Perfekte Inszenierung: der Saal, die Rede und der Redner Christian Lindner im Werkzentrum Weststadt Foto: factum/Bach

Perfekte Inszenierung: Der FDP-Chef Christian Lindner spricht beim Wahlkampfabend in Ludwigsburg über sein Lieblingsthema Wirtschaft 4.0, fordert ein Einwanderungsgesetz – und kommt gerade noch einmal um einen gelben Pullunder herum.

Ludwigsburg - „Sie haben Wlan“, so steht es in der Einladung zur Wahlveranstaltung mit dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner am Mittwochabend. Der Satz ist nicht nur als Nettigkeit an die Smartphone-Gesellschaft gedacht. Die FDP meint ihn durchaus programmatisch. Die Wirtschaft 4.0 ist das Thema. Deshalb passt dieser Satz zum Tenor des Abends ebenso wie die Location, das Ludwigsburger Werkzentrum Weststadt.

Innovativer Ort

Ein innovativer Ort, den der Unternehmer Max Maier dort geschaffen hat. Perfekt für einen Auftritt, wie ihn sich Lindner, der Mutmacher von der bei der letzten Bundestagswahl mit 4,8 Prozent am Einzug ins Parlament gescheiterten Partei, wohl vorschwebt. Schlicht, effektiv, innovativ geht es hier zu. Viel Schwarz und viel Weiß. Auch die Gäste tragen viel edles Schwarz, der Parteichef ja kommt nicht alle Tage vorbei. Und die Umgebung ist wie gemacht für ihn.

Pünktlich trifft Lindner ein, um mit der Landtagskandidatin Stephanie Knecht die Werbetrommel zu rühren. Nicht nur die virtuelle Datenautobahn spielt an diesem Ort mit. Auch die reale Autobahn spuckt ihn rechtzeitig in Ludwigsburg aus. Um fünf nach acht betritt er die Industrieloftartigen Räumlichkeiten, verkabelt mit Headset-Mikrofon. Lindners Anzug ist dezent, nicht zu modern. Die Hose sitzt ein wenig zu locker und lässt den 36-Jährigen noch schmaler wirken. Smart, aber nicht zu smart sieht er aus.

Lindner braucht kein Pult und kein Redemanuskript

Später wird der intellektuelle Vordenker der FDP en passant etwas über seine Herkunft verraten. „Ich bin ja quasi in der Backstube aufgewachsen“, sagt er. Er stamme aus einer Bäcker- und Konditorenfamilie. So bedient der studierte Politikwissenschaftler Handwerk und Akademikerschaft gleichermaßen. Beide Gruppen spiele die grün-rote Landesregierung seiner Überzeugung nach mit ihrer Bildungspolitik „respektlos gegeneinander aus“.

Lindner, das ist der perfekte Rhetoriker, der mühelos gut eine Stunde lang redet und dabei kein Pult und kein Redemanuskript braucht. Es ist mucksmäuschenstill, wenn er spricht. Das Lachen über den aus seiner Sicht „Wahnsinn der Regierung“ kommt an den vorgesehenen Stellen, ebenso die Zustimmungslaute in den wohlgewählten rhetorischen Pausen.

Der FDP-Chef fordert ein Einwanderungsgesetz

Natürlich fängt er nicht mit der Notwendigkeit von Innovationen und dem Abbau von Innovationshindernissen an. Da ist seine Position klar: Man müsse nicht die Bürger ändern, sondern die Wirtschaftspolitik. Lindner spricht erst mal über das Thema der Themen: Flüchtlinge. Er macht sich stark für ein Bleiberecht auf Zeit für Bürgerkriegsflüchtlinge und ein Einwanderungsgesetz, das sich am Beherrschen der deutschen Sprache, an Qualifikationen und der Rechtstreue der Bewerber orientiere. Schneller arbeiten sollen sie zudem dürfen. „Was spricht eigentlich dagegen“, so fragt er, „dass ein Koch aus Syrien in der Küche der Asylunterkunft mithilft?“ Applaus. Der Kanzlerin schreibt er ins Stammbuch, sich beim nächsten EU-Gipfel an die anderen europäischen Länder anzunähern.

Problemlösungen

Nicht Europa müsse deutscher werden, sondern Deutschland europäischer. Nur mit Problemlösungen halte man die Alternative für Deutschland (AfD) klein. Wer sie dennoch wähle, müsse wissen, dass so „die schreckliche braune Brühe in die Parlamente gespült wird“. Lindner ist hier so klar wie in seinem in den sozialen Netzwerken zehntausendfach geteilten Video dazu. Einer Partei, die rassetheoretische Redner zulasse, erteilt er eine klare Absage. Einen Ausschluss der AfD von den Debatten im Vorfeld der Wahl hält er hingegen für falsch.

Nach gut einstündiger Rede macht er sich wieder auf in Richtung Düsseldorf. Da hat er die Krawatte längst abgelegt. „Meine Ehefrau“, setzt er zu einer Antwort auf eine Frage aus dem Publikum an, um anzudeuten, dass er zu Hause erwartet werde. Der Fragende, bald Vater von vier Kindern, spricht ihn an, was die FDP zur Stärkung der Familie tun wolle. Lindner denkt kurz nach, betont ausdrücklich seinen Respekt vor dem Lebensmodell des Familienvaters, macht aber auch deutlich: Eigentlich präferiere er statt der Transferleistungen für die Förderung der Ein-Ernährer-Familie den Ausbau der Betreuungsangebote, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherstellen zu können. Eine zufriedenstellende Antwort, wie sich sein „Freund Ulli“, der Spitzenkandidat Ulrich Rülke, in Sachen grün-rot-gelber Ampelkoalition verhalten werde, bleibt er schuldig.

Maultaschen und gelber Schal

Am Schluss überreicht Stephanie Knecht dem prominenten Gast einen gelben Schal und Maultaschen von ihrem Lieblingsmetzger. „Einen gelben Pullunder muss man sich erarbeiten“, ulkt Lindner erleichtert. Den einzig auffällig gelben Pulli trägt an dem Abend übrigens der Altliberale Wolfgang Weng.