Kreml-Gegner Michail Chodorkowski bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im Mauer-Museum in Berlin. Foto: dpa

Die ersten Nächte in Freiheit nach zehnjähriger russischer Lagerhaft hat der ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski im Berliner Luxushotel Adlon verbracht. Er dankte der deutschen Kanzlerin für ihre Unterstützung. „Sie hat es möglich gemacht, dass ich heute in Freiheit bin.“

Die ersten Nächte in Freiheit nach zehnjähriger russischer Lagerhaft hat der ehemalige Ölmagnat Michail Chodorkowski im Berliner Luxushotel Adlon verbracht. Er dankte der deutschen Kanzlerin für ihre Unterstützung. „Sie hat es möglich gemacht, dass ich heute in Freiheit bin.“

Berlin - Zu den bizarren Umständen seines ersten öffentlichen Auftritts gehört, dass seine gebrechlichen Eltern dabei sind. Die sichtlich von ihrer Krebserkrankung gezeichnete Mutter von Michail Chodorkowski und der Vater, der in den überheizten Räumen des Berliner Mauer-Museums eine dicke Mütze trägt, quälen sich zuerst die Stufen herunter. Langsam, von finster dreinblickenden Sicherheitsleuten gestützt bahnen sie sich einen Weg durch die vielen Kameras. Vermutlich gibt es für ihre Anwesenheit nur einen Grund: Sie wollten sich nicht schon wieder voneinander verabschieden, und sei es nur für diese eine Stunde, die der Auftritt dauern würde.

Erst als sie sitzen, kommt er. Michail Chodorkowski. Er wirkt jünger, als er ist, lächelt gelöst, trägt feines Tuch, so wie man es von einem Topmanager, der er früher war, kennt. Aber die Hände: Sie sind riesig, fast Pranken, mit muskulösen Fingern. Hände mit lauter kleinen, frischen Verletzungen. Man sieht es: Es ist noch keine 36 Stunden her, dass Chodorkowski dem russischen Straflager an der Grenze zu Finnland entkommen ist.

Der 50-Jährige liest zunächst auf Russisch eine vorbereitete Erklärung vor, in der er allen dankt, die an seiner Überstellung nach Deutschland beteiligt waren. Allen voran der deutschen Kanzlerin Angela Merkel: „Sie hat es möglich gemacht, dass ich heute in Freiheit bin.“ Dann beantwortet er Fragen. Er berichtet, dass seine Anwälte am 12. November zu ihm ins Straflager gekommen sind und ihm erstmals die Möglichkeit einer Begnadigung eröffnet haben. Anders als gelegentlich berichtet, sei die Bedingung dafür kein Schuldeingeständnis gewesen. „Ich habe nur ein Bittgesuch um Gnade gestellt“, so Chodorkowski.

Luxussuite für mehrere Tausend Euro am Tag gemietet

Er hat nun erst einmal für ein Jahr ein Visum in Deutschland. Wo es ihn endgültig hinziehen wird, habe er noch nicht entschieden. Sein Sohn Pawel aus erster Ehe lebt in den USA, seine zweite Frau und seine Kinder leben in der Schweiz. Fest steht nur, dass er so schnell nicht nach Russland zurückkehren könne. „Ich hätte keine Garantien dafür, dass ich das Land wieder verlassen könnte.“

In Berlin hat Chodorkowski zwei Nächte im Hotel Adlon verbracht, wo er eine Luxussuite für mehrere Tausend Euro am Tag gemietet hat. Die juristischen Auseinandersetzungen mit der russischen Justiz haben ihn offensichtlich nicht zu einem armen Mann gemacht. Chodorkowski erklärt zu seinen Zukunftsplänen, er habe nicht vor,, wieder in der Wirtschaft tätig zu werden. „Meine finanzielle Situation erfordert es nicht, wieder arbeiten zu gehen.“

Er erklärt, er habe nicht versprechen müssen, politisch nicht tätig zu werden. Er habe aber auch nicht vor, sich mit politischen Dingen zu beschäftigen. Er werde keinen Kampf um die Macht anzetteln. Er werde sich vielmehr mit gesellschaftlichen Angelegenheiten beschäftigen. Er wolle aber „seine Schulden zurückzahlen“, sagt er. Seine Zeit denjenigen widmen, „die immer noch im Gefängnis sitzen“.

Immer wieder rücken ihn die Fragen gerade osteuropäischer Journalisten in die Nähe eines Politikers, eines Dissidenten, ja eines Helden. Sie fragen, ob er die Ukraine besuchen wolle und welche Botschaft er für die dortigen Demonstranten gegen die Regierung habe. Er will diese Rolle nicht. Er wisse zu wenig über die Lage in dem Land, habe aber Sympathien für die Ukraine, weil er dort Familie habe. So viel sagt er dann doch: „Von ganzem Herzen wünsche ich Julia Timoschenko, dass sie frei kommt.“

Und Putin? Auf dessen Zukunft angesprochen, antwortet er mit feinem Witz. Putin habe doch selbst kürzlich die Frage, ob er Präsident auf Lebenszeit sei, verneint. Chodorkowski: „Ich bin der Meinung, dass Putin seine Meinung in diesem Punkt nicht ändern sollte.“ Er hege keinen Hass auf Putin oder dessen Schergen. Er habe, so Chodorkowski, von Anfang an gewusst, auf wen er sich da eingelassen hatte, als im Februar 2003 der Streit mit der russischen Staatsmacht eskalierte. „Ich wusste, dass es ganz harte Spiele geben würde.“ Er habe aber verstanden, dass der russische Machtapparat nicht auch noch seine Familie bestrafen würde. „Sie waren menschlich gegenüber meiner Familie.“ Da sei er dann auch pragmatisch gegenüber dem Regime gewesen.

Fragen gibt es noch viele, doch dann beendet er den Auftritt. „Ich habe zehn Jahre lang meine Familie nicht mehr gesehen, bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich jetzt meine Privatsphäre brauche.“