Ein gemeinsames Foto und ein Ständchen aus dem Stegreif zum Abschied der Chorgemeinschaft der SKG Botnang. Foto: Susanne Müller-Baji

Nach 127 Jahren hat sich die Chorgemeinschaft der SKG Botnang bei ihrer Weihnachtsfeier aufgelöst. Die Mitglieder wollen sich dennoch zu Kaffee und Kuchen treffen.

Botnang - Der Flügel und auch die Tische im Musiksaal des Botnanger Bürgerhauses waren festlich geschmückt, es gab Ehrungen, eine Danksagung an die musikalische Leiterin Neus Estarellas und danach gemeinsames Singen. Trotzdem war die Stimmung am vergangenen Samstag bedrückt: Mit einer letzten Weihnachtsfeier hat sich die Chorgemeinschaft der SKG Botnang aufgelöst und so auch ein Stück Vereinsgeschichte im Stadtbezirk beendet.

Man hat viel erlebt, viele Auftritte und sogar Wertungssingen in Botnang und in der Umgebung absolviert – und man ist gemeinsam alt geworden. „Wie das so ist: Wir sind jetzt alle über 80. Die einen können nicht mehr richtig laufen, die anderen sind im Heim und wieder andere sind auch schon gestorben“, bringt es der Leiter der Chorgemeinschaft, Walter Ebinger, auf den Punkt. Am Schluss war nur noch ein gutes Dutzend Sänger übrig. Im Gegensatz zu den Glanzzeiten des Chores: „Einmal haben wir bei einem Auftritt in der Liederkranzhalle fast nicht alle auf die Bühne gekriegt“, sagt er. Aber dann stellt sich das Grüppchen für das Foto auf, singt aus dem Stegreif – und es ist spürbar wieder da: Dieses Wir-Gefühl, das die Freude am Singen vermittelt.

Der Abschied fällt schwer

Seit 1890 gibt es die Sport- und Kulturgemeinde Botnang (SKG) und nur unwesentlich später wurde auch eine Abteilung für das gemeinsame Singen ins Leben gerufen, so Ebinger. Zum Abschied hatte er einen geschichtlichen Rückblick zusammengestellt, erzählte von „den dunklen Jahren“, in denen der Chor verboten war, „weil man auch Lieder von jüdischen Komponisten gesungen hat“. Von den Nachkriegsjahren, als die Alliierten nur je einen Verein pro Stadtbezirk zuließen. Aber auch von seinen eigenen ersten Erlebnissen mit dem Chor, die ja auch das Lebensgefühl jener Zeit widerspiegeln: „Endlich konnte man wieder leben, endlich konnte man wieder atmen.“

Er hatte schon damals kurz mitgesungen, dann aber zehn Jahre Familienpause eingelegt. Heute blickt er auf 59 Jahre Chorgemeinschaft zurück, 37 davon hat er sie auch geleitet. „Aber ich bin nur am zweitlängsten dabei, es gibt noch eine Dame, die bringt es sogar auf 69 Jahre.“ Wer einmal mitgesungen hat, so scheint es, wollte nie wieder weg. Umso schwerer fällt nun der Abschied: „All die Jahre wusste man ja: Am Donnerstag geht es zum Singen“, erklärt Walter Ebinger. „Das ist jetzt so, wie einen Nachruf auf einen Freund zu machen. Es geht ja nicht nur ums Singen, es geht um die Leute.“

Würdiger Schlusspunkt

Auch Bezirksvorsteherin Mina Smakaj wohnte dieser letzten Weihnachtsfeier bei: „Das ist schon sehr traurig“, sagte sie. „Die Chorgemeinschaft war ja immer mit dabei: unter anderem beim Ehrenamtsabend oder bei der Awo-Jahresfeier. Sie haben gesungen, und es war schön.“ Und natürlich habe auch für die Mitglieder selbst das Beisammensein eine wichtige Rolle gespielt. Deshalb sei es aber auch so wichtig, dass es nun einen würdigen Schlusspunkt gebe und die gemeinsame Chorzeit nicht buchstäblich sang- und klanglos zu Ende gehe.

Zudem kam man am Samstag überein, dass man sich weiterhin gelegentlich treffen möchte, dann aber nicht mehr zum Singen, sondern zu Kaffee und Kuchen. Auch Neus Estarellas versprach: „Das ist kein Abschied für immer, ich komme auch ab und zu zu euren Treffen.“ Als später mit Mozarts „Ave verum corpus“ ein Stück Sängertradition im Stadtbezirk verklang, war es vielleicht auch ein kleiner Trost, dass die gemeinsame Zeit den Mitgliedern so viele Jahre lang so viel gegeben hat.