Mit schwerem Herzen singt es sich nicht gut: Eine Gesangspädagogin möchte deshalb zuhören und mit jungen Leuten singen, die nicht der Norm entsprechen.
Marbach - Sarah Neumann hat Bock. Auf Singen sowieso. Und auf junge Leute. Auch auf bunte, vielleicht ein wenig verrückte oder ein wenig andere junge Leute, die sich „anders fühlen“ und der gesellschaftlichen Norm nicht ganz entsprechen. Als die Gesangslehrerin und Chorleiterin aus Benningen von einem Projekt der „Deutschen Chorjugend“ hört, ist sie begeistert: Im Rahmen eines Modellprojekts will die Vereinigung junge Menschen erreichen und für das gemeinsame Singen begeistern, damit sie dabei eine Gemeinschaft erleben können. Geografische, ethnische, ökonomische oder soziale Herkunft, die Hautfarbe oder Bildung sollen dabei keine Rolle spielen.
14 Jugendchöre, einer davon in Marbach
Bundesweit werden dabei 14 Jugendchöre gegründet und Sarah Neumann hat den Zuschlag für Baden-Württemberg erhalten. Allerdings mit der Auflage, den Job der Chorleiterin mit eigener Geschichte zu füllen. „Ich selbst lebe mit einer Frau zusammen“, sagt Neumann, „das habe ich quasi zum Programm gemacht“. Ihr „Bock auf Voc“ richtet sich an junge Leute, die „aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrem ‚Anders fühlen’ nicht der großen gesellschaftlichen Norm entsprechen“. Angesprochen werden etwa lesbische, bisexuelle und schwule Menschen oder solche, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen. Neumann: „Das landesweit einmalige Projekt soll den Teilnehmerinnen und Teilnehmern als Möglichkeit dienen, sich selbst und eine Gemeinschaft beim miteinander singen zu erleben, sich als Gruppe zu bilden und nach außen sichtbar und Teil der Gesellschaft zu sein.“ Sie möchte einen Raum schaffen für junge Leute, die in der Gesellschaft durchs Raster fallen, weil sie sich anders fühlen. Wenn mit dem Finger auf einen gezeigt werde, sei das einfach ein „Scheißgefühl“. Und sie weiß: Mit schwerem Herzen singt es sich nicht gut.
Treffen in Jugendhäusern geplant
Schon vor den Ferien hatte die 42-jährige Sarah Neumann eine kleine Gruppe zusammen – übrig ist wegen Umzugs zweier nur eine Interessentin. Geplant ist, dass sich die jungen Leute in den Jugendhäusern Marbach und Steinheim treffen. „Aber im Moment kann ich noch keinen Termin nennen“. Ihr Wunsch wäre es, in einem halben Jahr mit vielleicht zehn jungen Leuten regelmäßig am Start zu sein. Und gegebenenfalls einen Auftritt zu wagen. Da werde sie sich aber dem Wunsch der Gruppe unterordnen. Keiner müsse öffentlich singen – zumal damit ja auch ein Outing verbunden wäre.
Liederkranz Marbach als Partner
Die Deutsche Chorjugend-Vereinigung wünscht sich, dass die „Bock auf Voc“-Gruppen einen Kooperationspartner haben. Deshalb steht die Chorvereinigung Liederkranz Marbach nun an Neumanns Seite. Deren Vorsitzende Beate Löffler ist angetan von dem Projekt.
Wo die Reise hingeht, wagt Löffler nicht zu sagen: „Wir schauen einfach mal, was passiert.“ Noch könne man nicht sicher sein, ob der Liederkranz als traditioneller Chor einen Bezugspunkt zu dem, was Sarah Neumann plant, finden werde. Aber man sei offen. Sie glaube allerdings nicht, dass beide Chöre „ineinander aufgehen werden“.
Wie die Kooperation aussehen wird, müsse sich zeigen. Löffler: „Erst mal sind wir einfach nur da.“
Sicher ist jedenfalls, dass Löffler begeistert ist von der Idee , „weil sie andere Wege geht als wir und eine andere Klientel anspricht“. Jedenfalls traut sie Neumann viel zu, denn sie sei ein tolles Vorbild. Und die Werte wie Toleranz, Respekt und Offenheit, um die es gehe, seien von großer Bedeutung. Nicht zuletzt gehe es ums Zuhören. „Hören, was jemand singt, und hören, was jemand sagt.“
Löffler wünscht sich, dass „etwas entsteht“. Es müsse ja kein Riesenevent sein, sagt sie. Vielleicht nur eine Kleinigkeit.
Interessenten können sich per E-Mail unter info@sarahneumann.de melden.