Fünfmal mehr Platz als zuvor hat Kevin Kugel in seiner Sindelfinger Chocolaterie. Vorne befindet sich das Café, hinter der Glasscheibe ist die Schokomanufaktur. Foto:  

Der ehemalige deutsche Meister der Chocolatiers eröffnet am Donnerstag sein neues Schokoladenhaus in Sindelfingen.

Sindelfingen - Die süße Versuchung vom Lande“ hat unsere Zeitung vor sechs Jahren getitelt. Damals hatte Kevin Kugel in seinem 5000-Einwohner-Heimatort Nufringen eine Chocolaterie eröffnet, wie man sie auch in Berlin oder Köln finden könnte. Im Jahr zuvor war er deutscher Meister der Chocolatiers geworden, kurze Zeit später Siebter bei der Weltmeisterschaft.

Das schicke Lokal auf dem Dorf wurde schnell zum Anziehungspunkt für Liebhaber von Pralinen aus der ganzen Region. Viele Kunden machten bei Urlaubsfahrten in den Süden einen Abstecher nach Nufringen, das praktischerweise eine Autobahnabfahrt hat. Am vorvergangenen Samstag war Schluss in Nufringen. Nach sechseinhalb Jahren verlegt Kevin Kugel seine Chocolaterie nach Sindelfingen.

Leichtgefallen ist das dem mittlerweile 34-Jährigen nicht. „Ich bin Nufringer, bin dort aufgewachsen, meine Eltern leben dort, meine Freunde.“ Aber der Platz in seiner Manufaktur mit Café war einfach zu klein geworden. Kugel suchte nach einer anderen Möglichkeit, zunächst in Nufringen, dann in der Umgebung: Herrenberg, Gärtringen, Ehningen. „Man ist uns dort nicht besonders entgegengekommen“, sagt Kugel, der deshalb den Radius seiner Suche ausweitete. In Sindelfingen rannte er mit seiner Anfrage offene Türen ein. Schon lange kämpfen Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderung um Attraktionen in der vor sich hindümpelnden Innenstadt. Ein Schokoladenhaus des einstigen deutschen Meisters klingt da verheißungsvoll.

Der Sindelfinger OB hat den Chocolatier eingeladen

„Es ist unglaublich, wie man sich hier für mich eingesetzt hat“, schwärmt Kugel. „Die Wirtschaftsförderung hat immer wieder angerufen, und der Oberbürgermeister, Herr Vöhringer, hat mir persönlich einen Brief geschrieben und mich gebeten, nach Sindelfingen zu kommen.“ Auch ein passendes Grundstück um die Ecke des Marktplatzes konnte man dem jungen Unternehmer anbieten. Vor zwei Jahren war der Spatenstich. Pünktlich wie vorgesehen ist das markante Gebäude fertig; mit einer Fassade aus braunen Tafeln – die Schokoladenzunft lässt grüßen. Geplant hat es der Sindelfinger Architekt Karl-Heinz Huschka. Im Erdgeschoss und im ersten Stock befindet sich die Chocolaterie, darüber 13 Wohnungen, das Penthouse bewohnt Kugel mit seiner Frau Sylvia, der Marketing- und Verwaltungschefin des Unternehmens. Überhaupt sind der Bau und das Geschäft eine Familienangelegenheit: Investiert und mitangepackt haben auch Kugels Eltern, sein Bruder und weitere Verwandtschaft. „Ich weiß nicht, wie andere das ohne solche Unterstützung schaffen“, sagt der junge Firmenchef.

Schon der Baubeginn war gefeiert worden – mit Pralinen und Törtchen, mit Reden des Chefs und des Oberbürgermeisters und mit den künftigen Nachbarn, darunter die Beamten des Polizeireviers nebenan. Für die Eröffnung seines Schokohauses hatte Kevin Kugel eine große Fete geplant: Sterneköche sollten die Gäste verwöhnen. Doch Corona hat die Pläne zunichtegemacht. Nun gibt es eine kurze Feier in kleinem Rahmen. „Am Donnerstag um 10 Uhr machen wir dann für die Kunden auf“, sagt Kugel. Vielleicht kann er die Eröffnung im Sommer nachfeiern.

Schoko-Workshops für Firmen und Privatleute

Fünfmal mehr Fläche als früher hat der Chocolatier in seinem neuen Domizil und doppelt so viele Mitarbeiter: 27 Konditoren, Köche, Verkäufer und Aushilfen arbeiten in dem Schokoladenhaus. Kugel hofft, dass er die Verluste aus der Corona-Zeit gutmachen kann. „Ich bin gespannt auf das Weihnachtsgeschäft. Viele Firmen ordern normalerweise Weihnachtsgeschenke bei uns. Dieses Jahr wissen viele noch nicht, ob das Geld dafür reicht.“

Auch Schoko-Workshops für Firmen und Privatleute, die in den vergangenen Monaten ausfallen mussten, kann der Konditormeister in einem eigens dafür eingerichteten Seminarraum nun wieder anbieten. „Die ersten Workshops im Oktober sind schon ausgebucht.“

Sein größter Stolz aber sind drei neue Maschinen. Mit diesen kann er nun die Kakaobohnen aus Mexiko, Ecuador und der Dominikanischen Republik zu Rohschokolade verarbeiten. Bisher reiste er dafür viermal im Jahr nach Italien, wo er sich in einer Werkstatt einmietete. Diesen Vorgang des Mahlens und Schmelzens können die Kunden nun live in Sindelfingen verfolgen. Allerdings sollten sie Geduld mitbringen: 50 Stunden dauert die Verarbeitung. Dann geht es in der Manufaktur mit der Veredelung zu Trüffeln und Pralinen weiter. Die süße Versuchung ist in der Stadt angekommen.