Die chinesische Ningbo-Jifeng-Gruppe steht vor der Übernahme des bayerischen Autozulieferers Grammer. Im Bild: Mitarbeiter arbeiten an Fahrersitzen. Foto: dpa

Bei Übernahmen von Schlüsselunternehmen soll die EU künftig kritischer hinschauen. Gerade in strategisch wichtigen Bereichen wie Energie und Medien will Brüssel wachsamer sein.

Brüssel - Die Perlen der deutschen Maschinenbauer stehen ganz oben auf dem Einkaufszettel chinesischer Investoren. Jüngstes Beispiel ist der Zulieferer Grammer aus dem bayerischen Amberg. Der Konzern, der im vergangenen Jahr 1,8 Milliarden Euro Umsatz vor allem mit Geschäften in der Automobilbranche gemacht hat, steht möglicherweise vor der Übernahme durch die chinesische Ningbo-Jifeng-Gruppe. Dies hat Grammer mitgeteilt. Vor einem Jahr hatte der Ningbo-Jifeng-Konzern, bei dem die Investorenfamilie Wang das Sagen hat, bereits 25 Prozent der Anteile des bayerischen Unternehmens erworben und wurde damit zum größten Aktionär. Wie es aus dem Unternehmen heißt, laufen die Verhandlungen. Es sei offen, ob man sich einigt und der Investor ein Angebot an die anderen Grammer-Aktionäre macht; 20 Prozent gehören zum Imperium des umstrittenen bosnischen Geschäftsmanns Nijaz Hastor.

11,1 Milliarden Euro 2017

Spätestens seit der Übernahme des Augsburger Roboterbauers Kuka durch Chinesen wird die Einkaufstour chinesischer Investoren in Europa kritisch gesehen. 2017 haben chinesische Investoren mit 11,1 Milliarden Euro so viel Geld in deutsche Unternehmensbeteiligungen gesteckt wie nie zuvor.

Im vergangenen Jahr forderten die Regierungen von Deutschland, Frankreich und Italien die EU-Kommission auf, dafür zu sorgen, dass ausländische Direktinvestitionen in Europa vorab systematisch überprüft werden. Inzwischen sind die Pläne auf europäischer Ebene recht weit gediehen. Wenn die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten zustimmen, kann eine Regelung schon Ende des Jahres stehen.

Relevant für Sicherheit und die öffentliche Ordnung

Man ist sich so gut wie einig, dass es künftig EU-weit ein koordiniertes Verfahren geben soll, wenn Investoren außerhalb der EU Firmen mit besonders sensibler Technologie übernehmen wollen. Klar ist allerdings: Brüssel zieht in Zukunft keine neuen Kompetenzen an sich. Ein „Nein“ der EU wird es also auch demnächst nicht geben. Das letzte Wort, ob ein Geschäft untersagt wird, soll also weiter in den Hauptstädten der EU-Mitgliedsländer fallen. Vielmehr geht es um einen besseren Austausch von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission. Der grüne Wirtschaftsexperte Reinhard Bütikofer sagt: „Die Überprüfung von Investitionen aus Drittstaaten stellt kein industriepolitisches Instrument dar.“

Konkret sollen in der EU künftig Investments kritisch unter die Lupe genommen werden, die für die Sicherheit und für die öffentliche Ordnung relevant sind. Negativbeispiele sind etwa Übernahmen im Elektrizitätsmarkt in Portugal. Chinesische Firmen haben sich dort im großen Stil sowohl die Transport- als auch die Produktionskapazitäten gesichert. Nach Erfahrungen aus vergangenen Wahlkämpfen in einigen Mitgliedsländern, wo Medien im Besitz ausländischer Eigner Kampagnen gegen EU-freundliche Kandidaten angezettelt haben, könnte künftig auch die Übernahme von Sendern und Zeitungshäusern untersucht werden. Es geht auch darum, in welche Hände möglicherweise Unternehmen kommen, die zuvor EU-Forschungsförderung und andere EU-Steuerzahlergelder bekommen haben. Wenn in einem EU-Land eine derartige Transaktion ansteht, soll die nationale Regierung dies künftig gegenüber der Europäischen Union begründen müssen.

In China und in den USA sind Schlüsselbranchen Tabu

Es gehe aber nicht um Protektionismus, sagt Bütikofer. Während in China und in den USA Schlüsselbranchen Tabu sind für ausländische Investoren, soll hierzulande Unternehmen aus Drittländern weiterhin prinzipiell der Einstieg in allen Wirtschaftszweigen erlaubt bleiben.

Bereits heute haben 13 Mitgliedstaaten in der EU Regelungen, bei denen Investitionen von ausländischen Kapitalgebern überprüft werden. 15 Länder haben derartige Regelungen nicht.

Der Chef der deutschen Unions-Abgeordneten im Europaparlament, Daniel Caspary, hätte sich eine weiter gehende Lösung gewünscht: „Es wäre sinnvoll, wenn die Kommission Übernahmen prüft und auch ihr Veto einlegen kann.“ Chinesische Investoren hätten durch Zukäufe einen bedenklich hohen Einfluss erworben. Dagegen lehnt der Industrieverband BDI die Pläne ab: „Die Ausweitung von Investitionskontrollen wäre schädlich“, sagte Joachim Lang (BDI). Es gehe um Eingriffe in das Privateigentum und die Vertragsfreiheit. Ein Investitionsprotektionismus schade keinem Staat mehr als Deutschland.