Mercedes will enger mit Chipherstellern zusammenarbeiten. Foto: AFP/Christof Stache

Während bei Mercedes Kunden bis zu ein Jahr auf einen Neuwagen warten müssen, sind die Konkurrenten schneller. Was der Stuttgarter Autobauer unternimmt, um den Engpass bei Halbleitern zu begrenzen.

München - Im Wettlauf mit Mercedes-Benz sieht sich BMW-Vertriebsvorstand Pieter Nota derzeit klar in Führung. „In der ersten Hälfte dieses Jahres haben wir beim Absatz erstmals wieder die Spitzenposition unter den Premiumherstellern zurückerobert“, sagt Nota im Gespräch mit unserer Zeitung. Unter dem früheren Daimler-Chef Dieter Zetsche hatte Mercedes-Benz kräftig Gas gegeben und war im Wettbewerb mit Audi und BMW 2016 zum führenden Premiumhersteller aufgestiegen und hatte diese Position auch in den vergangenen Jahren verteidigt.

 

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In der ersten Hälfte dieses Jahres verkaufte BMW 1,18 Millionen Fahrzeuge, Mercedes-Benz 1,16 Millionen und Audi fast eine Million Autos.

BMW erreichte im ersten Halbjahr einen historischen Bestwert beim Absatz, auch Audi schaffte einen Rekord. Mercedes-Benz dagegen verpasste knapp seinen bisherigen Spitzenwert für die erste Jahreshälfte.

Im Vergleich mit den Wettbewerbern habe sich BMW auch in der Chipkrise gut schlagen können, urteilt der Vertriebschef. Nota führt dies darauf zurück, dass die Bayern die Entwicklung des Marktes nach dem Lockdown im vergangenen Jahr besser vorausgesehen und die geplanten Bestellungen bei den Zulieferern nicht so stark gekürzt haben. Deshalb wurden diese nach Darstellung des BMW-Vertriebschefs auch nicht auf dem falschen Fuß erwischt, als die Nachfrage nach dem Lockdown in China, aber auch in anderen Regionen stärker ansprang als erwartet.

Was die Chipproduktion beeinflusste

Nach einer Analyse des VW-Einkaufsvorstands Murat Aksel hat sich die Lage in den vergangenen Monaten durch drei Sondereinflüsse verschärft: Ein heftiger Wintersturm in Texas führte im Februar zu einem großflächigen Stromausfall, wodurch dort die Chipproduktion lahmgelegt wurde. Zudem sorgte ein Brand beim japanischen Chiphersteller Renesas zu weiteren Ausfällen. Als wäre dies nicht schon genug, kam im Sommer auch noch die Ausweitung der Coronapandemie in Malaysia hinzu, wodurch weitere Lieferungen von Halbleitern fehlen. Diese drei Sondereinflüsse würden im September und Oktober weiter spürbar sein, sagte Aksel und wies darauf hin, dass Mitarbeiter der wichtigsten Lieferanten in Malaysia mittlerweile geimpft seien.

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Was sich längerfristig auswirke, sei ein struktureller Angebotsmangel von etwa zehn Prozent, der erst beseitigt werden könne, wenn die von den Chipherstellern wegen der stürmischen Nachfrage gebauten neuen Fabriken voll laufen. Dies könne noch bis 2023 dauern.

Mercedes-Benz hat unter dieser brisanten Gemengelage am meisten gelitten. Die deutschen Fabriken standen teils wochenlang still, die Lieferzeiten uferten aus. Kunden müssen bis zu einem Jahr warten, bis sie eine neue A-Klasse in Empfang nehmen können. So lange Lieferzeiten gibt es weder bei BMW noch bei Audi, sagen BMW-Vertriebsvorstand Pieter Nota und die Audi-Vertriebschefin Hildegard Wortmann unisono. Allerdings standen die Bänder auch bei Audi und BMW teilweise still. Die Audi-Vertriebschefin räumt ein, dass die Ausfälle bis zum Jahresende nicht mehr alle aufgeholt werden können. Dennoch erwartet sie Auslieferungen deutlich über dem Vorjahresniveau.

Daimler hat die Absatzprognose reduziert

BMW-Vertriebschef Nota peilt ein „solides Wachstum des Absatzes an“ und zeigt sich guter Dinge, dass die Lieferzeiten anders als bei Mercedes-Benz nicht ausufern werden.

Daimler-Chef Ola Källenius hat die Absatzprognose reduziert. Anfangs sollte Mercedes-Benz in diesem Jahr das schwache Vorjahresniveau deutlich übertreffen, jetzt wird eine Stagnation angepeilt.

Audi-Vertriebschefin Wortmann berichtet, dass man in den Verkaufsgesprächen versuche, gemeinsam mit den Kunden die Autos so zu konfigurieren, dass auf knappe Ausstattungen verzichtet werde. So könnten etwa die Lieferzeiten verkürzt werden, indem die Wagen mit einer mechanischen statt mit einer elektrischen Lenkradverstellung ausgestattet werden. Zudem liefert Audi die Neuwagen übergangsweise zunächst einmal mit nur einem Schlüssel aus.

Was Mercedes-Kunden erwarten können

„Wir tun unser Bestes, um den Kunden zufrieden zu stellen,“ versichert die Mercedes-Vertriebschefin Britta Seeger im Gespräch mit unserer Zeitung und erläutert wie: „Wir verlängern die Leasinglaufzeiten, wir bieten Neukunden alternative Fahrzeuge an, wir bieten Kunden an, Extras später nachzurüsten.“

Mercedes-Entwicklungs- und Produktionschef Markus Schäfer sagt, dass eine Taskforce in den Bereichen Logistik und Einkauf, aber auch in der Entwicklung „mit erheblicher Personalstärke“ rund um die Uhr nach Lösungen suche, den Engpass bei den Chips zu begrenzen. Dazu gehöre auch, Alternativen zu fehlenden Chips zu entwickeln.

Als Konsequenz aus der Misere will Mercedes-Benz laut Schäfer viel enger als bisher direkt mit den Chipherstellern zusammenarbeiten. Schäfer sagt, Chips seien heute für den Autobauer so wichtig, dass ähnlich wie bei den Batteriezellen auch an Kooperationen zur Sicherung der Lieferwege gedacht werde.