Am 28. Mai versteigert Christie’s in Paris die Kunstsammlung des früheren Daimler-Lenkers Edzard Reuter. Wie sieht Susanne Eisenmann als Vorsitzende der Reuter-Stiftung die Auktion?
Am 28. Mai blickt die Kunstwelt nach Paris: Das Auktionsunternehmen Christie’s versteigert die Sammlung von Helga und Edzard Reuter. Bis zu fünf Millionen Euro Erlös werden erwartet und kämen der Helga und Edzard Reuter-Stiftung zugute. Was ist das Besondere an der Sammlung? Wir haben nachgefragt – bei Experten und bei Menschen, die das Ehepaar Reuter in seiner Kunstbegeisterung erlebt haben. Zu diesen zählt die frühere CDU-Politikerin Susanne Eisenmann. Die frühere Stuttgarter Kulturbürgermeisterin (2005-2016) und spätere baden-württembergische Kultusministerin (2016-2021) ist seit 2021 Mitglied im Kuratorium der Helga und Edzard Reuter-Stiftung und seit 2023 Vorsitzende des Vorstands der Helga und Edzard Reuter-Stiftung.
Frau Eisenmann, haben Sie mit dem Ehepaar Reuter über ihr Engagement für die Kunst gesprochen?
Die Kunstsammlung steht für Helga und Edzard Reuter. Sie haben oft erzählt, warum einzelne Werke für sie eine ganz besondere Bedeutung haben, was sie an ihnen fasziniert und bezaubert. Wir leben mit unserer Kunst, sagten sie stets. Sie war ein wichtiger Teil ihres Lebens. Und auf ihren Wunsch hin wird sie nun zugunsten ihrer Stiftung versteigert. Für mich schließt sich somit ein Kreis. Die Kunst als zentrales Element ihres Lebens wird nun zugunsten ihres Nachlasses in Form der Stiftung veräußert. Das ist konsequent. Ganz so wie Helga und Edzard Reuter auch waren.
Warum wird die Sammlung überhaupt versteigert?
Neben der Kunstsammlung war die Begründung ihrer Stiftung vor einigen Jahren ein weiteres Herzensanliegen für Helga und Edzard Reuter. Der Gesellschaft etwas zurückzugeben, Verantwortung zu übernehmen und Hilfestellung zu geben, war ihnen wichtig. Die Helga und Edzard Reuter Stiftung ist ihr Nachlass. Und ausschließlich zu deren Gunsten wird nun alles veräußert.
Was ist das Ziel der Stiftung?
Der Zweck der Stiftung gilt dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Projekte und Institutionen, die das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion oder Kultur unterstützen, sollen gefördert werden. Integration und Verantwortung in und für unsere Gesellschaft sind dafür von besonderer Bedeutung. Und noch einmal: Die Erlöse sind zweckgebunden, weil sie vollumfänglich in die Helga und Edzard Reuter Stiftung gehen.
Welche Gesamtsumme erwarten Sie für die Stiftung?
Natürlich können wir nicht konkret einschätzen, wie viel die Versteigerung erbringen wird. Von den Experten wird die Reuter-Sammlung als sehr hochwertig eingestuft. Und deshalb hoffen wir auf einen großen Erfolg bei der anstehenden Versteigerung. Vor allem auch, weil die Erlöse ja voll und ganz dem guten Zweck dienen werden.
Werden Sie bei der Auktion in Paris dabei sein?
Als Vorsitzende des Vorstands der Helga und Edzard Reuter-Stiftung werde ich in Paris dabei sein.
Wenn Sie jetzt, so kurz vor der Auktion bei Christie’s Paris an Helga und Edzard Reuter denken – was fällt Ihnen ein?
Helga und Edzard Reuter haben bis ins hohe Alter immer Verantwortung dafür übernommen, etwas zum Besseren zu verändern. Wo braucht die Gesellschaft Unterstützung? Wie kann man den so wichtigen Diskurs über gesellschaftliche Herausforderungen aktiv mitgestalten? Wo kann und muss man Einzelne oder Gruppen gezielt unterstützen? Für diesen konsequenten Einsatz habe ich sie immer sehr bewundert. Und deshalb war für mich selbst die Zusammenarbeit mit Helga und Edzard Reuter in den vergangenen Jahren auch so wertvoll. Es waren Persönlichkeiten, die zunächst an andere gedacht haben. Und diese sind inzwischen ja leider doch sehr selten geworden.
Stifter und Kenner
Die Stiftung
Die Helga und Edzard Reuter-Stiftung würdigt seit ihrer Gründung 1995 Menschen und Projekte, die sich auf herausragende Weise um die Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer, kultureller oder religiöser Herkunft verdient gemacht haben. In den ersten Jahren nach der Gründung wurden einzelne Vorhaben (in Niedersachsen und Brandenburg) gefördert, die auf deutsch-türkische Geschichte und Zusammenarbeit zielten. Von 2001 an wurden regelmäßig Jahrespreise an Personen und/oder Institutionen vergeben. Im Mittelpunkt der Auswahl der Preisträger stehen jeweils deren Engagement in der Förderung von Integration oder herausragende wissenschaftliche Leistungen auf diesem Gebiet. Seit 2023 ist Susanne Eisenmann, frühere baden-württembergische Kultusministerin, Vorsitzende des Vorstands der Reuter-Stiftung.
Die Kenner
Helga und Edzard Reuter interessierten sich früh für Kunst. Ausgehend von der Klassischen Moderne entdeckten die Avantgarde der 1960er Jahre für sich. Tendenzen wie der Minimalismus und die mit Lichtphänomenen spielende Op Art weckten bald besonderes Interesse. Ein bevorzugter Ansprechpartner für das Sammlerpaar war der Düsseldorfer Galerist Hubertus Schoeller. Die wachsende Sammlung verrät mehr und mehr das besondere Interesse von Helga und Edzard Reuter für eine Verbindung von Präzision und Poesie wie man sie etwa in den Arbeiten von Francois Morellet findet.