgibt“, berichtet Martin. Enthalten sind Handlungsempfehlungen beziehungsweise Anweisungen. Außerdem muss jeder Besucher ein Formular ausfüllen und bestätigen, dass er die letzten 14 Tage nicht in China gewesen ist und auch keine Gäste von dort hatte. „Eltern sind angewiesen, morgens und abends Fieber zu messen. In der Schule wird an allen Eingängen bei jedem, der die Schule betritt, Temperatur gemessen. Außerdem werden die Hände desinfiziert. Jeder erhält einen täglich andersfarbigen Sticker als Nachweis, dass er gecheckt wurde.“

Auch bei Lehrkräften wird zwei Mal täglich Temperatur gemessen. Bei 37,5 Grad oder mehr wird sofort der Sanitätsdienst eingeschaltet, der einen Arzt hinzuzieht. „Wöchentlich sind wir in Kontakt mit dem führenden Virologen vor Ort, der auch die Regierung berät“, so Christof Martin. Pausenzeiten wurden versetzt, um größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Alle Exkursionen, Klassenfahrten und Studienfahrten wurden für die nächsten zwei Monaten abgesagt. Sollte jemand Husten oder Schnupfen haben, muss er eine Maske tragen. Die persönliche Hygiene spiele eine entscheidende Rolle, berichtet Martin. Täglich gebe es mehrere Reinigungsintervalle für eine „vertiefte Reinigung durch das Reinigungspersonal“. Täglich sei mehrmals vor allem Händewaschen mit Seife angesagt und der Empfehlung, sich nicht ins Gesicht zu fassen. „Wir haben überall im Schulgebäude Poster hängen mit klaren Handlungsanweisungen.“

Aktuell bereite sich die Schule auf den Alarmfall vor. Bei Alarmstufe rot würden von der Regierung alle Schulen geschlossen. Vergangene Woche wurden Schüler und Lehrer darauf trainiert, online „Heimbeschulungen“ nach Stundenplan durchzuführen. „Jeder Lehrer hat ein eigenes Laptop mit der nötigen Software, ebenso jeder Schüler ab Klasse 5. Die Grundschüler haben iPads.“ Eine Maßnahme, die nach Ansicht von Martin eine Weile, aber nicht unendlich lange durchhaltbar sei. Daneben würden verschiedene Szenarios vorbereitet, was zu tun ist, wenn Kinder oder Eltern Verdachtsfälle oder gar infiziert seien. „In jedem Szenario gibt es dafür jetzt unterschiedliche Handlungsanweisungen, denen das Schulpersonal Folge leisten muss. Wir tun das Bestmögliche, das gegebenenfalls aber nicht immer ausreichend ist.“

Der Unterricht laufe bisher normal ab – mit den beschriebenen Einschränkungen. Allerdings stehe es den Familien frei, die Kinder nicht in die Schule zu senden. Davon hätten bisher rund 70 Familien Gebrauch gemacht. „Eine kleine Zahl bei der Gesamtgröße von knapp 1850“, wie Martin findet.

Masken, Fieberthermometer und Desinfektionsmittel seien ausverkauft, deshalb habe man sich in Nachbarländern rechtzeitig damit eingedeckt und aus Deutschland über Bekannte ausreichend Fieberthermometer organisiert.

Er selbst wasche sich wie alle anderen natürlich auch mehrmals am Tag die Hände, versuche, größere Menschenansammlungen zu vermeiden und gebe niemandem mehr die Hand. „Das war es für mich überwiegend“, erzählt Martin.

Die Stimmung in der Stadt nimmt der Benninger als angespannt wahr. „Letztes Wochenende gab es das ganze Wochenende Panikeinkäufe mit langen Schlangen in den Supermärkten. Ich habe selbst kein Brot mehr bekommen. Jetzt geht es wieder. Überall wird man beim Betreten von Gebäuden mit Fieberthermometern und persönlichen Erklärungen über Reiseaktivitäten konfrontiert. Wo sonst viel los ist, herrscht gähnende Leere. Jeder hält sich in der Öffentlichkeit zurück. Die meisten Veranstaltungen sind abgesagt.“ Auffallend sei, dass bisher keine Ausländer betroffen seien. Infiziert haben sich laut Martin nur Personen, die in China beziehungsweise Wuhan waren oder Einheimische. Warum? Christof Martin hat keine Erklärung.

Seine Familie, die er das letzte Mal an Weihnachten in Benningen besucht hat, sei noch recht entspannt, erzählt er. „Meine Frau war zu Besuch bei mir, als der Virus öffentlich wurde und hat die gesamten Vorbereitungsmaßnahmen während dem chinesischen Neujahrsfest in den dortigen Ferien miterlebt. Sie macht sich bisher keine Sorgen, weil sie sieht, wie wir die Sache ernst nehmen und vorsichtig sind.“ Die größte Gefahr sehe er im Übertragen des Virus’ – ohne selbst zu erkranken – auf Menschen mit geschwächtem Immunsystem und mit schweren Vorerkrankungen. „Deshalb fürchte ich mich um mich selbst eigentlich nicht. Sorgen bereitet mir nur der Fall der Schulschließung. Da könnte Panik ausbrechen, die die Sache nur schlimmer, aber keinesfalls besser machen würde.“

Lesen Sie mehr: Familie Keller lebt seit 2015 in Shanghai und ist letzte Woche dorthin zurückgeflogen, nun berichten sie von ihrem Alltag: https://www.marbacher-zeitung.de/inhalt.eine-marbacher-familie-die-in-shanghai-lebt-berichtet-von-ihrem-alltag-im-moment-haben-wir-keine-angst.5a43bbb6-0a09-447e-96c6-bcb52670c972.html