In der Pandemie hat sich Christine Prayon von der „Heute-Show“ verabschiedet. Foto: Renitenz/Elena Zaucke

Ohne es direkt zu sagen, macht die Kabarettistin Christine Prayon im Renitenztheater deutlich, warum sie nicht mehr Birte Schneider ist.

Ewig wiederkehrende Abschiedstourneen sind per se nichts Neues, aber eigentlich will Christine Prayon, die schon seit geraumer Zeit auf „Abschiedstour“ ist, nur damit spielen. Auch wenn sie nach ihrer „Gudn Aabend“-Mainzelmännchen-Begrüßung mit aufgesetzter roter Nase nach drei Minuten sagt, dass jetzt alles gesagt sei und man sich Sinnvollerem widmen könnte. Dennoch ist der Abschied in ihrer Vita ein Thema: nach 16 Jahren von Stuttgart nach Berlin. Und von der „Heute-Show“ hat sie sich schon lange verabschiedet, weil es nicht ihrem Verständnis von Satire entspricht, Witze von oben herab auf Kosten Andersdenkender zu machen. Das war noch in der Pandemie, deren Folge für Christine Prayon ein Impfschaden ist, über den sie ein Buch geschrieben hat. Nicht als Betroffenheitstherapie, wie sie sagt, sondern als humoristische Handhabe für alle – auch wenn es sich bei ihr natürlich um einen „bedauerlichen Einzelfall“ handele.

 

Eine Altlinke, die sich die Vereinnahmung durch die Rechte verbittet

Möglicherweise aber haben nicht alle die „Transformation“ – sie setzt diesen Kampfbegriff ironisch ein – der Fernsehfigur Birte Schneider mitbekommen. Jedenfalls verlassen fünf Zuschauer das gut besuchte Renitenztheater schon vor der Pause. Dabei betont Christine Prayon stets ein „Miteinander, statt Gegeneinander“, obwohl sie es sich und ihrem Publikum nicht allzu leicht machen will und sich angesichts der Realitäten fragen müsse: „Was will man da noch kabarettistisch zuspitzen?“ Als Altlinke, die sich die Vereinnahmung durch die Neue Rechte verbittet, sagt sie, „Kommunismus funktioniert nicht, Kapitalismus schon – zumindest für ein Prozent“, und stellt grundsätzlich fest: „Es geht nicht um die Wahrheit, es geht um Glaubwürdigkeit.“

Gute Schauspielerin, die in verschiedene Rollen schlüpft

Zwischen Kunstpausen und Schweigeminuten wird das Programm aber nicht von Didaktik und Dialektik erdrückt. Viel mehr schlüpft Christine Prayon, die auch eine gute Schauspielerin ist, mit Verve in verschiedene Rollen. Als „Gröcoz, größter Comedian aller Zeiten“, macht sie den Unterschied zum Kabarett überdeutlich. Und als Nachrichtensprecherin in „Radio Diarrhoe“ darf sie auch mal Falschmeldungen verbreiten, dass es etwa seit der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens zum Leidwesen der Pharmaindustrie „zu dramatischen Einbrüchen bei psychischen Erkrankungen“ gekommen sei. Der Abschied in der „Abschiedstour“ endet mit der Ankündigung ihres nächsten Auftritts: „Testzentrum“ ist ihre Form der Aufarbeitung. Eine muss es ja machen.