Kunst umgab Edzard Reuter auch und gerade im Wohnhaus in Stuttgart-Schönberg Foto: dpa

Am 28. Mai versteigert Christie’s in Paris die Kunstsammlung des früheren Daimler-Lenkers Edzard Reuter. Was interessierte Reuter an der Kunst?

Am 28. Mai blickt die Kunstwelt nach Paris: Das Auktionsunternehmen Christie’s versteigert die Sammlung von Helga und Edzard Reuter. Bis zu fünf Millionen Euro Erlös werden erwartet und kämen der Helga und Edzard Reuter-Stiftung zugute. Was ist das Besondere an der Sammlung? Wir haben nachgefragt – bei Experten und bei Menschen, die das Ehepaar Reuter in seiner Kunstbegeisterung erlebt haben. Zu diesen zählt Hans J. Baumgart. Aus seiner Aufgabe als Leiter des Daimler-Hauptsekretariats heraus, entwickelte Baumgart von Ende der 1970er Jahre bis Dezember 2000 den Aufbau der Kunstsammlung (heute: Mercedes-Benz Art Collection) und des (Kunst-)Sponsorengagements des Konzerns.

 
Hans J. Baumgart Foto: Susanne Kern

„Dass Edzard Reuter sich für Kunst interessierte, fiel mir schon bei meiner ersten Besprechung mit ihm auf, zu einer Zeit als er noch weit entfernt davon war, ein Vorstandsmitglied von Daimler zu sein, und ich noch lange nicht die schöne Aufgabe hatte, mich um die Kunst bei Daimler zu kümmern. In seinem Büro im 13. Stock des Daimler-Hochhauses hing nämlich an der Wand gegenüber seinem Schreibtisch eine Radierung von Lyonel Feininger („Kirche in Gelmeroda“) und das war mir aufgefallen, weil ich bis dahin in keinem Büro des damals stockkonservativen Unternehmens je ein modernes Bild gesehen hatte.

Als ich später für meine Aufgabe zuständig war, merkte ich schnell, dass sich Edzard Reuter nicht nur für Kunst interessierte, sondern ein beschlagener Kenner war. Unvergesslich sein unverkennbares Glücksgefühl, als er auf der Kölner Kunstmesse Art Cologne von dem französischen Künstler Francois Morellet eine bestimmte Grillages gefunden hatte, nach der er lange gesucht hatte. Sein persönliches Augenmerk, auch das seiner Frau, die ihm immer eine kritische Begleiterin war, galt Zero und der OP-Art. Da meine Interessen für die Daimler-Sammlung ähnlich lagen, schloss ich diese Kunstrichtungen für die Daimler-Sammlung von vornherein aus, weil es auf keinem Fall zu einer Situation kommen sollte, dass ihm eine Arbeit von seinem Lieblingsgaleristen Schöller angeboten wurde, die ihm aber nicht unbedingt gefiel, von der er aber meinte, dass sie für die Daimler-Sammlung in Frage käme. Auch wenn er es schade fand, hat er diese Trennung ohne weitere Einwände selbstverständlich akzeptiert.

Helga und Edzard Reuter lebten mit der Kunst Foto: Christie’s Images/Jürgen Altmann Stuttgart

Kunst interessierte Edzard Reuter leidenschaftlich. Immer wieder kam es vor, dass er mich auf Künstler oder Kunstwerke aufmerksam machte. Dem ist letztlich auch zu verdanken, dass es zu Ben Willikens Auditorium in der einstigen Möhringer Daimler-Zentrale kam. Denn eines Tages kam er von einem Besuch bei der Landesbank zurück, bei der er Willikens berühmten ovalen Sitzungsraum gesehen hatte und empfahl mir danach nachdrücklich, dass ich mir diesen Raum unbedingt ansehen müsste, was schließlich zur Beauftragung von Ben Willikens für das Auditorium führte.“

Stifter und Kenner

Die Stiftung
Die Helga und Edzard Reuter-Stiftung würdigt seit ihrer Gründung 1995 Menschen und Projekte, die sich auf herausragende Weise um die Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer, kultureller oder religiöser Herkunft verdient gemacht haben. In den ersten Jahren nach der Gründung wurden einzelne Vorhaben (in Niedersachsen und Brandenburg) gefördert, die auf deutsch-türkische Geschichte und Zusammenarbeit zielten. Von 2001 an wurden regelmäßig Jahrespreise an Personen und/oder Institutionen vergeben. Im Mittelpunkt der Auswahl der Preisträger stehen jeweils deren Engagement in der Förderung von Integration oder herausragende wissenschaftliche Leistungen auf diesem Gebiet. Seit 2023 ist Susanne Eisenmann, frühere baden-wüttembergische Kultusministerin, Vorsitzende des Vorstands der Reuter-Stiftung.

Die Kenner
Helga und Edzard Reuter interessierten sich früh für Kunst. Ausgehend von der Klassischen Moderne entdeckten die Avantgarde der 1960er Jahre für sich. Tendenzen wie der Minimalismus und die mit Lichtphänomenen spielende Op Art weckten bald besonderes Interesse. Ein bevorzugter Ansprechpartner für das Sammlerpaar war der Düsseldorfer Galerist Hubertus Schoeller. Die wachsende Sammlung verrät mehr und mehr das besondere Interesse von Helga und Edzard Reuter für eine Verbindung von Präzision und Poesie wie man sie etwa in den Arbeiten von Francois Morellet findet.